Erasmus+ Studium Europa
Hanno war in Prag
Hanno studiert Medizin an der Universität Bonn und berichtet von seiner Zeit als Erasmus-Studierender an der Karls-Universität in Prag, Tschechische Republik.
Das Resümee seines Auslandsaufenthaltes
Neben dem akademischen Teil war das internationale Umfeld prägend. Ich habe auf Englisch gelernt, mit Erasmus-Studierenden gearbeitet und Patient*innen betreut, die manchmal weder Deutsch noch Englisch sprachen. So habe ich angefangen, einfache tschechische Sätze einzusetzen oder mit Händen und Füßen zu kommunizieren – eine Herausforderung, die mir gezeigt hat, wie wichtig und gleichzeitig wertvoll interkultureller Austausch ist.
Auch im Alltag habe ich Prag sehr schnell ins Herz geschlossen. Die Stadt ist voller kleiner Cafés, gemütlicher Bars, Kinos und kultureller Veranstaltungen. Ob Oper, Theater oder Straßenfest – es gibt immer etwas zu erleben. Gleichzeitig habe ich tolle Menschen kennengelernt: Austauschstudierende aus ganz Europa, aber auch Einheimische, mit denen ich ins Gespräch gekommen bin. Und da ich ein bisschen Tschechisch gelernt habe, hatte ich mit den Einheimischen auch immer wieder herzliche Begegnungen. Und dann passieren in einem Erasmus auch noch so wunderbare Dinge, wie dass ich auf einmal die Begeisterung zu Eishockey entdeckt habe und mehrfach im Stadion war.
Für mich war das Erasmussemester in Prag eine einzigartige und bereichernde Erfahrung. Ich habe fachlich sehr viel gelernt, mich in einem neuen Studiensystem ausprobiert und gleichzeitig erlebt, wie inspirierend internationale Begegnungen sein können. Vor allem aber habe ich eine Stadt entdeckt, die unglaublich viel zu bieten hat und in der ich mich sofort zu Hause gefühlt habe. Ein Semester in Prag kann ich allen empfehlen, die Lust haben, über den eigenen Horizont hinauszuwachsen und sich sowohl akademisch als auch persönlich weiterzuentwickeln.
Vorbereitung: Planung, Organisation und Bewerbung
Die gesamte Planung und Bewerbung für mein Erasmussemester in Prag lief sehr reibungslos. Nachdem ich die Zusage von der Universität Bonn erhalten hatte, musste ich mich bis Mitte März für das Mobility Online Portal anmelden. Bereits Ende März erhielt ich eine sehr freundliche Nachricht von meiner Erasmus-Koordinatorin in Prag, die eine unglaubliche Unterstützung war. Sie schickte mir direkt das gesamte Kursangebot, sodass ich innerhalb einer Woche meinen Stundenplan fertigstellen konnte. Da war schon die erste große Last abgefallen. Danach war noch eine formelle Bewerbung mit dem Learning Agreement an der First Faculty of Medicine erforderlich. Gleichzeitig musste das offizielle Online Learning Agreement von der Universität Prag, der Universität Bonn und mir unterschrieben werden. Das läuft über eine Webseite, worüber ihr aber ausführlich aufgeklärt werdet.
Während des gesamten Prozesses fühlte ich mich sowohl von meiner Koordinatorin in Bonn als auch von der Koordinatorin in Prag bestens betreut. Mein Rat für zukünftige Erasmus-Studierende ist, sich frühzeitig um die organisatorischen Aufgaben zu kümmern und keine Fristen auszureizen. Dadurch erspart man sich unnötigen Stress und es ist für alle angenehmer.
Unterkunft
Bei der Wohnungssuche hatte ich die Wahl zwischen einem sehr günstigen Wohnheimzimmer, das teilweise unter 200 Euro im Monat kostet, jedoch oft mit einem geteilten Zimmer sowie gemeinsamer Küche und Bad verbunden ist, oder einer Wohngemeinschaft, die meist ab 500 Euro beginnt. Ich entschied mich für eine WG und fand über die Vermittlung „Erasmus in Prague“ eine wirklich gute Wohnung mit viel Platz, einer großen Wohnküche mit Sofa, Esstisch, einer Waschmaschine, Bügeleisen, gutem Internet etc. Meine monatliche Miete betrug 505 Euro, dazu kam eine einmalige Vermittlungsgebühr von 260 Euro. Im Vergleich zu den Preisen anderer Studierender hatte ich damit großes Glück und es gab auch Leute, die mehr als 600 Euro jeden Monat zahlen mussten.
