19. September 2022

Mit 50plus fit für den Beruf Mit 50plus fit für den Beruf

Forschende der Uni Bonn entwickelten Programm zur Steigerung von Leistungsfähigkeit und Wohlbefinden

Zähle ich zum alten Eisen? Diese Frage taucht häufiger bei Berufstätigen auf, die die 50 überschritten haben. Ältere seien nicht mehr so leistungsstark und stresstolerant, lautet ein häufiges Vorurteil. Doch geistige Leistungsfähigkeit, Selbstvertrauen, psychische Widerstandskraft und Wohlbefinden lassen sich bei der Generation 50plus trainieren. Das zeigt eine Studie von Forschenden der Entwicklungspsychologie der Universität Bonn, die im European Journal of Ageing vorab online erschienen ist. Die Druckfassung kommt voraussichtlich im Dezember heraus.

Übung zum Training geistiger Flexibilität:
Übung zum Training geistiger Flexibilität: - Ausschnitte aus dem sogenannten „Stroop-Test“. Die Wörter sollen nicht gelesen, sondern ihre Farbe benannt werden. Visuell und semantisch konkurrierende Informationen müssen gezielt abgerufen bzw. unterdrückt werden. © Oswald 2005
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Unternehmensleitungen treibt die Sorge um, dass ältere Berufstätige nicht mehr mit technischen Neuerungen Schritt halten können. “In der Berufswelt gehörte es lange zur Realität, dass Mitarbeitende häufig bereits ab dem Alter von 45 Jahren keine Möglichkeiten zur Weiterbildung mehr angeboten bekamen”, berichtet Prof. Dr. Una Röhr-Sendlmeier von der Entwicklungs- und Pädagogischen Psychologie der Universität Bonn von früheren Studien. “Man ging davon aus, dass sich eine solche Investition nicht lohne.” Dagegen sprachen Ergebnisse der entwicklungspsychologischen Forschung, die zeigen, dass Lernen lebenslang grundsätzlich gut möglich ist.

Mehr als 800 Teilnehmende

Im Projekt „Lernen im Arbeitsalltag“ (LiA) untersuchte das Team um Röhr-Sendlmeier während der Jahre 2013 bis 2019 an mehr als 800 Frauen und Männern im Alter von über 50 Jahren, welchen Einfluss bestimmte Trainings auf die Schnelligkeit des Gehirns und die Konzentrationsfähigkeit, auf die Wahrnehmung der eigenen Kompetenz, die Selbstwirksamkeit und das Stressmanagement haben. “Wichtig dabei war uns, dass in jeder der Trainingssitzungen die Inhalte zu den verschiedenen Trainingsbereichen abwechslungsreich und ineinander verzahnt angeboten wurden”, berichtet Erstautorin Tanja Hüber. Nach einer Bewegungseinheit folgte zum Beispiel geistiges Training, dann Kompetenzstärkung und nach einer Pause Informationen zur Stressentstehung und Entspannungsübungen.

Das komplette Training bestand aus fünf Modulen mit zweieinhalb Stunden pro Woche über 15 Wochen hinweg: Im Kompetenztraining vergegenwärtigten sich die Teilnehmenden, welche Fähigkeiten und berufliche Stärken sie im Lauf ihres Lebens erworben haben. In der Stressbewältigung ging es darum, individuelle Strategien für den Umgang mit belastenden Situationen zu finden. Geistige Fähigkeiten und Problemlösungsvermögen trainierte die Gruppe mit dem für die meisten weitgehend unbekannten Strategie-Spiel “Go”. Gedächtnisstrategien gehörten zu einem weiteren Modul. Koordinationsübungen zur Aktivierung und Entspannungsübungen zum Kraftschöpfen im Alltag rundeten das Programm ab. Die Kontrollgruppe erhielt kein Training.

Während 397 Teilnehmende mit den fünf Modulen begannen, fokussierte sich ein Teil auf eine bestimmte Trainingseinheit kombiniert mit körperlicher Aktivierung. “Wir wollten herausfinden, welche Wirkungen die kognitiven Trainingsinhalte, das Kompetenztraining oder das Stressbewältigungstraining jeweils isoliert haben”, erläutert Privatdozent Dr. Udo Käser. Die Einzeltrainings umfassten zwei Wochenstunden und fanden sieben Wochen lang statt.

Statistisch messbare Verbesserungen

Unmittelbar nach Beendigung der Trainings und nach weiteren 6 Monaten bewertete das Team mit Fragebögen und Tests die Wirkung des Fünf-Modul-Trainings und der einzelnen Trainingseinheiten. Die Ergebnisse zeigen statistisch hochsignifikante Verbesserungen. So erhöhte sich die Informationsverarbeitungsgeschwindigkeit der Teilnehmenden im Schnitt von 2,42 bit pro Sekunde vor dem Training auf 2,65 bit pro Sekunde sechs Monate nach dem Training. Die Kontrollgruppe veränderte sich dagegen wenig. Auch bei der Selbsteinschätzung zur inneren Ruhe der Trainingsgruppe war auf einer Skala von eins bis neun eine Steigerung von 4,75 vor dem Training auf 5,28 zu verzeichnen. Die Tendenz, bei Misserfolgen zu resignieren, nahm von 5,12 vor dem Training auf 4,53 ab.

Eine Umfrage nach erfolgter Teilnahme ergab, dass über 97 Prozent der Teilnehmenden das Training weiterempfehlen würden. Das Team hat weitere Anfragen von Unternehmen zum Projekt „Lernen im Arbeitsalltag“. Die Forschenden wollen das Vorhaben auch über den geförderten Zeitraum hinaus weiterführen. Sie sind außerdem eingeladen, ihre Ergebnisse bei der Internationalen Konferenz zur Zukunft von Präventiver Medizin und Öffentlicher Gesundheit im März 2023 in Barcelona (Spanien) vorzustellen.

Ein Gewinn für Arbeitnehmer und Unternehmen

“Die Berufstätigen 50plus gewinnen Lebensqualität, und die Unternehmen erhalten die Möglichkeit, diesen Berufstätigen länger eine Perspektive zu bieten”, zieht Röhr-Sendlmeier ein Fazit. Dies sei ein Gewinn für beide Seiten – und angesichts des demographischen Wandels und des Fachkräftemangels auch gesamtgesellschaftlich von großer Bedeutung. 

Die Studie wurde von der Hans Hermann Voss-Stiftung gefördert. 

Tanja Hüber, Udo Käser, Lena Stahlhofen, Lara Görtner & Una Röhr‑Sendlmeier: Evaluation of a multi‑component training programme for employees aged 50+, European Journal of Ageing, https://doi.org/10.1007/s10433-022-00715-0 

Prof. Dr. Una Röhr-Sendlmeier
Institut für Psychologie
Universität Bonn
Tel. +49 (0)228/734269
E-Mail: uroehr@uni-bonn.de

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