07. April 2020

Forscher schlagen eine spezielle Diät gegen Asthma vor Forscher schlagen eine spezielle Diät gegen Asthma vor

Studie der Universität Bonn belegt Erfolge einer so genannten ketogenen Ernährung

Kann eine spezielle Diät gegen bestimmte Fälle von Asthma helfen? Eine neue Studie an der Universität Bonn legt diesen Schluss zumindest nahe. Demnach zeigten Mäuse, die auf eine so genannte ketogene Ernährung umgestellt wurden, eine deutlich geringere Entzündung der Atemwege. Die Resultate erscheinen nun in der renommierten Fachzeitschrift „Immunity“.

Das Bild zeigt zwei Lymphoid-Zellen
Das Bild zeigt zwei Lymphoid-Zellen - (ILC; die Zellkerne sind blau markiert), die in kleinen Fetttröpfchen (lipid droplets, grün) externe Fettsäuren gespeichert haben. © Dr. Fotios Karagiannis/Uni Bonn
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Asthmapatienten reagieren schon auf geringe Konzentrationen mancher Allergene mit heftigen Entzündungen der Bronchien. Diese gehen zudem mit einer verstärkten Schleimproduktion einher, die die Atmung zusätzlich erschwert. Eine zentrale Rolle spielen dabei Zellen des angeborenen Immunsystems, die erst vor wenigen Jahren entdeckt wurden und Innate Lymphoid Cells (ILC) genannt werden. Sie übernehmen in der Lunge eine wichtige Schutzfunktion, indem sie geschädigte Schleimhäute regenerieren. Dazu produzieren sie Entzündungsbotenstoffe aus der Gruppe der Zytokine, welche die Schleimhautzellen zur Teilung anregen und die Schleimproduktion fördern.

Dieser Mechanismus ist eigentlich sehr sinnvoll: Der Körper kann so durch Erreger oder schädliche Substanzen hervorgerufene Schäden schnell reparieren. Der Schleim transportiert die Krankheitserreger dann aus den Bronchien und schützt die Atemwege gegen einen erneuten Befall. „Bei Asthma fällt die Entzündungsreaktion aber weit stärker und länger aus als normalerweise“, betont Prof. Dr. Christoph Wilhelm vom Institut für Klinische Chemie und Pharmakologie, der Mitglied im Exzellenzcluster ImmunoSensation der Universität Bonn ist. Die Folge sind extreme Atembeschwerden, die sogar lebensbedrohlich sein können.

Rasante Vermehrung

Die ILC vermehren sich bei diesem Prozess rasant und produzieren große Mengen entzündungsfördernder Zytokine. Könnte man ihre Teilung bremsen, ließe sich so vermutlich die überschießende Reaktion in den Griff bekommen, hoffen Wissenschaftler. Tatsächlich deuten die jetzt erschienenen Ergebnisse genau in diese Richtung. „Wir haben untersucht welche Stoffwechselprozesse in den ILC aktiv sind, wenn sie in den Vermehrungsmodus schalten“, erklärt Wilhelms Mitarbeiter Dr. Fotios Karagiannis. „Dann haben wir versucht, diese Stoffwechselwege zu blockieren und so die Geschwindigkeit zu verringern, mit der sich die Zellen teilen.“

In der Tat waren bei sich teilenden ILC manche Stoffwechselwege deutlich aktiver. Sie sichern vor allem die Versorgung der Zellen mit Energie sowie mit Bausteinen, die diese für die Vermehrung benötigen. Zu letzteren zählen zum Beispiel Fettsäuren, die für die Herstellung der Zellmembran gebraucht werden. Diese bildet eine dünne Haut, mit der sich Zellen von ihrer Umgebung abgrenzen. „Aktivierte ILC nehmen daher Fettsäuren aus ihrer Umgebung auf und speichern sie kurzzeitig in ihrem Innern in kleinen Tröpfchen, ein wichtiger Zwischenschritt, um daraus Membranen generieren zu können“, erklärt Karagiannis.

Doch was ist, wenn man Zellen zwingt, diese Fettsäuren anderweitig zu verwenden? Um diese Frage zu beantworten, setzten die Forscher Mäuse mit Asthma auf eine Diät, die vor allem aus Fetten bestand, aber kaum aus Kohlenhydraten und Proteinen. Bei dieser Ernährung, auch als ketogene Diät bekannt, stellt sich der Stoffwechsel von Zellen um: Die Energie, die sie brauchen, gewinnen sie nun aus der Fettverbrennung. Damit fehlen ihnen aber Fettsäuren, die sie für die Bildung neuer Membranen bei der Zellteilung benötigen.

Als Konsequenz ging die Teilungsaktivität der ILC bei den entsprechend gefütterten Nagern zurück – und zwar drastisch: „Normalerweise erhöht sich bei Kontakt mit Allergenen die Zahl der ILC in den Bronchien um das Vierfache“, sagt Prof. Wilhelm. „In unseren Versuchstieren blieb sie dagegen nahezu konstant. Entsprechend verringerten sich sowohl die Schleimproduktion als auch andere Asthmasymptome.“

Verantwortlich dafür ist nicht nur die Umstellung auf Fette als alternative Energiequelle und die dadurch hervorgerufene Fettsäureknappheit. Vermutlich trägt der Glukosemangel auch direkt zur verminderten Aktivität der ILC bei. „Asthma hat in den letzten Jahrzehnten stark an Häufigkeit zugenommen. Eventuell hängt das auch mit der immer zucker- und fettreicheren Ernährung zusammen“, spekuliert Wilhelm.

Die Wissenschaftler wollen nun an Patienten untersuchen, ob eine ketogene Ernährung Asthmaschübe verhindern kann. Diese ist allerdings langfristig nicht ganz ungefährlich und sollte nur nach Absprache mit einem Arzt durchgeführt werden. „Wir versuchen daher herauszufinden, welche Komponenten der Nahrungsumstellung für den Effekt verantwortlich sind“, erklärt Wilhelm. „Vielleicht eröffnet das Wege zur Entwicklung neuer Medikamente.“

Dass eine ketogene Diät bei manchen Erkrankungen eine wirksame Therapie sein kann, ist bekannt. So werden Patienten mit bestimmten Formen der Epilepsie mit dieser Methode behandelt. Und auch bei manchen Tumoren soll die Ernährungsumstellung helfen – schließlich vermehren sich auch in ihnen die Zellen ungewöhnlich stark.

Publikation: Fotios Karagiannis, Schekufe Kharabi Masouleh, Klaus Wunderling, Jayagopi Surendar, Vanessa Schmitt, Alexander Kazakov, Marcel Michla, Michael Hölzel, Christoph Thiele & Christoph Wilhelm: Lipid-droplet formation drives pathogenic group 2 innate lymphoid cells in airway inflammation; Immunity; DOI: 10.1016/j.immuni.2020.03.003

Kontakt:

Prof. Dr. Christoph Wilhelm
Institut für Klinische Chemie und Pharmakologie
Universität Bonn
Tel. 0228/28751721
E-Mail: cwilhelm@uni-bonn.de

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