Erasmus+ Studium Europa
Kristina war in Turku
Kristina studiert North American Studies im Master an der Universität Bonn und berichtet von ihrer Zeit als Studierende an der Universität in Turku, Finnland.
Das Studium in Finnland ist etwas flexibler als in Deutschland: Klausurtermine lassen sich meist frei wählen, verschieben oder auch wiederholen, um die Note zu verbessern. Meine Lernerfolge in Finnisch waren eher bescheiden, aber zum Glück spricht fast jede*r fließend Englisch, sowohl an der Uni als auch im Alltag in Geschäften.
Finnland hat eine ausgeprägte Studikultur mit sehr aktiven Fachschaften und Traditionen wie Sitzparties, Student Cruises und Overalls („Haalarit“ als Google-Tipp). Ein Highlight ist der Maifeiertag („Vappu“), der Tag der Arbeitenden *und* Studierenden, mit großen Paraden und Feiern. Auch das lokale Erasmus Student Network (ESN) ist äußerst engagiert und organisiert wöchentlich Veranstaltungen für internationale Studis, wodurch man leicht Anschluss findet. Zudem bietet ESN mehrere Reisen an, die günstiger als privat organisierte sind. So bin ich mit ESN zusammen nach Lappland (rund mit Nordlichtern, Ski- und Schneemobilfahren sowie Rentier- und Schlittenhundfahrt), Stockholm und nach Norwegen auf die Lofoten gefahren.
Ich kann jedem nur empfehlen, wenn möglich, zwei Semester im Ausland zu verbringen. Nach einem Semester hatte ich mich gerade richtig eingelebt, sodass sich das zweite schon fast wie Zuhause angefühlt hat. Zusätzlich konnte ich so den Sommer mit wunderschöner Natur sowie einen langen und schneereichen Winter genießen, den ich so wahrscheinlich nie wieder erleben werden. Mein Jahr in Turku gehört definitiv zu den schönsten meines Lebens, in dem ich mich auch persönlich viel weiterentwickelt und enge Freundschaften geschlossen habe. Daher kann ich einen Auslandsaufenthalt jedem nur ans Herz legen!
Wenn du nun Lust bekommen hast, ins Ausland zu gehen, kannst du meinen vollständigen Erfahrungsbericht lesen:
Bewerbung
Ich habe Anfang November 2023 die Erasmus-Infoveranstaltung des IAAKs besucht und hatte zuvor weder von Turku gehört noch ein Erasmus in Finnland geplant. Da ich im Master studiere, war — zumindest in meinem Zeitraum — ein Erasmus in Irland oder im Vereinigten Königreich nicht möglich (nur für BA-Studierende), weshalb ich mir die Alternativen angeguckt habe. Nach längerem Überlegen wurde die Uni Turku meine Priorität Nummer 1, da sie mit meinen benötigten Modulen am besten gepasst hat und mich die Erfahrungsberichte überzeugt haben. Damals lag die Bewerbungsfrist das Instituts, die man unbedingt einhalten muss, kurz vor Weihnachten. Man sollte sich auf jeden Fall frühzeitig um das Empfehlungsschreiben eines Dozierenden kümmern. Ende Februar 2024 erhielt ich die Zusage für Turku, woraufhin die genauere Planung anfing. Die Bewerbung bei der Gasthochschule, das Erstellen des Learning Agreements und diverse Anforderungen/Angaben bei der Uni Bonn haben sich bei mir alle als unproblematisch erwiesen. Die Informationsveranstaltungen der International Offices der Uni Bonn und der Uni Turku sollten hierfür unbedingt besucht werden, dann bleiben eigentlich wenige Fragen offen. Meine Kommunikation mit den International Offices sowie mit der Erasmuskoordination des IAAKs war stets reibungslos. Die Uni Turku arbeitet sehr digital, sodass eine Abänderung des Learning Agreements, als ich bereits vor Ort war, auch unkompliziert ablief.
