06. Juli 2015

Neues Licht auf die unsichtbare dunkle Materie Neues Licht auf die unsichtbare dunkle Materie

Forscherteam unter maßgeblicher Beteiligung der Uni Bonn analysierte mehr als zwei Millionen Bilder

Die Resultate eines extrem umfangreichen Beobachtungsprogramms der Europäischen Südsternwarte ESO lassen erkennen, wie die Eigenschaften sichtbarer Galaxien von riesigen, unsichtbaren Klumpen dunkler Materie beeinflusst werden. Diese dunkle Materie macht sich nur durch ihre Schwereanziehung bemerkbar. Ihre Gesamtmasse im Universum ist nach aktuellen Messungen fünf Mal höher als die gewöhnlicher Materie. Alle sichtbaren Strukturen im Kosmos sind in ein unsichtbares Netz dunkler Materie eingebettet. Die Ergebnisse des internationalen Forscherteams, an denen Wissenschaftler des Argelander-Instituts für Astronomie der Universität Bonn maßgeblich beteiligt waren, sind nun in den „Monthly Notices of the Royal Astronomical Society“ veröffentlicht.

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eso1528b.jpg - Die Abbildungen zeigen Aufnahmen von zwei der massivsten Galaxiengruppen in den KiDS Daten. In pinker Farbe darüber gelegt ist die Verteilung dunkler Materie in der Umgebung dieser Gruppen, die mit Hilfe des Gravitationslinseneffekts „sichtbar“ gemacht wurde. Mit solchen Messungen lässt sich die Gesamtmasse von Galaxiengruppen bestimmen mit dem Resultat, dass diese mindestens 30 Mal schwerer sind als die in Sternen sichtbare Materie. © Foto: A. Tudorica/C. Heymans/Kilo Degree Survey Collaboration
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Ein internationales Team von Forschern aus den Niederlanden, aus Großbritannien, Australien, Italien, Malta, Kanada und den USA ist unter maßgeblicher Beteiligung der Universität Bonn zu diesen Ergebnissen gekommen, indem sie über zwei Millionen Bilder von weit entfernten Galaxien analysiert haben. „Diese Galaxien sind im Mittel 5,5 Milliarden Lichtjahre entfernt, wie wir anhand ihrer Farben ermittelt haben“, sagt Dr. Hendrik Hildebrandt, der die Kollaboration auf der Bonner Seite leitet. Die Forscher untersuchten die Verzerrungen der Lichtbündel, die von diesen Galaxien ausgestrahlt werden und die auf ihrem Weg zur Erde massive Strukturen dunkler Materie passieren. „Dieser Gravitationslinseneffekt eignet sich hervorragend, um die Masse von Strukturen im Universum zu bestimmen, das heißt astronomische Objekte regelrecht zu wiegen“, sagt Prof. Peter Schneider von der Universität Bonn.

Das Projekt, welches den Namen „Kilo Degree Survey“ (KiDS) trägt, verwendet Himmelsaufnahmen, die von einem neuen Teleskop mit einer neuen Kamera der Europäischen Südsternwarte stammen. Dieses Teleskop, das auf dem Berg Paranal in Chile steht, wurde entwickelt und gebaut, um große Flächen am Nachthimmel zu beobachten und die dunkle Materie zu kartieren. Diese Karten werden dann weiter verwendet, um auch die mysteriöse dunkle Energie, die zu einer beschleunigten Ausdehnung unseres Universums führt, besser zu verstehen.

30 Mal mehr dunkle Materie als in Sternen sichtbare Materie vorkommt

Diese ersten Ergebnisse stammen von nur sieben Prozent der Gesamtfläche des Beobachtungsprogramms und konzentrieren sich auf die Kartierung der dunklen Materie in Galaxiengruppen. Die meisten Galaxien kommen in solchen Gruppen vor, so auch unser eigene Galaxie, die Milchstraße, die Teil der lokalen Gruppe ist. Bestimmungen der Menge der dunklen Materie in Galaxiengruppen eignen sich daher besonders gut, um die Theorie der Galaxienenstehung im kosmischen Netz aus dunkler Materie zu überprüfen. Dafür wurde eine dreidimensionale Karte von Galaxiengruppen verwendet, die in einem Zeitraum von sieben Jahren mit Beobachtungen am Anglo Australian Telescope (AAT, Siding Spring Observatory, Australien) durch das GAMA (GAlaxy and Mass Assembly) Team gewonnen wurde. Mit Hilfe des Gravitationslinseneffekts wurde bestimmt, dass diese Galaxiengruppen mindestens 30 Mal mehr dunkle Materie enthalten als in Sternen sichtbare Materie vorkommt.

Hellste Galaxie sitzt im Zentrum des dunklen Materieklumpens

„Interessanterweise sitzt unseren Messungen zur Folge die hellste Galaxie einer Gruppe fast immer auch im Zentrum des dunkle Materieklumpens“, sagt Dr. Hildebrandt, der eine Emmy Noether Nachwuchsforschungsgruppe an der Universität Bonn leitet. „Diese klare Vorhersage der Theorie der Galaxienentstehung, in der Galaxien fortwährend in Gruppen hinein gezogen werden und sich in der Mitte ansammeln, wurde noch nie so klar bestätigt“, stellt Prof. Schneider fest. Dieser Befund könnte dabei helfen, das Verständnis der dunklen Materie voranzutreiben. Diese macht zwar den Großteil der Masse im Universum aus, ist aber bis heute nicht im Labor gefunden und von Teilchenphysikern verstanden worden. Die Antwort auf die Frage nach der physikalischen Beschaffenheit der dunklen Materie würde einen großen Durchbruch in der Physik bedeuten.

Publikation: Dark matter halo properties of GAMA galaxy groups from 100 square degrees of KiDS weak lensing data, Monthly Notices of the Royal Astronomical Society, DOI: 10.1093/mnras/stv1447, Internet: http://arxiv.org/abs/1507.00735


Ansprechpartner für Medien:

Dr. Hendrik Hildebrandt
Argelander-Institut für Astronomie
Universität Bonn
Tel. 0228/731772
E-Mail: hendrik@astro.uni-bonn.de

Prof. Dr. Peter Schneider
Argelander-Institut für Astronomie
Universität Bonn
Tel. 0228/733671
E-Mail: peter@astro.uni-bonn.de
 

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eso1528c.jpg © Universität Bonn
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