27. März 2023

Den großen Fragen der Teilchenphysik auf der Spur Den großen Fragen der Teilchenphysik auf der Spur

Physikerin Lena Funcke ist neue Clausius-Professorin an der Universität Bonn

Auf der Suche nach Antworten auf die Frage, was die Welt im Innersten zusammenhält, stoßen Teilchenphysikerinnen und -physiker auf viele noch ungelöste Rätsel. Die uns bekannte Materie und Energie machen nur fünf Prozent des Kosmos aus, aber woraus bestehen die restliche „Dunkle Materie“ und „Dunkle Energie“? Warum gibt es so viel Materie, aber so wenig Antimaterie im Universum? Und warum haben die zweithäufigsten bekannten Teilchen im Universum, die Neutrinos, eine so winzig kleine Masse? Um diese fundamentalen Fragen zu beantworten, entwickeln Jun.-Prof. Dr. Lena Funcke und ihr Team neue Modelle jenseits des Standardmodells der Teilchenphysik sowie neue computergestützte Rechenmethoden zur Berechnung von Modellvorhersagen für zukünftige Experimente. Damit setzt die neue Clausius-Professorin einen neuen Forschungsschwerpunkt an der Universität Bonn im Transdisziplinären Forschungsbereich „Bausteine der Materie und fundamentale Wechselwirkungen“ (TRA „Matter“).

Jun.-Prof. Dr. Lena Funcke ist neue Clausius-Professorin im Transdisziplinären Forschungsbereich „Matter“ der Universität Bonn.
Jun.-Prof. Dr. Lena Funcke ist neue Clausius-Professorin im Transdisziplinären Forschungsbereich „Matter“ der Universität Bonn. © Meike Böschemeyer / Universität Bonn
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In der Wissenschaft geht es darum, komplexe Sachverhalte zu verstehen – zum Beispiel die Simulation der Entstehung von Galaxien oder die Auswertung der riesigen Datenmengen, die durch Experimente in einem Teilchenbeschleuniger entstehen. Dafür reichen Stift und Papier schon lange nicht mehr aus, sondern man braucht immer ausgefeiltere computergestützte Rechenmethoden. Solche Methoden entwickelt Jun.-Prof. Dr. Lena Funcke mit ihrem Team. Darüber hinaus untersucht die 28-Jährige, wie bereits vorhandene Methoden neu angewendet werden können. Dazu arbeitet sie interdisziplinär mit Forschenden aus der Physik, der Informatik und der Mathematik zusammen.

„Wir sind froh und stolz zugleich, dass es uns gelungen ist, Lena Funcke zu gewinnen“, sagt Prof. Dr. Ulrike Thoma, Gründungssprecherin des TRA „Matter“ der Universität Bonn. „Computergestützte Methoden, wie sie Frau Funcke im Bereich der Quantenfeldtheorie vorantreibt, sind über die Grenzen der Fächer hinweg ganz essenziell, möchte man die Natur mit all ihren faszinierenden Aspekten im Detail verstehen.“

Exzellenzprofessuren an den Schnittstellen von Disziplinen

Der Transdisziplinäre Forschungsbereich „Matter“ ist einer von sechs fächerübergreifenden Verbünden (kurz TRA für Transdisciplinary Research Area), die eine tragende Säule der Exzellenzuniversität Bonn bilden. In den TRAs arbeiten Forschende über Fächer- und Fakultätsgrenzen hinweg gemeinsam an zentralen wissenschaftlichen, technologischen und gesellschaftlichen Zukunftsthemen.

Herzstück des Konzepts sind besondere Professuren, die darauf ausgelegt sind, Disziplinen auf einzigartige Weise miteinander zu verbinden. Eine davon ist die jetzt mit Lena Funcke besetzte Clausius-Professur in der TRA „Matter“, benannt nach dem Bonner Physiker Rudolph Clausius (1822-1888).

