26. November 2009

Bonner Forscher bauen eine ultrakleine Quanten-Ratsche Bonner Forscher bauen eine ultrakleine Quanten-Ratsche

Studie zeigt: In extrem miniaturisierten Maschinen treten völlig neue Effekte auf

Manche kennen sie von Gewerkschaftskundgebungen, andere aus dem Spielzeugladen: Die klinkenförmigen Ratschen, die – hin- und hergeschwenkt – ein schnarrendes Geräusch von sich geben. Physiker der Universität Bonn haben nun eine Art „Mini-Ratsche“ hergestellt, die vollständig quantenmechanisch funktioniert. Die Ergebnisse des Experiments erscheinen am kommenden Freitag im Wissenschafts-Magazin Science. Sie dokumentieren, wie bei der Herstellung winziger Maschinen die Gesetze der Quantenmechanik zu wirken beginnen.

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UBo_09_062_RZ_ohne_Pfeile.jpg - Die Quantenratsche lässt sich auch als ein System von Förderbändern darstellen, die das Bose-Einstein-Kondensat in entgegengesetzte Richtungen ziehen. Weil die Förderbänder, die nach links laufen, stärker ziehen als die, die nach rechts laufen, wird das Kondensat dabei in der Summe nach links bewegt. © Bosse & Meinhard
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Ratschen sind Maschinen, die aus einer zufälligen Rüttelbewegung eine gerichtete Bewegung erzeugen. In klassischen Spielzeugratschen ist dazu eine mechanische Rücklaufsperre eingebaut. Sie sorgt einerseits dafür, dass sich beim Hin- und Herschwenken der Kopf des Geräts nur in eine Richtung dreht. Gleichzeitig erzeugt sie dabei das charakteristische Schnarren, das man von Demos oder Kundgebungen kennt.

Die Physiker vom Bonner Institut für Angewandte Physik haben nun eine extrem kleine Ratsche konstruiert, die vollständig quantenmechanisch funktioniert. Sie erbrachten damit erstmals den Beweis, dass die Konstruktion einer solchen reibungsfreien Quantenratsche überhaupt möglich ist. Erste theoretische Überlegungen, dass so etwas funktionieren müsste, wurden bereits vor zehn Jahren angestellt.

Wellpappe aus Licht

Die Bonner Physiker stellten für ihr Experiment zunächst ein so genanntes Bose-Einstein-Kondensat her. Darunter verstehen Physiker große Klumpen von Atomen, die sich alle im selben quantenphysikalischen Zustand befinden. „Unser Bose-Einstein-Kondensat bestand aus rund 100.000 Rubidium-Atomen“, erklärt der Bonner Physiker Professor Dr. Martin Weitz.

Nun luden die Forscher das Atom-Agglomerat auf eine Art „Wellpappe“ aus Licht. Die Wellen auf dieser Pappe waren nicht symmetrisch, sondern sägezahnförmig verzerrt: Die linke Flanke war stets steiler als die rechte. Über eine derartige räumliche Asymmetrie sorgt beispielsweise auch die Sperrfeder in einer Spielzeugratsche dafür, dass diese sich nur in eine Richtung dreht.

Die Bonner Physiker rüttelten nun gewissermaßen an ihrer Wellpappe,  und das in die eine Richtung stets ein wenig schneller als in die andere. „Zur räumlichen Asymmetrie der Wellpappe trat so die zeitliche der Rüttelbewegung“, erklärt Weitz. „Unter diesen Bedingungen setzte sich unser Rubidium-Haufen in Bewegung. Anders als bei einer Spielzeugratsche waren aber nicht die Reibungkräfte für diese Bewegung verantwortlich, sondern einzig und allein quantenmechanische Effekte.“

Das Bonner Experiment beweist erstmals, dass dieses theoretisch vorhergesagte Phänomen auch tatsächlich auftritt. „In ferner Zukunft gewinnt unsere Beobachtung aber vielleicht auch praktische Bedeutung“, betont Weitz. „Sie zeigt nämlich, dass bei der Konstruktion von atomaren Motoren quantenmechanische Effekte auftreten können, die wir aus unserer makroskopischen Welt nicht kennen.“

Kontakt:
Prof. Dr. Martin Weitz
Institut für Angewandte Physik der Universität Bonn
Telefon: 0228/73-4837 oder -4836
E-Mail: Martin.Weitz@uni-bonn.de


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