Der Antarktische Zirkumpolarstrom (englisch: Antarctic Circumpolar Current/ACC) ist die größte Meeresströmung der Erde und umkreist die Antarktis mit der Erdrotation von West nach Ost. Die kalte Meeresströmung wird hauptsächlich durch die Westwinddrift angetrieben. Der ACC verbindet Atlantik, Pazifik und Indischen Ozean und ist somit entscheidend für den globalen Wärmetransport, den Kohlenstoffkreislauf und den Austausch von Nährstoffen zwischen den Ozeanen. Damit hat er auch Einfluss auf das regionale und globale Klima sowie die Biodiversität.
In einer aktuellen Studie berichtet ein internationales Forschungsteam von 36 Wissenschaftlern aus fünf Ländern unter der Leitung von Prof. Xufeng Zheng von der Hainan University in Haikou (China) im Journal „Nature Communications“. Die Forschenden bestimmten die Strömungsgeschwindigkeit im ACC anhand von Bohrkernen, die aus 3.000 bis 4.000 Meter Wassertiefe stammen. Das Integrated Ocean Discovery Program (IODP) entnahm sie mit dem Bohrschiff “JOIDES Resolution” im Jahre 2019 im Scotiameer nördlich der Antarktis. Die Expedition fand unter Leitung von Dr. Michael Weber vom Institut für Geowissenschaften der Universität Bonn statt.
Messungen der Korngrößenverteilung in den Sedimenten lassen nun Rückschlüsse über die Änderungen der Strömungsgeschwindigkeit zu. Vereinfacht werden feine Teilchen von der Strömung bei höheren Geschwindigkeiten mitgerissen und können sich erst am Meeresgrund wieder absetzen, wenn sich die Strömungsgeschwindigkeit entsprechend verringert. Ist die Größenverteilung der Partikel im Bohrkern bekannt, lassen sich die Variationen der Strömungsgeschwindigkeit für verschiedene Zeiträume bestimmen. Das trifft vor allem auf die relativ feinkörnige Schlufffraktion von 0,1 bis 0,063 Millimeter zu, auf die die Forschenden ihr Hauptaugenmerk richteten.
Strömungsgeschwindigkeit war drei Mal so groß
„Demnach war die Geschwindigkeit in der vorletzten Warmzeit vor rund 130.000 Jahren mehr als dreimal so hoch wie in der jetzigen Warmzeit der letzten Jahrtausende“, sagt Weber. Diese gegenläufigen Ergebnisse trotz weitgehend gleichem Klima führen die Forschenden auf Änderungen der Erdbahn um die Sonne zurück, wodurch die Einstrahlung variierte. Die Erde umkreist auf einer elliptischen Bahn die Sonne, die sich etwa alle 100.000 Jahre wiederholt. Auch die Erdachse verändert ihre Neigung und Rotation im Abstand von etwa 21.000 Jahren. „Beide Parameter zeigten lediglich in der letzten Warmzeit ein gleichzeitiges, sich gegenseitig verstärkendes Maximum“, sagt Weber. Dadurch könnten sich etwa die Westwinde verändert haben, die die Antarktische Zirkumpolarströmung antreiben.
Zusammen mit anderen Datensätzen kommen die Forschenden zu dem Schluss, dass somit eine Polwärts-Verlagerung des ACC während des letzten Interglazials von mindestens fünf Breitengraden (rund 600 Kilometer) abgeleitet werden kann. „Dies brachte wärmere Gewässer näher an die Antarktischen Eisschilde, was auch zu dem 6 bis 9 Meter höheren Meeresspiegel des letzten Interglazials beigetragen haben kann“, ordnet Weber ein. Aufgrund der derzeitigen orbitalen Konstellation ist nach Einschätzung der Forschenden für die nächsten Jahrhunderte bis Jahrtausende eine Nordwärts-Verschiebung des ACC im natürlichen Klimasystem zu erwarten, was der prognostizierten Südwärts-Verschiebung durch den Klimawandel entgegenwirken würde.
Die Forschenden kommen jedoch zu dem Schluss, dass es angesichts der Komplexität und Unsicherheiten für eine genaue Vorhersage der ACC angesichts der Klimawandelszenarien von entscheidender Bedeutung sein wird, die Wechselwirkung zwischen natürlicher Klimavariabilität und vom Menschen verursachten Faktoren zu berücksichtigen. „In Zukunft wird eine Kombination aus Aufzeichnungen der Vergangenheit und Klimamodellen unerlässlich sein“, sagt Xufeng Zheng.