Medizinisches Fachpersonal, Seelsorgende, Führungskräfte – sie alle stehen täglich unter dem Druck, die richtigen Antworten zu geben und eindeutige Entscheidungen zu treffen. Demgegenüber steht die Erfahrung, dass die Fragen, die die Menschen ihnen stellen, und die beruflichen Situationen, die sie bewältigen müssen, sehr oft zu vielschichtig und widerspenstig für einfache Antworten sind. Was macht man, wenn das „Richtige“ nicht zu finden ist, das „Wahre“ hartnäckig mehrdeutig bleibt? Prof. Cornelia Richter, Professorin für Systematische Theologie an der Evangelisch-Theologischen Fakultät der Universität Bonn, und Prof. Franziska Geiser, Direktorin der Klinik für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie am UKB, wollen neue Impulse für Ausbildung und Berufsalltag setzen und ein neues Konzept der „reflexiven Resilienz“ entwickeln, das Ergebnisse und Konzepte aus beiden Fächern miteinander innovativ kombiniert.
Theoretisches Konzept und praxisnahe Ausbildungsformate
Ausgangspunkt des „Koselleck-Programms“ sind die langjährigen Erfahrungen der beiden Antragstellerinnen in der theoretischen Forschung wie auch in der Anleitung junger Berufsanfänger*innen beider Fächer. Mit ihrer kritischen Hinterfragung des Resilienz-Begriffes und ihrer Wertschätzung von Ambivalenz sind sie bereits auf breite gesellschaftliche und fachliche Resonanz gestoßen. „Es gibt gerade in Zeiten der zunehmenden Komplexität und Beschleunigung ein wachsendes Bedürfnis nach Momenten des Innehaltens, die nicht auf Erholung im Sinne von Leistungsoptimierung zielen, sondern mir erlauben, all die Ambivalenz, die eine Situation mit sich bringt, zu akzeptieren und zu integrieren“, so Prof. Richter, und Prof. Geiser ergänzt: „Das verhindert nicht nur einseitige Perspektiven, sondern führt auch dazu, dass solche Situationen weniger Stress verursachen, und stärkt damit die Resilienz.“ Dafür sei die Kombination beider Fächer ideal. Über Metaphern und Rituale bietet die Theologie zum Beispiel Möglichkeiten des Verstehens und Akzeptierens auch da, wo es keine Klarheiten gibt, und praktiziere verschiedene Formen des Reflektierens. Die Medizin hat dagegen mehr Erfahrung mit praktischen Handlungsleitfäden und psychologischen Erklärungen für Entscheidungssituationen.