Unterkunft
Ich habe im Wohnheim Student Village West von TYS gewohnt, von dem ich nur 10 Minuten Fußweg zur Uni hatte. Im Wohnheim zu wohnen war definitiv eine gute Entscheidung: mein 18m2 Zimmer mit eigenem Bad und Gemeinschaftsküche (genutzt von insgesamt 12 Personen) hat rund 400 Euro im Monat gekostet, inklusive vier Saunaschichten pro Monat. Dazu gab es direkt neben meinem Gebäude eine Mensa, in der man (wie in allen anderen Studi-Mensen) für nur 2,95 Euro reichlich Essen bekommt. Somit war das tägliche Mensaessen oft preiswerter als frisch einzukaufen. Die Bewerbungsfristen fürs Wohnheim sollten unbedingt beachtet werden. Ich hatte sehr schnell ein Angebot, aber habe bei anderen mitbekommen, wie sie länger bangen mussten oder gelegentlich auch leer ausgegangen sind. Keine Sorge, die allermeisten Erasmus-Studierenden, die ich kennengelernt haben, sind im Wohnheim untergekommen. Ich blieb damals bis in die Nacht wach, um meine Bewerbung so schnell wie möglich abzuschicken, nachdem der Prozess geöffnet wurde.
Ankunft
Zur Anreise hat man mehrere Optionen, ich habe mich für einen Direktflug von Frankfurt nach Helsinki mit Finnair entschieden. Bei Finnair kann man einen Bustransfer nach Turku dazubuchen, der ca. weitere zwei Stunden dauert. In Turku angekommen, hat mich meine Tutorin am Busbahnhof abgeholt. Jedem Erasmus-Studi werden finnische Tutor*innen zugeordnet, die einen in der ersten Zeit unterstützen. Meine Tutorin hat bereits vor meiner Ankunft mein Starting Package von der Student Union TYY und meinen Wohnheimschlüssel abgeholt. Um das Starting Package muss man sich vorher selbst kümmern (alle Infos dazu gibt es auf der Website von TYY), aber es ist für die ersten Tage definitiv die beste Lösung, da man somit Bettwäsche und das Nötigste an Küchenausstattung bekommt. Die Orientierungswoche samt Veranstaltungen des International Offices und vom Erasmus Student Network (ESN) begann damals am 26. August. Ich war bereits am 20. angereist und war sehr froh um die knappe Woche, in der ich alles für meine Wohnung besorgen und mich zurechtfinden konnte. Ich habe mir direkt eine Föli-Karte organisiert, mit der man im Bus als Studi vergünstigt fährt (pro Monat kostet diese ca. 30 Euro). Was man unbedingt benötigt, ist die Tuudo-App, über welche man den Uni-Ausweis angezeigt bekommt, den man bereits im Föli Office braucht, aber auch zum Beispiel zum Essen in der Mensa.
Studium
Man merkt schnell, dass finnische Universitäten digitaler und moderner als deutsche sind. Beispielsweise bekommen alle Studierenden einen electronic tag, mit dem man mehrere hundert Kopien pro Semester gratis an der Uni drucken kann und mit dem man Zugang zu Unigebäuden außerhalb der Öffnungszeiten bekommt. Somit ist es auch möglich, am Wochenende oder abends/ nachts in die Bibliothek zu gehen. Auch die Ausleihe von Büchern ist digitaler und selbstständiger gestaltet als in Bonn, weshalb ich eine Rundführung einer Bibliothek zu Beginn des Semesters empfehle. Bezüglich der Kurse habe ich unterschiedliche Erfahrungen gemacht. Ich hatte einen Kurs, den ich als einen der besten meines ganzen Studiums bezeichnen würde, während die restlichen eher im unteren Bereich liegen — nicht im Sinne von Noten, sondern lediglich aufgrund der Lehrinhalte und -arten. Vor allem musste ich mich an Self-Study-Kurse gewöhnen, die Vor- und Nachteile bergen. Bei diesen Self-Study-Kursen bekam ich nur eine Liste an Büchern und Fachliteratur, die ich selbstständig durcharbeiten musste, und konnte mich dann zur E-Klausur anmelden. Die E-Klausuren werden in dafür vorgesehenen Räumen auf dem Campus geschrieben, für die man sich online einen Slot bucht. Praktisch ist, dass man sich den Klausurtermin selbst aussuchen und auch beliebig oft verschieben kann. Allerdings ist auch mehr Disziplin erforderlich und Angaben zu Klausurinhalten können sehr schwanken, sodass man teilweise mehr oder weniger allein auf sich gestellt ist. Jedoch gibt es bei vielen Modulen die Möglichkeit, eine Klausur dreimal zu schreiben, wenn man mit der Note unzufrieden ist. Während ich im ersten Semester eine Mischung aus Präsenz- und Self-Study-Kursen hatte, bestand mein zweites Semester nur aus Self-Study. Am Anfang habe ich den Austausch mit anderen Studierenden im Seminar sehr vermisst, aber zum Ende hin habe ich es schätzen gelernt, meine Zeit komplett selbst einteilen zu können und flexibler zu sein.
