Ähnlich wie digitale Fotoapparate bannen heutige Röntgengeräte ihre Aufnahmen nicht mehr auf Film, sondern zeichnen sie digital auf. Dazu arbeiten sie mit Detektoren, die ähnlich wie die Pixelsensoren in Digitalkameras funktionieren. Mit einem Unterschied: Sie sind nicht für sichtbares Licht, sondern für Röntgenstrahlung empfindlich.
Strahlung besteht aus vielen einzelnen „Lichtpaketen“, den so genannten Quanten, die sich nicht weiter teilen lassen. In einem Halbleiterdetektor bewirkt jedes Röntgenquant die Freisetzung von Elektronen. Je mehr Quanten auftreffen, desto größer ist also ihre Menge. Der Computer erzeugt aus der Ladung der einzelnen Sensorpixel schließlich ein Bild: Je mehr Elektronen, desto heller der entsprechende Bildpunkt. „Diese Methode funktioniert auch sehr gut“, erklärt Professor Dr. Norbert Wermes vom Bonner Physikalischen Institut. „Allerdings gilt das nur bei mittleren und hohen Bestrahlungsstärken.“
Bei niedrigen Intensitäten macht sich nämlich ein Effekt bemerkbar, der die Bildqualität sehr beeinträchtigen kann: das Dunkelrauschen. Denn nicht nur Röntgenquanten, sondern auch Wärme oder andere Störeinflüsse können die Freisetzung von Elektronen bewirken. „Wir haben daher einen Detektor entwickelt, der gleichzeitig eine zweite Nachweismethode nutzt: Wir zählen direkt, wie viele Röntgenquanten auf jedem Pixel ankommen“, sagt der ehemalige Wermes-Mitarbeiter Dr. Johannes Fink.
Warum braucht man dann überhaupt noch die indirekte Elektronen-Messung? Ganz einfach: Die Zählmethode ist zu langsam. Um es mit einem Bild zu sagen: Solange der Schnee wie in dem bekannten Weihnachtslied leise rieselt, kann man noch die einzelnen Flocken zählen. Bei einem Blizzard wird man daran jedoch scheitern. Da ist es dann doch praktikabler, nach dem Sturm die Höhe des Neuschnees messen und damit die Flockenzahl zu schätzen.
Der Bonner CIX-Sensor (CIX steht für „Counting and Integrating X-Ray Detector) nutzt beide Methoden: Bei niedrigen Signalstärken zählt er die Quanten und erreicht damit ein geringes Rauschen. Bei hohen Strahlungsintensitäten (bei denen das Rauschen nicht mehr ins Gewicht fällt) misst er dagegen die Gesamtmenge der freigesetzten Elektronen. Diese Aufgabe übernimmt ein so genannter Integrator. So erreicht der Detektor einen hohen Dynamikumfang: Der Abstand zwischen dem „dunkelsten“ und „hellsten“ nutzbaren Signal ist extrem groß.
Das ist aber noch nicht alles: Der CIX-Sensor kann auch verschiedene Gewebetypen besser voneinander unterscheiden als herkömmliche Detektoren. Röntgenröhren produzieren nämlich Quanten verschiedener Energie. Energiereiche („harte“) Quanten können noch sehr dichtes Gewebe durchdringen, energiearme („weiche“) dagegen nicht. Je nach Gewebe, das das Röntgenlicht durchquert, verändert sich daher sein Spektrum. Physiker nennen das „Aufhärtung“.
Das Maß der Aufhärtung ist gewebespezifisch. Man könnte die darin steckende Information also beispielsweise nutzen, um Strukturen im Röntgenbild verschieden einzufärben. Momentan ist es aber eher so, dass die Aufhärtung die Bildqualität verschlechtert. Denn harte Quanten setzen beim Auftreffen auf den Sensor mehr Elektronen frei als weiche. Daher kann viel weiches Röntgenlicht im Integrator genau dasselbe Signal erzeugen wie wenig hartes. Dadurch sehen unterschiedliche Gewebetypen im Röntgenbild eventuell völlig gleich aus.
Der Quantenzähler kann dagegen die Energie der Quanten nicht erkennen. Er registriert lediglich, wie viele Quanten in der Strahlung auf dem Detektor ankommen, nicht jedoch, wie hart sie sind. „Wir nutzen nun den Signalstärkenbereich, in dem sowohl Zähler als auch Integrator arbeiten“, sagt Wermes. „Wir können so die Quanten zählen und über die Menge der freigesetzten Elektronen die mittlere Energie der absorbierten Strahlung bestimmen.“
Die Arbeitsgruppe um Professor Wermes und Dr. Krüger entwickelt normalerweise Pixelsensoren wie den CIX für ein Experiment am „Large Hadron Collider“ (LHC) des CERN in Genf. Mit diesem Beschleuniger lassen sich Bedingungen erzeugen, wie sie Sekundenbruchteile nach dem „Big Bang“ herrschten. Ein Konzept aus der physikalischen Grundlagenforschung ermöglicht nun eventuell eine völlig neue Generation von Röntgengeräten.
Kontakt:
Dr. Johannes Fink
Fraunhofer-Institut für Mikroelektronische Schaltungen und Systeme
E-Mail: fink@physik.uni-bonn.de
Dr. Hans Krüger und Professor Dr. Norbert Wermes
Physikalisches Institut der Universität Bonn
Telefon: 0228/73-3225
E-Mail: krueger@physik.uni-bonn.de, wermes@uni-bonn.de
21. Dezember 2009
Urknall-Detektoren für farbige Röntgenbilder Urknall-Detektoren für farbige Röntgenbilder
Bonner Physiker entwickeln Sensorchips, die hohe Kontraste bewältigen und dennoch wenig rauschen
Physiker der Universität Bonn haben in Zusammenarbeit mit der Firma Philips einen neuartigen Röntgendetektor entwickelt. Er kann sehr hohe Kontraste bewältigen und rauscht dabei deutlich weniger als bislang gebräuchliche Detektoren. Außerdem erlaubt der Sensor die farbige Darstellung unterschiedlicher Gewebetypen durch eine spezielle Messtechnik. Die Bonner Forscher entwickeln normalerweise Halbleiterdetektoren für Experimente der Elementarteilchenphysik. Dazu zählt beispielsweise das ATLAS-Experiment am Forschungszentrum CERN in Genf, in dem Physiker die Bedingungen kurz nach dem Urknall nachstellen. Der neue Röntgendetektor ist quasi ein „Abfallprodukt“ der Grundlagenforschung.
Zahn_mit_Beschriftung.jpg
- Röntgenaufnahme eines Zahns unter Ausnutzung der Zählung einzelner Röntgenquanten (links), der im Sensor erzeugten Ladungsmenge (Integrator, Mitte) und unter Verwendung beider Informationen (mittlere absorbierte Photonenenergie, rechts). Der Informationsgewinn für die Bildgebung durch die Aufhärtung ist im rechten Bild offensichtlich.
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Detektor.jpg
- Detektor.
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