03. August 2011

Früherkennung der Alzheimer-Krankheit Früherkennung der Alzheimer-Krankheit

Forscher des Universitätsklinikums weisen eine geringere Aktivität in einer zentralen Schaltstelle des Gehirns nach

Die Alzheimer-Erkrankung ist die häufigste Ursache der Demenz. Entscheidend für zukünftige Therapien ist die Früherkennung. Forscher der Universitätskliniken Bonn und Berlin sowie des Deutschen Zentrums für Neurodegenerative Erkrankungen sind nun einen wichtigen Schritt vorangekommen: Sie wiesen Beeinträchtigungen im Hippocampus als einer zentralen Schaltstelle des Gehirns bereits dann nach, wenn in Standardtests noch keine Verschlechterung des Gedächtnisses feststellbar ist.

Bei Alzheimer-Patienten mit Gedächtniseinbußen lässt sich die Krankheit heutzutage relativ einfach nachweisen. „Anhand einer Kernspintomografie ist dann etwa festzustellen, dass für die Merkfähigkeit wichtige Strukturen im Gehirn verkleinert sind“, berichtet Professor Dr. Frank Jessen von der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie des Bonner Universitätsklinikums sowie vom Deutschen Zentrum für Neurodegenerative Erkrankungen (DZNE). Auch im Gehirnwasser machen sich Veränderungen bemerkbar. Allerdings gilt bei Demenz die Regel: Je früher sie erkannt wird, desto besser lässt sich zukünftig der weitere geistige Verfall mit Medikamenten verlangsamen. Schon seit längerem suchen deshalb die Wissenschaftler nach einer Möglichkeit, die Alzheimer-Erkrankung in einem frühen Stadium nachzuweisen, in dem Betroffene zwar subjektiv Beeinträchtigungen wahrnehmen, in objektiven medizinischen Tests jedoch noch keine Verschlechterung des Gedächtnisses feststellbar ist.

In einer jetzt in den „Archives of General Psychiatry“ publizierten Arbeit berichten Wissenschaftler um Professor Jessen und Privatdozentin Dr. Susanne Erk sowie Professor Dr. Dr. Henrik Walter von der Charité Universitätsmedizin Berlin über entscheidende Fortschritte in der Früherkennung. Insgesamt wurden 19 Probanden mit leichter Demenz und außerdem 20 Kontrollpersonen untersucht. „Mittels funktioneller Kernspintomografie konnten wir zeigen, dass sich bei Personen mit solchen rein subjektiv wahrgenommenen Gedächtnisstörungen bei Tests Beeinträchtigungen im Bereich des Hippocampus bemerkbar machen“, berichtet Prof. Jessen. Im Hirnscanner bekamen die Probanden Fotos zu sehen. Sie sollten sich jeweils Kombinationen von Gesichtern und Berufen einprägen. Später bei der Abfrage zeigte sich, dass der Hippocampus bei Menschen in einem frühen Alzheimer-Stadium deutlich geringer durchblutet war als bei Kontrollpersonen.

Das Frontalhirn gleicht die Defizite des Hippocampus aus

Beim Hippocampus handelt es sich um die Hirnstruktur, die bei der Alzheimer-Erkrankung zuerst betroffen und für die Gedächtnisbildung zuständig ist. Personen mit subjektiven Gedächtnisstörungen zeigten während einer Gedächtnisaufgabe neben einer verminderten Durchblutung des Hippocampus gleichzeitig eine stärkere Aktivität im rechten Frontalhirn. Es springt dann ein, wenn andere Hirnstrukturen überfordert sind. „Diese Mehraktivierung des Frontalhirns hat vermutlich kompensatorischen Charakter“, sagt Prof. Dr. Dr. Henrik Walter. Die geringere Leistungsfähigkeit des Hippocampus wird also durch das Frontalhirn ausgeglichen. „Das kann erklären, warum die Leistung in den Gedächtnistests dieser Gruppe nicht schlechter war als die einer altersgleichen Kontrollgruppe ohne subjektive Gedächtnisstörungen“, berichtet Prof. Walter.

Die Kompensation durch andere Hirnbereiche ist bei Alzheimer-Patienten im Frühstadium also der Grund, warum mit medizinischen Merktests noch keine Einschränkungen der Gedächtnisfähigkeit feststellbar sind. Prof. Jessen sieht für die Zukunft auch eine mögliche klinische Relevanz: „Zumindest sind wir unserem Ziel nähergekommen, die Frühdiagnostik subjektiver Gedächtnisstörungen durch Hirnuntersuchungen mittels Kernspintomografie zu unterstützen.“ Individuelle Tests seien jedoch noch nicht möglich, weil derzeit immer Patientengruppen untersucht werden müssen, um zu aussagekräftigen Ergebnissen zu kommen.

Publikation: Erk S, Spottke A, Meisen A, Wagner M, Walter H, Jessen F (2011): Evidence for neuronal compensation during episodic memory in subjective memory impairment. Archives of General Psychiatry, 68 (8), S. 1-8

Kontakt:

Prof. Dr. Frank Jessen
Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie des Universitätsklinikums Bonn, Klinisches Behandlungs- und Forschungszentrum für Neurodegenerative Erkrankungen (KBFZ) sowie Deutsches Zentrum für Neurodegenerative Erkrankungen (DZNE)
Tel. 0228/287-11109
 frank.jessen@ukb.uni-bonn.de

Prof. Dr. Dr. Henrik Walter
Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie der Charité Universitätsmedizin
Tel.: 030/450-517141
 henrik.walter@charite.de

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