Meine Wohnung lag in Prag 10, direkt an der Grenze zu Prag 2. Es war eine fantastische Lage, da ich mit der Straßenbahn nur 15 bis 20 Minuten zur Universität brauchte. Die nächste Haltestelle befand sich direkt um die Ecke, und in der Umgebung gab es unzählige Cafés, Restaurants und Parks. Allgemein ist dieses Viertel sehr cool und voll von Einheimischen sowie Expats. Zudem war es auch sehr ruhig. Um die Ecke ist ein großer Park, der nächste Supermarkt ist 5 Minuten zu Fuß weg. Allgemein ist es ein sehr lebenswertes Viertel, in dem man sich sehr wohlfühlen kann. Mein Tipp für alle, die eine Wohnung in Prag suchen: Fangt früh mit der Suche an und seid vorsichtig bei einigen Angeboten. Überweist kein Geld, bevor ihr einen Mietvertrag unterschrieben habt und persönlichen Kontakt mit einer realen Person hattet. Zudem ist es hilfreich, beim Einzug Fotos von der Wohnung zu machen, um später keine Probleme mit der Kaution zu bekommen. Überlegt euch am Anfang gut, was für euch richtig ist (Wohnheim oder WG). Beides hat definitiv seine Vor- und Nachteile.
Studium an der Universität
Bevor das Semester offiziell begann, nahm ich an einem dreiwöchigen Tschechisch-Sprachkurs teil. Dieser wurde auch online angeboten, was für mich die stressfreiere Option war. Es war sehr cool, ein wenig Tschechisch gelernt zu haben, das ich dann jeden Tag in Prag anwenden konnte.Die Prüfungen an der Universität sind allgemein schon anders, da es häufig mündliche Prüfungen gibt, manchmal in Kombination mit einem Multiple-Choice-Test. In jedem Fach gibt es eine Themenliste, wovon meist zwei Fragen zufällig gezogen werden. Man hat dann ein paar Minuten Zeit, diese Fragen vorzubereiten, bevor man abgeprüft wird. Anfangs hatte ich großen Respekt vor den mündlichen Prüfungen, aber letztendlich stellte sich heraus, dass sie alle gut machbar waren. Die Prüfer*innen waren fair, und man hatte nie das Gefühl, dass jemand durchfallen sollte.
Neurology: Der Neurologie-Kurs war einer der intensivsten, aber auch der am besten organisierte Kurse. Der Unterricht begann morgens immer mit eineinhalb Stunden Vorlesung, bevor es danach zu den practicals in der Klinik oder zum Untersuchungskurs ging. Die Prüfung war dann dreigeteilt: Teile einer neurologischen Untersuchung durchführen, ein Multiple-Choice-Test und eine mündliche Prüfung. Das Fach war schon sehr lernintensiv, aber auch sehr cool!
Neuosurgery: Der Neurochirurgie-Kurs fand für mich im Militärkrankenhaus statt und dauerte zwei Wochen. Man hatte die Möglichkeit, jeden Tag in den Operationssaal zu gehen, falls man wollte. Der theoretische Unterricht war eher überschaubar, aber wer Interesse zeigte, konnte viel sehen und lernen. Die Abschlussprüfung bestand aus einem Multiple-Choice-Test, wobei uns der Professor auch anbot, nur diesen Test zu schreiben, ohne zusätzlich eine mündliche Prüfung ablegen zu müssen.
Forensic Medicine: Im Fach Forensische Medizin hatten wir täglich von acht bis zwölf Uhr Unterricht. Die Studierenden konnten nach Wunsch auch den Obduktionssaal besuchen. Die Lehrqualität variierte je nach Dozentin oder Dozent, aber mit einer guten Zusammenfassung aus dem google drive Ordner konnte man sich gut auf die abschließende mündliche Prüfung vorbereiten.
