09. Dezember 2025

Wie Hunger die Stimmung beeinflusst Wie Hunger die Stimmung beeinflusst

Forschende aus Bonn und Tübingen zeigen: Die Wirkung läuft über das bewusste Hungergefühl

Wenn wir hungrig sind, sinkt oft die Laune – ein Phänomen, das umgangssprachlich als „hangry“ bekannt ist. Eine neue Studie des Universitätsklinikums Bonn (UKB), der Universität Bonn und des Universitätsklinikums Tübingen zeigt nun, dass dieser Zusammenhang nicht durch unbewusste Stoffwechselprozesse entsteht. Entscheidend ist vielmehr, dass der Energiemangel bewusst als Hunger wahrgenommen wird - erst dieses bewusste Hungergefühl führt zu schlechterer Stimmung. Die Ergebnisse sind nun in der Fachzeitschrift eBioMedicine erschienen.

Über einen Glukosesensor am Oberarm erhoben die Forschenden kontinuierlich Daten zum Glukoseverlauf
Über einen Glukosesensor am Oberarm erhoben die Forschenden kontinuierlich Daten zum Glukoseverlauf - die Basis, um Zusammenhänge zwischen Blutzucker, Hunger und Stimmung im Alltag sichtbar zu machen. © Universitätsklinikum Bonn (UKB) / A. Winkler
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In der Studie untersuchten die Forschenden bei 90 gesunden Erwachsenen über vier Wochen hinweg, wie sich Glukosespiegel, Hungergefühl und Stimmung gegenseitig beeinflussen. Die Teilnehmenden trugen dafür kontinuierliche Glukosesensoren (Continuous Glucose Monitoring, CGM), wie sie auch in der Diabetesversorgung eingesetzt werden, und beantworteten über eine Smartphone-App regelmäßig Fragen zu ihrem momentanen Hunger, ihrer Sättigung und Stimmung (Ecological Momentary Assessment, EMA).

„Wenn der Glukosewert sinkt, verschlechtert sich auch die Stimmung. Aber dieser Effekt entsteht nur, weil die Menschen sich dann auch hungriger fühlen“, erklärt Erstautorin Dr. Kristin Kaduk, Postdoktorandin an der Universitätsklinik für Psychiatrie und Psychotherapie Tübingen. „Das heißt: Nicht der Glukosewert selbst hebt oder senkt die Stimmung – sondern wie stark wir diesen Energiemangel bewusst wahrnehmen.“

Die Studie liefert damit neue Evidenz für die Bedeutung der sogenannten Interozeption – also der bewussten Wahrnehmung innerer Körperzustände – bei der Regulation von Emotionen. Personen, die Veränderungen ihres Glukosespiegels besonders genau wahrnahmen, zeigten zudem weniger Stimmungsschwankungen.

„Unsere Ergebnisse sprechen dafür, dass das bewusste Spüren des eigenen Körpers eine Art Puffer für die Stimmung sein kann“, ergänzt Korrespondenzautor Prof. Nils Kroemer, der in Tübingen in der Psychiatrie und Psychotherapie des Universitätsklinikums im Bereich Translationale Psychiatrie sowie an der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie am UKB tätig ist und zudem als Professor für Medizinische Psychologie an der Universität Bonn forscht. „Ein gutes Gespür für körpereigene Signale scheint dabei zu helfen, emotionale Stabilität zu bewahren – selbst wenn der Energiehaushalt schwankt.“

Die Forschenden sehen darin auch eine wichtige Grundlage für künftige Untersuchungen bei Patientinnen und Patienten mit Stoffwechsel- oder psychischen Störungen.

„Viele Erkrankungen wie Depression oder Adipositas gehen mit veränderten Stoffwechselprozessen einher“, so Prof. Kroemer. „Ein besseres Verständnis dafür, wie Körperwahrnehmung und Stimmung zusammenhängen, kann langfristig helfen, Therapieansätze zu verbessern – etwa durch gezieltes Training der Interozeption oder nicht-invasive Stimulation des Vagusnervs, der die Organe mit dem Gehirn verbindet und die Interozeption beeinflusst.“

Die Ergebnisse unterstreichen die enge Verbindung zwischen metabolischer und psychischer Gesundheit – und zeigen, dass die bewusste Wahrnehmung des eigenen Körpers ein zentraler Mechanismus ist, über den Stoffwechselprozesse auf die Stimmung wirken.

Neben dem UKB, der Universität Bonn und dem Universitätsklinikum Tübingen waren auch das Deutsche Zentrum für Psychische Gesundheit (DZPG) sowie das Deutsche Zentrum für Diabetesforschung (DZD) an der Studie beteiligt. Gefördert wurde die Studie von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG).

Kristin Kaduk, et al.: “Glucose levels are associated with mood, but the association is mediated by ratings of metabolic state”; eBioMedicine; DOI: https://doi.org/10.1016/j.ebiom.2025.106035 

Prof. Dr. Nils Kroemer
Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie
Universitätsklinikum Bonn (UKB)
Professor für Medizinische Psychologie
Universität Bonn
Telefon: +49 228 287 11151
E-Mail: nils.kroemer@ukbonn.de

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