11. Dezember 2025

Klimaschutz: Wenn über Salat ein Baum wächst Klimaschutz: Wenn über Salat ein Baum wächst

Forschende der Uni Bonn sehen in der Agroforstwirtschaft großes Potenzial

Nur wenn Emissionsminderung und Entnahme von Kohlendioxid (CO2) zusammengedacht werden, kann Deutschland Treibhausgasneutralität bis 2045 erreichen. Das ist das Fazit aus der ersten Phase des Forschungsprogramms CDRterra, an dem mehr als 100 Forschende von 39 Institutionen in zehn Verbundprojekten Potenziale und Risiken der landbasierten CO2-Entnahme in Deutschland untersucht haben. Die Ansätze reichten von der direkten CO2-Abscheidung aus der Luft bis hin zu landwirtschaftlichen Verfahren. Prof. Dr. Eike Lüdeling von der Universität Bonn, Mitglied im Transdisziplinären Forschungsbereich "Sustainable Futures", leitete ein Teilprojekt zur Agroforstwirtschaft. Wir haben den Gartenbau-Wissenschaftler vom Institut für Nutzpflanzenwissenschaften und Ressourcenschutz (INRES) dazu befragt. 

Agroforstwirtschaft:
Agroforstwirtschaft: - Ein Ansatz ist ein Wechsel aus Hecken und Anbauflächen. © Foto: COLOURBOX.de
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Wie hat man sich eine solche Agroforstwirtschaft vorzustellen: unten Salat und oben ein Apfelbaum?
Gerne Salat und Apfelbäume, aber meist eher Baumreihen. In der Agroforstwirtschaft gibt es eine Vielzahl von Ansätzen. Es werden etwa Pappeln oder Obstbäumen mit landwirtschaftlichen Flächen kombiniert. Es können aber auch Kühe, Schafe oder Schweine unter den Bäumen weiden. Zur energetischen Nutzung können auch schnellwachsende Gehölze in Form von Streifen angepflanzt werden. 

Welche Vorteile bringt die Agroforstwirtschaft?
Sie reichen vom Erosionsschutz über eine Verbesserung der Biodiversität und des Wasserhaushaltes bis hin zur Anpassung an den Klimawandel und zum Klimaschutz.

Gibt es bereits Beispiele für Agroforstwirtschaft in Deutschland? 
Ja, eine ganze Menge, und es werden immer mehr. Hier eine Karte dazu: https://defaf.map.agroforestry-map.eu/de#5.31/51.333/10.437

Auf welche Weise wird bei der Agroforstwirtschaft CO2 aus der Luft gebunden?
CO2 sammelt sich in der oberirdischen Biomasse, in den Wurzeln und auch im Boden, der unter Bäumen viel weniger gestört wird als auf dem Acker. Landschaften mit viel Agroforst enthalten eindeutig sehr viel mehr Kohlenstoff als dieselben Landschaften mit reinem Ackerbau.

Wieviel CO2 lässt sich mit so einer Agroforstwirtschaft pro Hektar binden?
Pro Hektar und Jahr würde ich das Potenzial auf bis zu 15 Tonnen schätzen. Das kommt aber sehr darauf an, um welches System es sich handelt und wie gut alles wächst. Zum Vergleich: Der CO2-Fußabdruck einer Person in Deutschland liegt bei ungefähr 10 Tonnen pro Jahr.

Um was geht es beim Projekt „Agroforestry’s Biophysical potentials for CDR and Decision making across scales“ (ABCDR) genau?
Es geht darum, das Potenzial der Agroforstwirtschaft zur Bindung von CO2 aus der Atmosphäre zu untersuchen. Am Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung wird dies mit Hilfe bestehender Modelle (LPJmL und MAgPIE) großflächig abgeschätzt.

Wer leitet das Gesamtprojekt?
Das Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK). Unser Teilprojekt leiten wir. Wir arbeiten aber eng mit den Kollegen am PIK zusammen und treffen uns regelmäßig. ABCDR ist wiederum ein Einzelvorhaben im CDRterra-Programm.

Was ist Ihr Part in diesem Projekt? 
In unserem Teilprojekt geht es um die Skala auf Bauernhof-Ebene. Unser Team, hauptsächlich angetrieben durch Dr. Marcos Jimenez-Martinez, modellierte dabei mit unserem Entscheidungsanalyse-Ansatz die Auswirkungen der Agroforstwirtschaft auf einen landwirtschaftlichen Betrieb. Besonderes Augenmerk lag dabei auf Umsetzungsbarrieren. Wir haben durch Stakeholder-Workshops und Betriebsbesuche konzeptionelle Modelle der Agroforstergebnisse entwickelt, die wir dann in mathematische Modelle für Simulationen überführt haben. 

Wie können die Resultate dazu beitragen, CO2 aus der Atmosphäre zu entnehmen?
Die Ergebnisse können politische Entscheidungsträger dabei unterstützen, das große Potenzial von Agroforstwirtschaft realistisch einzuschätzen. Daraus können sie dann geeignete Fördermaßnahmen ableiten. 

Wie nah sind Sie an einer Anwendung?
Die Ergebnisse verwenden wir bereits im Dialog mit Politik-Schaffenden, Landwirtschaftskammern etc. Diese sind die vorgesehenen „next users“ unserer politikorientierten Studien.

Was sind die nächsten Schritte?
Es wird vermutlich ein Folgeprojekt geben, in dem wir unsere Methodik auf weitere Landnutzungsformen anwenden wollen. Darüber hinaus tragen wir unsere Ergebnisse über unsere Netzwerke in Richtung Entscheidungsträger weiter.

Informationen zu CDRterra: https://cdrterra.de/ergebnisse-phase-1/

Informationen zur Forschung von Prof. Dr. Eike Lüdeling: https://www.gartenbauwissenschaften.uni-bonn.de/en

Prof. Dr. Eike Lüdeling
Prof. Dr. Eike Lüdeling - vom Institut für Nutzpflanzenwissenschaften und Ressourcenschutz (INRES) der Universität Bonn. © Foto: Privat

Die Forschung von CDRterra zeigt, dass Deutschland CO2-Entnahme nur dann im nötigen Umfang aufbauen kann, wenn klare politische, rechtliche und gesellschaftliche Voraussetzungen geschaffen werden.

Erforderlich sind:
-    klare rechtliche Rahmenbedingungen für Aufforstung, Agroforstwirtschaft, Paludikultur, Bioenergie mit CO2-Abscheidung und -Speicherung (BECCS) sowie für die geologische Speicherung von CO2.
-    angepasste Förderinstrumente, die sich an Klimawirkung und gesellschaftlichem Nutzen orientieren und Verfahren mit Mehrfachnutzen – etwa für Klima, Biodiversität und Boden – gezielt unterstützen.
-    Aufbau von Infrastruktur für CO2-Transport und -Speicherung, um den Hochlauf technischer Verfahren zu ermöglichen.
-    gesellschaftliche Beteiligung und Befähigung zentraler Akteur:innen wie Landwirt:innen, Kommunen und Unternehmen, um Akzeptanz und Umsetzung sicherzustellen.
-    verlässliche Systeme für Monitoring, Reporting und Verification (MRV), die Dauerhaftigkeit und Qualität der CO2-Entnahme überprüfbar machen und Vertrauen schaffen.
-    Koordination und langfristige Planung über Sektoren und Regierungsebenen hinweg, um Zielkonflikte zu vermeiden und Synergien zu nutzen.

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