Geriatrics: Der Geriatrie-Kurs wird normalerweise an der First Faculty unterrichtet, aber in meinem Fall kam er dort nicht zu Stande. Dank meiner Koordinatorin konnte ich diesen aber an der Second Faculty machen. Der Kurs war theorielastig und bot nicht so viele praktische Inhalte. Eine mündliche Prüfung war nicht vorgesehen, aber ich konnte diese individuell mit meiner Dozentin vereinbaren.
Rehabilitation Medicine: Der Kurs zur Rehabilitationsmedizin war äußerst spannend und praxisnah. Die Vorlesungen deckten verschiedene Therapieformen ab, darunter Physiotherapie und Ergotherapie, Musiktherapie etc. Die Studierenden hatten zudem Gelegenheit, Patientinnen und Patienten auf Station zu begleiten. Die Abschlussprüfung bestand aus einem benoteten Multiple-Choice-Test.
Cardiovascular surgery: Der Kurs zur kardiovaskulären Chirurgie bot eine Mischung aus Theorie und OP-Besuchen. Eigentlich war keine Prüfungsleistung vorgesehen, aber auch hier konnte ich individuell eine Prüfung vereinbaren.
Sprachkurs und physical education: Neben diesen fachspezifischen Kursen nahm ich noch an einem entspannten wöchentlichen Tschechisch-Kurs teil, der von einer sehr freundlichen Lehrerin unterrichtet wurde. Die Charles University bietet zudem zahlreiche Hochschulsportkurse an. Diese finden jedoch meist außerhalb der Stadt statt, sodass die Anreise etwas Zeit in Anspruch nimmt. Ich entschied mich für einen Schwimmkurs und habe das sehr genossen.
Alltag und Freizeit
Prag ist eine wunderschöne Stadt mit unzähligen Möglichkeiten. Wer gerne Kaffee trinkt oder gut essen geht, wird sich hier sofort wohlfühlen. Es gibt überall tolle Cafés, Clubs, großartige Restaurants und gemütliche Bars. In den Sommermonaten finden zahlreiche Konzerte, Festivals und Straßenfeste statt. Und generell kommt man kulturell auf seine Kosten: Es gibt eine beeindruckende Oper, ein Nationaltheater und viele kleine Theater. Persönlich habe ich das voll mitgenommen. Es sind so viele Kleinigkeiten, die man hier erleben kann, so zum Beispiel das Kino Aero, das einmal im Monat klassische tschechische Filme mit englischen Untertiteln zeigt und dazu gibt es dann einen tschechischen Snack und eine Erklärung zum Film. Ich könnte so viel mehr erzählen. Mit der ISIC-Card kann man fast überall Vergünstigungen bekommen. Besonders empfehlenswert sind auch die Veranstaltungen der Erasmus-Organisation ESN, die von Partys über Stadtführungen bis hin zu Ausflügen nach Budapest oder Auschwitz eine große Bandbreite an Aktivitäten anbieten. Zusätzlich organisiert die Fachschaft der First Faculty regelmäßig kostenlose Events. Zudem gibt es auch für die Partyleute unter uns „ohmyPrague“, die viele Parties, Karaoke- und Quizabende anbieten. Gerade am Anfang ist das eine gute Gelegenheit, um Leute kennenzulernen.
Fazit: Eine der besten Entscheidungen meines Lebens
Ich habe mich in Prag verliebt und jeden einzelnen Tag dort genossen. Egal welche Interessen oder welchen Lebensstil man hat, die Stadt bietet für jeden etwas. Auch wenn die Organisation anfangs sicherlich herausfordernd war und ich mir Sorgen machte, ob ich das Studium auf Englisch meistern würde, hat sich letztendlich alles gelohnt. Ich bin unglaublich dankbar, dass ich mich für Prag entschieden habe und würde diese Erfahrung jederzeit wiederholen.
Und noch ein Tipp am Ende: Ich habe jeden Tag davon profitiert, ein bisschen Tschechisch gelernt zu haben und bekam von Einheimischen viel Lächeln und Freude zurück. Auch das sind wertvolle Erfahrungen, die man im Ausland machen kann.
Programm: Erasmus+ Studium Europa
Gastuniversität: Karls-Universität, Prag, Tschechische Republik
Studiengang: Medizin
Zeit des Aufenthalts: Wintersemester 2024/25