Finnisch habe ich versucht im Rahmen des Finnish Survival Course for Exchange Students zu lernen, aber nachdem dieser abgeschlossen war, habe ich es aufgegeben. Obwohl ich mich als recht sprachenaffin bezeichnen würde, fand ich Finnisch sehr schwierig zu lernen und habe mich dann dazu entschlossen, meine Zeit und Ressourcen lieber in Anderes zu stecken. Zum Glück spricht in Finnland fast jeder fließend Englisch, sodass man im Alltag ohne Finnischkenntnisse wirklich keinerlei Probleme hat. Ein paar Wörter, die beim Einkaufen hilfreich sind, prägen sich natürlich trotzdem ein.
Sozialleben und Freizeit
Ich bin der Meinung, dass Finnland definitiv ein Underdog ist, was Auslandsstudium angeht. Dabei hat Finnland eine sehr ausgeprägte Studierendenkultur, wie es sie kaum woanders gibt — zumindest weder in Deutschland noch in den Herkunftsländern anderer Studierender, mit denen ich gesprochen habe. Fest dazu gehören die Overalls (haalarit), die alle finnischen Studierenden besitzen. Die Farbe gibt eine Fachzugehörigkeit an und auf Studi-Events bekommt man Aufnäher oder kann sie kaufen, sodass jeder Overall einzigartig ist. Ich habe mir direkt in der ersten Woche den Overall von ESN Uni Turku gekauft (30 Euro) und habe innerhalb neun Monaten knapp 80 Patches gesammelt. Mein Overall ist definitiv eines meiner Lieblingserinnerungsstücken und er zeigt Zugehörigkeit zur finnischen Studierendenschaft. Man sollte auf jeden Fall auch mal auf eine Sitz Party und auf eine Student Cruise (zum Beispiel ESN Finlands Pirates of the Baltic Sea) gehen, die typisch finnisch sind.
Fazit
Ich habe mich in Turku persönlich sehr weiterentwickelt. Ich konnte Erfahrungen machen und Menschen kennenlernen, denen ich sonst nie begegnet wäre. Trotz meines bereits abgeschlossenen Bachelors und mehrjährigen Alleinewohnens, bin ich im Ausland nochmal ein Stückchen selbstständiger und erwachsener geworden. Den Austausch mit Studierenden aus allen möglichen Ländern habe ich als wertvoll empfunden und ich habe Beziehungen aufgebaut, die ich heute keinesfalls mehr missen möchte.
Es ist nicht leicht, eine beste Erfahrung zu nennen, da ich fast nur positive Erfahrungen gesammelt habe. Ich fand es auf jeden Fall besonders, den finnischen Winter von Anfang bis Ende zu erleben und habe den Schnee genossen. Der Winter in Turku war in diesem Jahr „mild“, sodass es kaum kälter als -10 Grad war. Im Vorjahr waren es auch dort -30 Grad, die ich nur in Lappland erlebt habe. Mit der richtigen Ausstattung lassen sich die kalten Temperaturen gut aushalten. Ich empfehle, Winterkleidung vor Ort in Secondhandläden zu kaufen. So habe ich für einen Daunenmantel, der mich den ganzen Winter warmgehalten hat, nur 30 Euro ausgegeben. Eishockey, Schlittschuhlaufen, Eisschwimmen und Sauna — all das gehört zum finnischen Winter dazu.
Programm: Erasmus+ Studium Europa
Gastuniversität: University of Turku, Turku, Finnland
Studiengang: North American Studies
Zeit des Aufenthalts: Wintersemester 2024/25 bis Sommersemester 2025