13. Juni 2014

Die Lust an der Wiederholung Die Lust an der Wiederholung

Eine Kulturwissenschaftlerin untersucht die Bedeutung wiederkehrender Szenen in pornografischen Filmen

Die Handlung pornografischer Filme ist von vornherein absehbar: Bestimmte Szenen wiederholen sich beharrlich. Ein solches Muster ist eigentlich ein Garant für Ermüdung und gähnende Langeweile - trotzdem erfreuen sich Pornofilme großer Beliebtheit. Die Hintergründe der populären Monotonie untersuchte die Kulturwissenschaftlerin Sarah Schaschek in ihrer Dissertation über „Pornografie und Serialität“ an der Universität Bonn.

Dr. Sarah Schaschek
Dr. Sarah Schaschek - untersuchte aus der kulturgeschichtlichen, medienwissenschaftlichen und philosophischen Perspektive die Bedeutung wiederkehrender Szenen in pornografischen Filmen. © Foto: privat
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Wenn sich Gleichartiges aneinanderreiht, sprechen Wissenschaftler von „Serialität“. Dr. Sarah Schaschek untersuchte in ihrer Dissertation solche sehr ähnlichen Handlungsabfolgen in pornografischen Filmen. „Zentrales Thema meiner Doktorarbeit ist der Versuch der Filmindustrie, Lust durch Lust an der Wiederholung zu produzieren“, sagt die Kulturwissenschaftlerin. Sie untersuchte Internetforen wie Youporn, heterosexuelle und lesbische Produktionen sowie Remakes der 1970er Jahre. Dr. Schaschek: „Mir geht es nicht um die Darstellung der Sexualität an sich, sondern um ihre stark formalisierte Medialisierung in pornografischen Filmen.“

Es gibt keine Wiederholung ohne Variation

Wie wird Wiederholung in der Popkultur wahrgenommen und was bedeutet sie für die Pornografie? Diesen Aspekt untersuchte Dr. Schaschek aus der kulturgeschichtlichen, medienwissenschaftlichen und philosophischen Perspektive. Sie sieht einen Zusammenhang zwischen der modernen Skepsis gegenüber seriellen Produkten und dem seriellsten aller Filmgenres, der Pornografie: „Wenn Pornos kritisiert werden, geschieht das nicht nur aufgrund expliziter Sexualität. Betont wird vor allem die stereotype Darstellung.“ Tatsächlich stellt Pornografie einen Kunstbegriff in Frage, der Originalität verlangt. Doch auch Wiederholung gibt es nicht ohne Variation – das stellte unter anderem der französische Philosoph Jacques Derrida (1930-2004) fest. Auch in der Pornografie ist jede Einstellung streng genommen nur eine Variation auf bereits vorhandene Bilder. Und besonders online differenzieren sich pornografische Subgenres immer weiter aus.

Gefahr von Frust durch Überreizung

Durch diese Mischung aus Erwartbarkeit und Variation entsteht für Dr. Schaschek die Lust an der Pornografie. Die Zuschauer können sich durch die ständigen Wiederholungen im Voraus auf die Handlung einstellen, ohne ganz genau zu wissen, wie die Szenen ablaufen. „Auch ein Krimi ist bis zu einem gewissen Grad vorhersehbar“, sagt Dr. Schaschek. „Wir freuen uns, wenn wir einen Mörder frühzeitig entlarven, wollen aber gleichzeitig überrascht werden.“ Auch pornografische Filme versuchen, ständig etwas Neues, noch Extremeres zu bieten, um die Aufmerksamkeit zu steigern. Dies funktioniert aber nur teilweise: „Mit der starken sexuellen Aufladung laufen die Filme ständig Gefahr, in die Überreizung abzugleiten“, sagt Dr. Schaschek. Es entsteht Frust, wenn die Erwartungen nicht erfüllt werden – und dann wird die Vorspultaste gedrückt.

Serialität ist ein Phänomen der Moderne

Serialität sei ein Phänomen der Moderne, das die industrielle Produktion ebenso prägt wie die Formate der neuen und neuesten Medien, stellt Prof. Dr. Sabine Sielke fest. Die Leiterin des Nordamerikastudienprogramms an der Universität Bonn betreute die Promotion. „Indem Sarah Schaschek sich der Pornografie über dieses – eigentlich evidente – Kennzeichen nähert, eröffnet sie völlig neue Perspektiven auf das Genre und gibt dem bislang untertheoretisierten Begriff der Serialität gleichzeitig Kontur.“

Fiktion, Inszenierung und sehr viel Geld

Pornografische Filme stünden im Ruf, „trash“ und „low culture“ zu sein, sagt Dr. Schaschek, die ihre Doktorarbeit in Englisch verfasst hat. Doch von vornherein frauenfeindlich seien sie nicht. „Die zahlreichen Variationen stellen die These in Frage, dass diese Filme ausschließlich für Männer gemacht sind und Frauen abqualifizieren.“ Allerdings entlarvt die Wissenschaftlerin den Anspruch der Pornofilmindustrie, dass in den Szenen „alles echt“ sei: Wie in jedem anderen Film auch, seien Fiktion und Inszenierung die Grundlage. Dr. Schaschek: „Pornografische Filme führen uns deshalb mit ihrem erklärten Ziel, Lust darzustellen, immer wieder an der Nase herum.“ Die Wissenschaftlerin möchte mit ihrer Dissertation einen Beitrag leisten, sich kritisch mit dem Genre auseinanderzusetzen: Denn hinter den variantenreichen Wiederholungen steht eine Industrie, die mit pornografischen Filmen viel Geld verdient.

Auszeichnung für die Magisterarbeit

Sarah Schaschek wurde 1983 in Siegburg geboren und studierte Nordamerikawissenschaften, Medienwissenschaften und evangelische Theologie in Bonn und Prag. Ihre Magisterarbeit zum Thema Postfeminismus und Fernsehen „A Woman’s Right to Shoes: Feminism Revisited in Sex and the City“ wurde 2007 mit dem Gender-Studies-Preis der Universität Bonn ausgezeichnet. Für ihre Dissertation absolvierte sie mehrmonatige Forschungsaufenthalte an der University of California Berkeley und der University of California Santa Barbara in den USA. Sie wurde mit einem Promotionsstipendium der Friedrich-Naumann-Stiftung gefördert. Die Kulturwissenschaftlerin arbeitet als Journalistin und Dozentin in Berlin.

Publikation: Sarah Schaschek. Pornography and Seriality: The Culture of Producing Pleasure. New York: Palgrave Macmillan, 232 S., Hardcover 95,- Dollar

Kontakt:

Dr. Sarah Schaschek
Tel. 030/37000904
Mobil: 0177/6289595
E-Mail: kontakt@sarah-schaschek.de
Internet: www.sarah-schaschek.de

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