07. September 2018

Was Sie schon immer über Trolle wissen wollten Was Sie schon immer über Trolle wissen wollten

Prof. Dr. Rudolf Simek von der Uni Bonn untersucht die sich wandelnden Konzepte von den Fabelwesen

Prof. Dr. Rudolf Simek von der Universität Bonn hat sich auf eine akribische Spurensuche begeben und ein Buch über Trolle geschrieben. Beginnend mit der nordischen Mythologie über die Sagas des Mittelalters bis hin zur Fantasy-Literatur und den Filmen des 20. und 21. Jahrhunderts setzt er die ursprünglichen Vorstellungen von Trollen mit den heutigen Bildern in Relation und ermöglicht einen erkenntnisreichen Blick auf ein vermeintlich bekanntes Wesen.

Prof. Dr. Rudolf Simek
Prof. Dr. Rudolf Simek - von der Abteilung für skandinavische Sprachen und Literaturen an der Universität Bonn. © Foto: Privat
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Trolle? Na klar, die kennt jeder. Sind das nicht diese nervigen Zeitgenossen, die im Internet jede vernünftige Diskussion sabotieren und nur darauf aus sind, größtmöglichen Schaden anzurichten? Oder diese unheimlichen Riesen aus den Märchen, die Nutztiere und Kinder rauben? Oder die putzigen kleinen Kobolde aus dem Wald mit vielen struppigen Haaren? Die letztgenannte Assoziation zu Trollen hat Prof. Dr. Rudolf Simek, Professor und Lehrstuhlinhaber für Ältere Germanistik mit Einschluss des Nordischen an der Universität Bonn, schon immer missfallen: „Ich wollte wissen, wo diese Verniedlichungen herkommen. Für mich ist das eine Pervertierung des ursprünglichen skandinavischen Konzepts des Trolls.“

In jüngster Zeit werden Trolle wieder als gefährlich dargestellt und das sehr anspielungsreich und witzig wie etwa in dem norwegischen Film „Trolljegeren“ (Der Trolljäger) von 2010. Bei dem Film handelt es sich um einen fiktionalen Dokumentationsfilm, eine sogenannte mockumentary, mit folgendem Inhalt: Ein potenzieller Wilderer wird von angehenden jungen Filmemachern als Trolljäger im geheimen Auftrag der norwegischen Regierung enttarnt. Offiziell wird die Existenz von Trollen jedoch geleugnet, um die Bevölkerung nicht zu verunsichern.

Kreativer Umgang mit Motiven aus der Volksliteratur

Der Film ist für Simek ein gelungenes Beispiel für den kreativen Umgang mit Motiven aus der Volksliteratur. Wie hier auf Eigenschaften und charakteristisches Handeln von Trollen zurückgegriffenen wird, arbeitet er in seinem Buch heraus. So können Trolle zum Beispiel Christenblut riechen. Eine Vorstellung früherer Zeit war auch, dass Trolle durch den Kontakt mit Sonnenlicht zu Stein werden. Trolle spielen in diesem Film als sehr große und für den Menschen gefährliche Wesen eine Rolle. Das freut den germanistischen Mediävisten ebenfalls, denn es entspricht grob gesagt den ersten schriftlichen Aussagen über Trolle auf frappierende Weise.

Bei seiner wissenschaftlichen Annäherung an Trolle ist Simek streng chronologisch vorgegangen: Wann wurden die ersten Trolle erwähnt? Wie wurden sie sprachlich eingeführt? Was sagt der jeweilige Kontext über Aussehen, Verhalten und Lebensweise der Trolle aus? Wie werden Trollfrauen und Trolltöchter dargestellt? Chronologisch ist das Buch daher auch aufgebaut: Die ersten Trolle tauchen in der nordgermanischen Mythologie auf. Sie sind wiederkehrende Gestalten in den isländischen Sagas des Mittelalters. Auch im Spätmittelalter und in der Neuzeit sind Trolle gegenwärtig. Im 18. und 19. Jahrhundert halten sie Einzug in Märchen und Sagen. In Norwegen und Island werden Trolle zum Kulturgut. Simek untersucht auch die Märchentrolle in Dänemark und Schweden sowie die dazugehörigen Illustrationen.

Die Kinderbuchtrolle in Skandinavien und Deutschland markieren dann aus Sicht des Wissenschaftlers eher einen Tiefpunkt in der Rezeption des Troll-Konzepts: Weitgehend nett und harmlos, allenfalls ein wenig tölpelhaft, aber auf jeden Fall drollig und – wohl auch aus pädagogischen Gründen – auf die Größe von Wichteln geschrumpft, habe die überwiegende Darstellung als typischer niedlicher Kinderbuchtroll nicht mehr viel mit den ursprünglichen Troll-Geschichten zu tun. Tatsächlich würden Trolle häufig mit Riesen gleichgesetzt, erklärt Simek dazu, vor allem in den mittelalterlichen Quellen.

Er habe sich bei seinen Untersuchungen bewusst nur auf die Trolle bezogen, die sich auch so nennen, damit der Fokus klar und eindeutig bleibe. Sichtbarstes Zeichen für die Auswüchse der – den Bildungshintergrund ignorierenden – Aneignung von Troll-Konzepten sind für Simek die „norwegischen Kommerztrolle“. Er fällt im Buch ein eindeutiges Urteil: „Die norwegischen Souvenirtrolle sind nichts außer hässlich, und ob sie wirklich, wie ja offenbar intendiert, zu einem sympathischeren oder wenigstens interessanten Bild Norwegens in der Welt beitragen, kann bezweifelt werden.“

Differenzierter als in den Kinderbüchern seien da schon die Troll-Darstellungen in der Literatur des 20. und 21. Jahrhunderts. Die Bezüge im Drama „Peer Gynt“ des Norwegers Hendrik Ibsen stellt Simek ausführlich dar. Trolle gehören selbstverständlich auch zum Personal der sich seit J.R.R. Tolkien etablierenden Fantasy-Literatur. Die größte Überraschung war für Simek jedoch, dass der ursprüngliche, „der böse Troll“ auf die Bühne der allgemeinen Wahrnehmung zurückgekehrt ist. Sei es im Film oder im Internet oder in der Wirtschaftskriminalität als Patenttroll. Man hat es geahnt und fühlt sich nach Simeks Buch bestätigt: Trolle sind überall.

Publikation: Rudolf Simek: Trolle – Ihre Geschichte von der nordischen Mythologie bis zum Internet, Böhlau-Verlag, 256 S., 30 Euro

Kontakt:

Prof. Dr. Rudolf Simek
Universität Bonn
Ältere Germanistik mit Einschluss des Nordischen
Tel. 0228/739010
E-Mail: simek@uni-bonn.de

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