09. Januar 2007

Schäubles Vorschlag würde nicht viel ändern. Schäubles Vorschlag würde nicht viel ändern.

Jurist der Uni Bonn sieht Hoffnungen und Kritik als übertrieben an

Der Vorschlag von Innenminister Wolfgang Schäuble, die Abwehr von Terrorakten dem militärischen Verteidigungsfall gleichzustellen, hätte nach Ansicht eines Juristen der Universität Bonn, Dr. Tobias Linke, keine großen Auswirkungen. Zwar wäre für einen Einsatz der Streitkräfte gegen Terroristen keine ausdrückliche verfassungsrechtliche Ermächtigung mehr erforderlich. Es würden aber wie bisher die Grundrechte gelten, die laut Urteil des Bundesverfassungsgerichts die Tötung Unschuldiger verbieten.

Das umstrittene Luftsicherheitsgesetz vom Januar 2005 erlaubte es als ultima ratio im Falle eines Terroraktes, ein entführtes Passagierflugzeug durch Kampfflugzeuge der Luftwaffe abzuschießen. Das Bundesverfassungsgericht kippte das "LuftSiG" am 15. Februar 2006 in einer nicht unumstrittenen Entscheidung. In der Begründung hieß es, die Tötung unschuldiger Passagiere und Crewmitglieder sei mit deren Lebensgrundrecht und ihrer Menschenwürde unvereinbar. Außerdem dürften die Streitkräfte nicht mit militärischer Bewaffnung im Inland eingesetzt werden.

Als Konsequenz trat Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble vor kurzem mit einem neuen Vorschlag in die Öffentlichkeit: Mit der Zweidrittelmehrheit von Bundestag und Bundesrat solle das Grundgesetz so abgeändert werden, dass die Streitkräfte auch gegen Terroristen tätig werden könnten. Damit wäre auch ein bewaffneter Inlandseinsatz der Bundeswehr möglich. Außerdem soll die Abwehr von Terrorakten dem militärischen Verteidigungsfall gleichgestellt werden. Als Konsequenz, so Schäubles Kalkül, könnten die Maßnahmen zur Terrorabwehr nach Kriegsvölkerrecht behandelt werden. Dieses erlaubt unter bestimmten Bedingungen die Tötung Unschuldiger " anders als das Grundgesetz nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts.

Eben diesen Schluss stellt Linke aber in Frage: "Selbst wenn sich aus der geplanten Verfassungsänderung die Anwendung des Kriegsvölkerrecht ergäbe, zöge das keineswegs die gewünschten Folgen nach sich: Das Völkerrecht ist internationales Recht zwischen Staaten, kein innerstaatliches Recht. Die Tatsache, dass der Abschuss eines Passagierflugzeuges möglicherweise kriegsvölkerrechtlich gerechtfertigt wäre, lässt also keineswegs darauf schließen, dass ein solcher Abschuss auch nach innerstaatlichem Recht erlaubt wäre."

Stattdessen müssten sich die Handlungen der beteiligten Staatsorgane nach wie vor an den Grundrechten messen lassen, betont Linke. Ein Grundsatz "Völkerrecht bricht nationales Recht" bestehe in dieser Form nicht. "Das hat das Bundesverfassungsgericht unlängst in einem anderen Zusammenhang noch einmal betont. Die Grundrechte verbieten aber nach Auffassung des Bundesverfassungsgerichts einen Abschuss. Schäubles Vorschlag würde daran nichts ändern."

Durch eine Verfassungsänderung sei die aktuelle Rechtslage also keinesfalls auszuhebeln, zumal das Grundgesetz bestimmte Grundwerte wie insbesondere die Menschenwürde für unabänderlich erklärt. "Meines Erachtens sollte das Bundesverfassungsgericht seine Entscheidung zum Luftsicherheitsgesetz aber überdenken", betont Linke. "Die Begründung des Urteils rückt auch andere Polizeimaßnahmen, bei denen Unschuldige zu Schaden kommen könnten, in ein schiefes Licht." Außerdem provoziere das Urteil möglicherweise, dass sich Verbrecher künftig vermehrt hinter unschuldigen Geiseln versteckten. Linke: "Ich würde es begrüßen, wenn der Sachverhalt erneut nach Karlsruhe gebracht werden könnte."


Kontakt:
Dr. Tobias Linke
Institut für Öffentliches Recht der Universität Bonn
Telefon: 0228/73-7019
E-Mail: tobias.linke@jura.uni-bonn.de






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