UM WAS GEHT ES?
Ziel der Studie ist es zu verstehen wie Insekten, die ein vergleichsweise einfaches Nervensystem haben, ihre vielen Beine koordinieren. Das ist zum einen aus biologischer Sicht wichtig, da Insekten eine der größten Tiergruppen sind. Zum anderen hilft es, elementare Prozesse besser zu verstehen, gerade weil sie ein einfaches Modellsystem für neurologische Prozesse sind. Das kann sowohl Neurobiologie wie Robotik insgesamt gesehen weiterbringen. Wir haben uns dabei auf die Taufliege Drosophila konzentriert und winzige Sinnesorgane in der Nähe der Beingelenke – sogenannte campaniforme Sensillen – untersucht.
WIE SIND SIE VORGEGANGEN?
Wir haben für unsere Studie drei Methoden kombiniert: Mit Hochgeschwindigkeitskameras haben wir die dreidimensionale Bewegung der Fliegenbeine aufgenommen. Unsere Partner in den USA haben mit als „inverse kinematics“ und „inverse dynamic“ bekannten Methoden aus den Bewegungen die relevanten Kräften beim Auftreten berechnet. Als letztes Puzzleteil wurden die genaue innere und äußere Geometrie der tausendstel Millimeter großen Sinnesorgane mithilfe von Elektronenmikroskopie erfasst. Die Ergebnisse der drei Methoden flossen in einer Computersimulation zusammen, die die Verformung der Sinnesorgane beim Laufen simuliert. Schließlich haben wir die Verformungslevel mit der aus der Literatur bekannten Verformung verglichen, die notwendig ist, um Sinneszellen durch Ioneneinstrom mechanisch zu aktivieren.
WAS SIND DIE WICHTIGSTEN ERKENNTNISSE?
Mithilfe unseres Modells konnten wir zeigen, dass beim normalen Vorwärtsgehen die Belastung zu gering ist, um diese kleinen Sinnesorgane am Oberschenkel zu aktivieren. Unsere Ergebnisse stützen damit alternative Erklärungsmodelle zur Aktivierung und Funktion des Sinnesorgan an dieser Position, zum Beispiel durch lokale Muskelkräfte – Fliegen sind zwar nicht so stark wie Ameisen, für ihre Größe aber dennoch enorm kräftig. Insekten haben viele mechanische Sinnesorgane, nicht alle davon müssen für jedes einzelne Verhalten Input liefern, es ist also Teil eines stetig wachsenden und faszinierenden Puzzles. Das Modell ist nun als Open Source verfügbar und hat das Potenzial, an andere Tieren und Fragestellungen angepasst zu werden.
WIE GEHT ES WEITER?
Wenn Vorwärtslaufen nicht ausreicht, um diesen Teil des mechanischen Wahrnehmungssystems zu aktivieren, werden wir nach anderen Verhalten bzw. Bewegungssituationen suchen, die dafür in Frage kommen, zum Beispiel, die Fähigkeit von Fliegen, an der Decke kopfüber laufen zu können. Außerdem schauen wir nach anderen Modellsystemen und planen, andere Sinnesorganpositionen zu testen – Insekten haben fast überall an Beinen und Körper solche Sinnesorgane.