UM WAS GEHT ES?
In der Studie zeigt das Forschungsteam einen Vorgang, der zu einer starken Inaktivierung dieses Enzyms führt. Wenn das Peptid-Substrat von der Protease gebunden wird, sorgen Wechselwirkungen der Aminosäureseitenketten des Substrates mit Bindetaschen des Enzyms für die richtige Platzierung der zu spaltenden Bindung in Schlagdistanz zur katalytischen Maschinerie der Protease, die sehr spezifisch arbeitet. Serin- und Cysteinproteasen bilden im Zuge der Peptidbindungsspaltung eine kovalente chemische Bindung mit dem Carbonylkohlenstoff der gespaltenen Bindung aus. Dann ist der „rechte“ Teil des Substrates bereits als das erste Produkt freigesetzt. Der „linke“ Teil verbleibt für kurze Zeit am Enzym, bevor die chemische Bindung mit Wasser aufgebrochen und das zweite Produkt freigesetzt wird.
WAS WAR DER AUSGANGSPUNKT FÜR DIE STUDIE?
Wir haben uns überlegt, dass ein artifizielles Peptid, das nach der Spaltung die „rechten“ Bindetaschen besetzt, länger im aktiven Zentrum der Protease verbleibt und zur Protease-Hemmung führt.
WELCHEN ANSATZ HABEN DIE FORSCHENDEN GEWÄHLT?
Die Verbindungen, die wir entworfen haben, ähneln Peptiden; es sind sogenannte Peptidomimetika. Zuerst haben wir eine geeignete chemische Gruppe an der Peptidstruktur angebracht, die für die Umlenkung der Spaltung sorgt. In einem iterativen Prozess haben wir verschiedene Teilstrukturen unserer Verbindungen modifiziert und geprüft, welche chemische Veränderung zur Verbesserung der Enzymhemmung führt. So konnten wir sehr wirksame Inhibitormoleküle gewinnen. Insgesamt haben wir 91 Endprodukte in mehrstufigen Reaktionen synthetisiert und einer detaillierten biochemischen Prüfung zugeführt. Die letztliche Absicherung des Mechanismus erfolgte mittels Röntgenkristallstrukturanalysen von Enzym-Inhibitor-Komplexen.
WARUM HABEN SIE DAS ANHAND VON CATHEPSIN B DURCHGEFÜHRT?
Wir haben Cathepsin B des Menschen aus drei Gründen für unsere Studie ausgewählt. Erstens handelt es sich um eine Cysteinprotease, die also die Hydrolyse der Peptidbindung im Zuge des oben genannten kovalenten Mechanismus katalysiert. Zweitens kann Cathepsin B eine spezielle Konformation einnehmen, in der zwei protonierte Histidinreste eine effiziente polare Interaktion mit einer passgenau platzierten deprotonierten Carboxylgruppe unserer Inhibitoren eingehen. Wenn wir diese Carboxylgruppe veresterten, blieb die inhibitorische Aktivität aus. Nahverwandte menschliche Cysteinproteasen, die nicht über die beiden Histidinreste verfügen, wurden durch unsere Verbindungen nicht beeinflusst. Drittens ist Cathepsin B an einigen pathophysiologischen Prozessen beteiligt, vor allem als wichtiger Akteur bei der Tumorprogression.
WELCHE THERAPEUTISCHE BEDEUTUNG HAT DIESER VORGANG?
Cathepsin B gehört zu denjenigen lysosomalen Proteasen, die in Tumorzellen hochreguliert sind. Sie werden auf die Zelloberfläche verlagert oder in das extrazelluläre Milieu sezerniert, wo sie die Tumorinvasion durch mehrere Mechanismen fördern können. Zum Beispiel können sie Komponenten der extrazellulären Matrix und der Basalmembran spalten und so die Migration von Tumorzellen ermöglichen. Deshalb ist die Hemmung von Cathepsin B ein therapeutischer Ansatzpunkt.
WELCHE SONSTIGEN ANWENDUNGSMÖGLICHKEITEN GIBT ES?
Unser Konzept ist nicht auf Cathepsin B beschränkt. Unter Verwendung unserer chemischen Modifizierung und mit Hilfe geeigneter Strukturkomponenten für Wechselwirkungen mit den „rechten“ Bindetaschen anderer Proteasen sollten auch diese im Zuge der umgelenkten Peptidspaltung inaktiviert werden können. Aus biochemischer Hinsicht besonders interessant ist die Rolle der Seitenkette des namensgebenden Cysteins von Cathepsin B. Während der Cystein-Schwefel in der regulären katalytischen Reaktion als Nucleophil agiert, operiert er bei der Reaktion mit unseren Hemmstoffen als Base.
WIE GEHT ES WEITER?
Die nächsten Schritte sollten Zellkulturmodelle einschließen, um die biologische Aktivität unserer potentesten Inhibitoren weiter zu charakterisieren.