15. Mai 2020

Kinder mit Gesichtsspalte sind wahrscheinlich genetisch nicht für schlechtere Schulleistungen prädisponiert Kinder mit Gesichtsspalte sind wahrscheinlich genetisch nicht für schlechtere Schulleistungen prädisponiert

Frühere Studien haben ergeben, dass Kinder mit einer nicht-syndromalen Gesichtsspalte unterdurchschnittliche Schulleistungen aufweisen. Unter anderem wurde als Ursache auch eine genetische Veranlagung diskutiert. Eine Studie unter Federführung der Universität Bristol (England) und unter Beteiligung von Wissenschaftlern der Universität Bonn hat nun ergeben, dass Kinder mit einer Gesichtsspalte wahrscheinlich nicht genetisch für schlechtere schulische Leistungen prädisponiert sind. Die Ergebnisse sind im „International Journal of Epidemiology“ veröffentlicht.

Privatdozentin Dr. med. Elisabeth Mangold (links) und Dr. Kerstin U. Ludwig (rechts)
Privatdozentin Dr. med. Elisabeth Mangold (links) und Dr. Kerstin U. Ludwig (rechts) - vom Institut für Humangenetik der Universität Bonn. © Foto: Barbara Frommann/Uni Bonn
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Weltweit wird etwa eines von 600 Babys mit einer Gesichtsspalte geboren. Einige frühere Studien ließen vermuten, dass Kinder, die mit einer Gesichtsspalte geboren werden, in der Schule weniger gut abschneiden, auch wenn sie keine anderen Erkrankungen oder bekannten Beeinträchtigungen haben. Es wurde vermutet, dass dies unter anderem auf eine genetische Veranlagung zu geringerer Intelligenz zurückzuführen sein könnte, im Sinne von Unterschieden in der Hirnstruktur oder -funktion. Die neue Studie der Wissenschaftler aus Bristol und Bonn deutet aber darauf hin, dass dies nicht der Fall ist.

Das Team verglich Informationen über die Genetik der Gesichtsspalten mit Informationen über die Genetik des Bildungsniveaus und der Intelligenz unter Verwendung eines in Bristol entwickelten Ansatzes, der als „Mendel'sche Randomisierung“ bekannt ist, und zusätzlich der  „linkage disequilibrium score regression“. Die Forscher fanden nur sehr wenige Hinweise darauf, dass die genetischen Einflüsse auf Gesichtsspalten mit niedrigem Bildungsniveau oder niedriger Intelligenz zusammenhängen. Die Ergebnisse könnten einen wichtigen Einfluss auf die Familienberatung und Bewältigungsstrategien haben, und auch darauf, wie die Öffentlichkeit Menschen mit einer Gesichtsspalte wahrnimmt.

„Unsere Studie zeigt, dass weiter nach möglichen Erklärungen dafür geforscht werden muss, warum diese Kinder dazu neigen, in der Schule weniger gut abzuschneiden“, sagt Dr. Gemma Sharp von der Universität Bristol, Seniorautorin der Studie. Zum Beispiel könnten die Unterschiede im erreichten Bildungsniveau durch Faktoren erklärt werden, die mit einer Gesichtsspalte zusammenhängen, wie soziale Stigmatisierung und beeinträchtigte Sprach- und Sprechentwicklung, oder durch weitere Faktoren wie die sozioökonomische Stellung der Familie.

Privatdozentin Dr. Elisabeth Mangold und Dr. Kerstin U. Ludwig vom Institut für Humangenetik der Universität Bonn haben mit Daten von Patienten und aus der Kontrollgruppe zur Studie beigetragen. „Die Ergebnisse der Studie deuten darauf hin, dass es keine Überlappung in den genetischen Faktoren für eine Gesichtsspalte und denen für Schulleistungen gibt“, sagt Ludwig. „Die Schulleistungen der Patientinnen und Patienten haben offenbar nichts mit der Genetik zu tun.“

Publikation: Cleft lip/palate and educational attainment: cause, consequence, or correlation? A Mendelian randomization study, International Journal of Epidemiology, https://doi.org/10.1093/ije/dyaa047

Pressemitteilung der Universität Bristol:
http://www.bristol.ac.uk/news/2020/may/cleft-lip.html

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