01. Dezember 2008

Mit 20 Millionen Euro gegen die Flussblindheit Mit 20 Millionen Euro gegen die Flussblindheit

Internationales Forscherkonsortium sucht nach neuen Medikamenten gegen gefährliche Tropenkrankheiten

Rund 40 Millionen Afrikaner sind derzeit mit den Erregern der Flussbindheit infiziert " fast so viele, wie Spanien Einwohner zählt. Auslöser ist ein Wurm, der durch den Stich der Kriebelmücke übertragen wird. Die oft chronisch verlaufende Krankheit führt bei jedem zehnten Betroffenen zur Erblindung. Bislang gibt es nur ein wirksames Medikament, gegen das bereits erste Resistenzen auftreten. Ein internationales Konsortium von Wissenschaftlern will nun nach neuen Heilmitteln suchen. Basis ist ein neues Therapiekonzept, das Wissenschaftler der Universität Bonn entwickelt haben. Die Bill & Melinda Gates-Stiftung fördert den Kampf gegen die gefährliche Krankheit mit umgerechnet knapp 20 Millionen Euro. Das Projekt wird von der Liverpool School of Tropical Medicine and Hygiene koordiniert. Größter Partner des weltweiten Konsortiums ist die Universität Bonn.

Bild Mit 20 Millionen Euro gegen die Flussblindheit
Bild Mit 20 Millionen Euro gegen die Flussblindheit © Universität Bonn
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Der Erreger der Flussblindheit hört auf den zungenbrecherischen Namen Onchocerca volvulus. Dabei handelt es sich um einen so genannten Fadenwurm. Seine Larven gelangen mit dem Mückenstich in den Körper. Im Unterhautgewebe wachsen sie dann zu geschlechtsreifen Würmern heran. Die Weibchen produzieren täglich bis zu 1.000 Nachkommen, so genannte Mikrofilarien. Diese breiten sich über die Lymphkanäle in der Haut bis hin zum Auge aus. Dort entzündet sich die Hornhaut, deren Zerstörung zur Erblindung führt.

Würmer sind dem Menschen weit ähnlicher als beispielsweise Bakterien. Daher ist es schwierig, nebenwirkungsarme Medikamente zu finden: Was den Wurm schädigt, tut oft auch seinem Wirt, dem Menschen, nicht gut. "Gegen die Mikrofilarien kennt man heute nur einen einzigen Wirkstoff, das Ivermectin", erklärt Professor Dr. Achim Hörauf. Seine Arbeitsgruppe ist Teil eines internationalen Forscherkonsortiums, das das ändern möchte.

Tod dem Untermieter

Hoffnungsträger ist unter anderem das Antibiotikum Doxycyclin. Das wirkt zwar nur gegen Bakterien, macht jedoch indirekt auch dem Wurm den Garaus. Onchocerca volvulus hat nämlich selbst ebenfalls einen Untermieter: Bakterien der Gattung Wolbachia. Sie produzieren verschiedene Substanzen, die der Wurm zum Überleben zwingend braucht. "Wenn wir die Wolbachien mit Doxycyclin töten, werden die Würmer steril", erläutert Höraufs Mitarbeiterin Dr. Sabine Specht. "Das bedeutet, sie können dann keine Mikrofilarien mehr produzieren." Nachteil: Die Doxycyclin-Therapie dauert einige Wochen. Im Vergleich zu anderen Therapien ist das wenig. Für die Massenanwendung in ländlichen Gebieten der Tropen ist dies den Forschern aber noch zu lang. Durch Kombination mit dem Antibiotikum Rifampicin wollen die Forscher die Therapiedauer auf unter eine Woche drücken.

Doch ein Nachteil bleibt auch dann: Doxycyclin eignet sich nicht zur Behandlung von Kindern. Die im Gates Projekt kooperierenden Arbeitsgruppen aus England, Deutschland, den USA, Ghana und Singapur fahnden daher momentan mit Hochdruck nach neuen Wirkstoffen. Dazu behandeln sie unter anderem Wurmlarven mit Medikamenten, die bereits gegen andere Krankheiten zugelassen sind. "Wir haben bereits 2.000 derartiger Arzneien getestet", sagt Sabine Specht. "Dabei sind auf einige viel versprechende Kandidaten gestoßen, die wir nun weiter untersuchen." Die Wissenschaftler suchen aber auch nach völlig neuen Wirkstoffen.

Die Ergebnisse könnten auch Menschen mit einer anderen Tropenkrankheit zu Gute kommen: der Elefantiasis. Die Betroffenen leiden unter extremen Schwellungen an Armen, Beinen und Genitalien. Auslöser ist ebenfalls ein Fadenwurm, allerdings ein anderer als der Erreger der Flussblindheit. Er hat jedoch dieselbe Achillesferse: Auch er benötigt Wolbachien, um zu überleben.

Die Forscher haben aber nicht nur den bakteriellen Untermieter der Würmer im Visier. "Ein anderer möglicher Ansatzpunkt ist das Häutungshormon Ecdyson", erklärt Hörauf. "Ohne Ecdyson können die Wurmlarven nicht zum erwachsenen Tier heranreifen. Wir versuchen daher, die Produktion von Ecdyson zu stören. Wenn uns das gelingt, haben wir möglicherweise den Schlüssel zu ganz neuen Medikamenten in der Hand."

Weitere Informationen im Netz: http://www.a-wol.net/programme.htm



Kontakt:
Professor Dr. Achim Hörauf
Institut für Medizinische Mikrobiologie, Immunologie und Parasitologie der Universität Bonn
Telefon: 0228/287-1
E-Mail: hoerauf@parasit.meb.uni-bonn.de

Dr. Sabine Specht
Telefon: 0228/287-11453
E-Mail: specht@parasit.meb.uni-bonn.de






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Dr. Specht und Prof. Hörauf im Labor. (c) Johann Saba, Universitätsklinikum Bonn




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