Prof. Dr. Andreas Zimmer, Prorektor für Forschung und wissenschaftlichen Nachwuchs, freut sich über die Berufung: „Lena Funcke hat schon jetzt wichtige Beiträge zur Physik geleistet. Wir glauben, dass sie das exzellente wissenschaftliche Umfeld der Universität Bonn bereichert und ihre Arbeiten noch weitere wichtige Einblicke in die elementaren Prozesse der Natur liefern werden.“

Entwicklung neuer Modelle und Methoden

Um die fundamentalen Fragen der Teilchenphysik zu beantworten, werden neue Modelle jenseits des Standardmodells der Teilchenphysik benötigt. Mit ihrer bisherigen Forschung hat Lena Funcke hier bereits neue Wege aufgezeigt, unter anderem die Entwicklung eines Modells, um die winzig kleinen Massen der Neutrinos zu erklären. Das Modell sagt voraus, dass die Massen der Neutrinos nicht direkt nach dem Urknall entstehen – so wie die Massen der anderen Elementarteilchen – sondern erst sehr spät in der Geschichte des Universums. Wenn das Modell in der Natur realisiert ist, hat es entscheidende Konsequenzen für unser Verständnis der späten Entwicklung des Universums.

Um aus Modellen innerhalb und jenseits des Standardmodells Vorhersagen für zukünftige Experimente zu gewinnen, sind komplizierte Berechnungen notwendig, die oft neue computergestützte Rechenmethoden benötigen. Hierfür entwickeln Lena Funcke und ihr Team zum einen Algorithmen für „normale“ Computer, also Laptops oder Supercomputer, basierend auf Maschinellem Lernen („Künstliche Intelligenz“) und auf Methoden, die Gitterquantenfeldtheorie und Tensornetzwerke genannt werden. Zum anderen arbeitet das Forschungsteam an der Entwicklung von Algorithmen für Quantencomputer.

Während normale Computer mit Bits arbeiten, die nur die Zustände 0 oder 1 annehmen können, arbeiten Quantencomputer mit sogenannten Qubits, die auch gleichzeitig im Zustand 0 und 1 sein können oder theoretisch auch in unendlich vielen Zuständen dazwischen. Durch diese Eigenschaft haben Quantencomputer das Potenzial, in der Zukunft Berechnungen jenseits dessen zu ermöglichen, wozu heutige Computer fähig sind. „Viele dieser computergestützten Rechenmethoden finden Anwendungen über die Teilchenphysik hinaus, zum Beispiel für Probleme in der Quantenchemie oder für Optimierungsprobleme bei Flughäfen “, erklärt Lena Funcke.

„Die Universität Bonn mit ihren Transdisziplinären Forschungsbereichen bietet für mich die perfekte Umgebung, um mein interdisziplinäres Forschungsvorhaben umzusetzen“, sagt Lena Funcke. „Ich freue mich auf vielseitige Kollaborationen und darauf, die Synergien innerhalb der TRA ,Matter‘ weiter zu verstärken.“

Bei der Urkundenübergabe
Bei der Urkundenübergabe - Prof. Dr. Dr. h. c. Michael Hoch, Rektor der Universität Bonn, Prof. Dr. Ulrike Thoma, Gründungssprecherin des Transdisziplinären Forschungsbereichs „Matter“, Jun.-Prof. Dr. Lena Funcke, neue Clausius-Professorin, und Prof. Dr. Peter Vöhringer, Gründungssprecher der TRA „Matter“ (v.l.n.r.). © Meike Böschemeyer / Universität Bonn

Nach ihrem Studium der Physik an der Universität Münster und der University of Cambridge (UK) schloss Lena Funcke mit 23 Jahren ihre Promotion am Max-Planck-Institut für Physik und der LMU München ab. Ihre Doktorarbeit wurde ausgezeichnet mit dem Arnold-Sommerfeld-Promotionspreis der LMU und dem Dieter-Rampacher-Preis, den die Max-Planck-Gesellschaft jährlich für die jüngste Doktorandin oder den jüngsten Doktoranden mit hervorragendem Promotionsabschluss vergibt. Es folgte eine vierjährige Tätigkeit als Postdoktorandin, zunächst am Perimeter Institute for Theoretical Physics in Waterloo (Kanada) und danach am Massachusetts Institute of Technology (MIT) in Cambridge (USA), wo Funcke zahlreiche Arbeiten in wissenschaftlichen Journalen publizierte.

Jun.-Prof. Dr. Lena Funcke
Transdisziplinärer Forschungsbereich „Matter“
Helmholtz-Institut für Strahlen- und Kernphysik
Universität Bonn
E-Mail: lfuncke@uni-bonn.de

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