23. März 2010

Schonende Alternative zum starren Metallrahmen Schonende Alternative zum starren Metallrahmen

Tiefe Hirnstimulation: Deutschlandweit erster Einsatz eines neuen Zielgerätes

Die Tiefe Hirnstimulation hat sich bereits als Therapie von Bewegungsstörungen bei Parkinson etabliert. Das Universitätsklinikum Bonn ist das einzige Zentrum in Deutschland, das dieses Verfahren nun mit einem neuartigen Zielgerät durchführt. Vorteil für den Patienten: Bei der punktgenauen Implantation der Elektroden, die mit schwachen elektrischen Impulsen fehlgesteuerte Hirnregionen stimulieren, ist der Kopf nicht mehr starr in einen Metallrahmen eingespannt. Der Patient kann Nacken und Kopf während des Eingriffs frei bewegen.

Tiefe Hirnstimulation
Tiefe Hirnstimulation - Professor Coenen (links) im Gespräch mit seinem Patienten Karl-Heinz F.; © Dr. Inka Väth / Uni Bonn
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Sein Nacken wird von einer Lehne gestützt. Auf dem Kopf von Karl-Heinz F. ist das neuartige Zielgerät mit nur drei kleinen Schrauben befestigt. „Davon spürt der Patient nur ganz wenig“, sagt Professor Dr. Volker Arnd Coenen, Leiter des Schwerpunkts Stereotaxie an der Bonner Universitätsklinik für Neurochirurgie. Karl-Heinz F. ist der Erste, den der Bonner Neurochirurg mit dem neuen Zielgerät operiert, das sich wie ein kleiner Turm auf dem Kopf des Patienten aufbaut.

Der 60-Jährige hat Morbus Parkinson. Ein Mangel an dem Botenstoff Dopamin stört die Nachrichtenübermittlung in den Hirnregionen, die Bewegungen planen und steuern. Doch Medikamente halfen ihm nicht mehr. Er litt unter Unterbeweglichkeit bis hin zu einer schmerzhaften Starre. „Ich treibe gerne Sport. Aber Fahrradfahren konnte ich nicht mehr“, sagt Karl-Heinz F. Da eröffnete ihm die Tiefe Hirnstimulation eine neue Chance. Dabei blockieren ähnlich einem Herzschrittmacher schwache elektrische Impulse diejenigen Areale, die für die typischen Symptome der Parkinson Krankheit verantwortlich sind.

Dazu implantiert Professor Coenen über ein kleines Loch im Schädel Elektroden punktgenau in die fehlgesteuerte Hirnregion. Während dieses Eingriffs ist der Patient wach, da nur so die Wirksamkeit der Therapie überprüft werden kann. Üblicherweise ist dabei der Kopf des Patienten in einen festen Metallrahmen eingespannt, der den Kopf wie eine Schraubzwinge hält. Daher kann er während der mehrstündigen Operation Kopf und Hals nicht bewegen. Das motivierte Professor Coenen, ein bereits in Amerika etabliertes Verfahren am Bonner Universitätsklinikum deutschlandweit erstmals zu testen: „Ziel ist es, bei gleichbleibender Zielgenauigkeit die Operation für unsere Patienten angenehmer zu gestalten.“ Denn mit dem neuartigen Zielgerät sind Bewegungen von Kopf und Hals während des Eingriffs möglich. Dieses empfand Karl-Heinz F. als sehr befreiend, der während der langwierigen Operation kleine Tiefs hatte: „Da war es schön, einmal den Nacken bewegen zu können und die Stirn leicht seitlich zu drehen."

Mit Navigation exakt ans Ziel

Im Vorfeld plant Professor Coenen dank modernster Methoden präzise den späteren Weg der Elektroden, damit kein intaktes Gewebe zerstört wird. Bei dem herkömmlichen Verfahren ist der am Kopf befestigte Metallrahmen dabei wesentlich für die Zielgenauigkeit, wenn der Bonner Neurochirurg über ein kleines Bohrloch vorsichtig in das Gehirn vordringt. Bei dem neuen Zielgerät übernimmt ein externer Navigator mit Kamera die exakte Ausrichtung und Führung der Elektroden. „Bei drei Patienten haben wir bereits so hervorragende Ergebnisse erzielt, dass wir dieses neuartige Zielgerät zukünftig so oft wie möglich einsetzen werden“, sagt Professor Coenen. Dabei versorgt er die Patienten gemeinsam mit seinen Kollegen aus der Bonner Universitäts-Neurologie und vom Neurologischen Rehabilitationszentrum Godeshöhe. Das Bonner Team erhofft sich durch die für den Patienten deutlich angenehmere Operation eine höhere Akzeptanz der Tiefen Hirnstimulation.

Bereits in den Tagen nach dem Eingriff ging Karl-Heinz F. mit seinem Hund - einem Labrador - auf dem Venusberg spazieren: „Ich kann gar nicht beschreiben, was das für ein Gefühl ist, wenn plötzlich diese Unbeweglichkeit weg ist.“ Er rät jedem Betroffenen, eine solche Chance zu nutzen.

Kontakt:
Professor Dr. Volker Arnd Coenen
Schwerpunkt Stereotaxie und MR - basierte Operationsverfahren
Oberarzt an der Klinik und Poliklinik für Neurochirurgie
Universitätsklinikum Bonn
Telefon: 0228/287-16503
E-Mail: volker.coenen@ukb.uni-bonn.de

 

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