10. Dezember 2021

Schlüsselmechanismus der Photosynthese aufgeklärt Schlüsselmechanismus der Photosynthese aufgeklärt

Studie unter Federführung der Uni Bonn liefert neue Einblicke in die Evolution dieses wichtigen Prozesses

Einige Pflanzen beherrschen eine Sonderform der Sonnenenergie-Nutzung, die unter warmen Bedingungen große Vorteile bietet. Eine aktuelle Studie liefert nun neue Erkenntnisse zu einem Enzym, das bei dieser sogenannten C4-Photosynthese eine zentrale Rolle spielt. An der Arbeit unter Federführung der Universität Bonn waren auch Forschende aus Argentinien, Kanada und der Universität Düsseldorf beteiligt. Sie ist in der Zeitschrift The Plant Cell erschienen.

Die Pflanze, bei der die Struktur des C4-NAD-Malatenzyms aufgeklärt wurde,
Die Pflanze, bei der die Struktur des C4-NAD-Malatenzyms aufgeklärt wurde, - dürfte manchen Menschen in Deutschland als Zierpflanze bekannt sein. © Abbildung: Meike Hüdig/Uni Bonn
Alle Bilder in Originalgröße herunterladen Der Abdruck im Zusammenhang mit der Nachricht ist kostenlos, dabei ist der angegebene Bildautor zu nennen.

Bei der Photosynthese wandeln Pflanzen mit Hilfe des Sonnenlichts Kohlendioxid und Wasser zu Kohlenhydraten und Sauerstoff um. Das Kohlendioxid entnehmen sie dabei der Umgebungsluft, und zwar durch die Spaltöffnungen (Stomata) auf der Oberfläche ihrer Blätter. Bei sehr warmen Temperaturen schließen sich diese aber, um zu große Wasserverluste zu vermeiden.

Rund drei Prozent aller Pflanzen haben daher einen Trick entwickelt, mit dem sie auch noch geringste CO2-Mengen nutzen können: die C4-Photosynthese. Dabei fixieren sie das Kohlendioxid zunächst einmal vor, indem sie es an ein Transportmolekül koppeln. Dieser Schritt funktioniert auch noch bei sehr kleinen CO2-Konzentrationen; die Pflanze muss ihre Stomata also nur kurz öffnen. Die Vorfixierung findet im Mesophyll statt, den Zellen, die im Blattinneren an die Umgebungsluft angrenzen. Sie umschießen die Bündelscheidezellen, die nicht in direktem Kontakt mit der Luft stehen.

Bei der chemischen Vorfixierung entsteht eine organische Verbindung mit vier Kohlestoffen - daher der Name C4-Photosynthese. Diese wird in die Bündelscheidezellen transportiert, die speziell abgedichtet sind. Hier wird das Kohlendioxid wieder freigesetzt und steht dann für die weiteren Reaktionen der Photosynthese zur Verfügung. „Dieser Abspaltungs-Schritt wird durch ein spezielles Enzym katalysiert“, erklärt Prof. Dr. Veronica Maurino von der Molekularen Pflanzenphysiologie der Universität Bonn, die die Studie geleitet hat. „Ein Teil der Pflanzen nutzt dazu das sogenannte NAD-Malatenzym.“

Ähnliche Enzyme, unterschiedliche Aufgaben

Bislang war unklar, wie das C4-NAD-ME (so die Abkürzung), das an der C4 Photosynthese beteiligt ist, genau aufgebaut ist und funktioniert. Die Partner aus Deutschland, Kanada und Argentinien haben das nun exemplarisch für eine Zierpflanze der Gattung Cleome untersucht. Demnach besteht NAD-ME aus zwei großen Bausteinen, der Alpha- und der Beta-Untereinheit. Während die Alpha-Einheit für die CO2-Abspaltung zuständig ist, dient die Beta-Untereinheit vor allem dazu, die Aktivität des Enzyms zu regulieren.

Und gerade diese Regulation ist wohl ausgesprochen wichtig. Denn die Freisetzung des Kohlendioxids erfolgt in den „Kraftwerken“ der Zellen, den Mitochondrien, wo ständig wichtige Stoffwechselprozesse stattfinden. Einige davon werden ebenfalls durch NAD-ME katalysiert, aber von einer ganz anderen Variante. „Diese ist hinsichtlich ihrer Reaktionsgeschwindigkeit weitaus langsamer als das C4-NAD-ME, das bei der C4-Photosynthese genutzt wird“, betont Prof. Maurino.

Die Beta-Untereinheit verhindert augenscheinlich, dass sich beide Enzyme in die Quere kommen. Denn sie reguliert die Reaktionsgeschwindigkeit des C4-NAD-ME. Dazu bindet sie ein Zwischenprodukt des C4-Photosynthese-Kreislaufs namens Aspartat. Und dieses Aspartat sorgt dafür, dass die „Photosynthese-Variante“ des NAD-ME besonders aktiv wird. Das vorfixierte und für die Photosynthese gedachte CO2 wird also hauptsächlich von der zu ihm „passenden“ (und viel schneller arbeitenden) Enzym-Variante verarbeitet.

Beta-Untereinheit hat sich im Laufe der Evolution stark verändert

Die Photosynthese-Version des NAD-ME ist übrigens aus der langsamen Variante entstanden, die für die allgemeinen NAD-ME Aufgaben im Mitochondrium der Pflanze zuständig ist. „Sowohl das Gen für die Alpha- als auch das für die Beta-Untereinheit haben sich irgendwann im Laufe der Evolution verdoppelt“, erklärt Maurino. „Die zweite Version des Alpha-Gens ging dann wieder verloren, und das verbleibende einzelne Gen hat sich danach kaum verändert. Eine der verdoppelte Beta-Kopien ist dagegen an vielen verschiedenen Stellen mutiert. Sie hat dadurch ihre ursprüngliche Funktion verloren und stattdessen die Fähigkeit erworben, die Aktivität des neuen Enzyms zu regulieren.“

Diese komplexe Evolution ist wohl auch möglicherweise der Grund, warum die Abspaltung des vorfixierten Kohlendioxids bei den meisten C4-Pflanzen anders funktioniert als bei der Gattung Cleome. Ein Beispiel ist der Mais: Das Süßgras, das ursprünglich aus Mexiko stammt und dort die Fähigkeit entwickeln musste, ohne allzu großen Flüssigkeitsverlust Photosynthese zu treiben, verfügt dazu über ein anderes Enzym als NAD-ME. „Unsere Ergebnisse helfen uns, die Evolution der verschiedenen Gruppen von C4-Pflanzen besser zu verstehen“, sagt die Wissenschaftlerin. „Außerdem könnte sie dabei helfen, den C4-Mechanismus auf Nutzpflanzen zu übertragen, die diese effiziente Form der Photosynthese nicht beherrschen.“

Förderung:

Die Studie wurde durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) und das Kanadische Natural Science and Engineering Research Council gefördert.

Publikation: Meike Hüdig, Marcos A. Tronconi, Juan P. Zubimendi, Tammy L. Sage, Gereon Poschmann, David Bickel, Holger Gohlke und Veronica G. Maurino: Respiratory and C4-photosynthetic NAD-malic enzyme coexist in bundle sheath cell mitochondria and evolved via association of differentially adapted subunits; The Plant Cell; http://doi.org/10.1093/plcell/koab265

Kontakt:

Prof. Dr. Veronica G. Maurino
Molekulare Pflanzenphysiologie
Universität Bonn
Tel. +49-228-73-2686
E-Mail: vero.maurino@uni-bonn.de

Modell
Modell - des jetzt erstmals analysierten C4-NAD-Malatenzyms aus der Gattung Cleome. © Abbildung: David Bickel/Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf
Wird geladen