10. Juni 2007

George W. Bush ist kein ultrachristlicher Eiferer George W. Bush ist kein ultrachristlicher Eiferer

Linguistin der Uni Bonn findet in Radioansprachen des US-Präsidenten nur wenig religiöse Motive

George W. Bush wird hierzulande oft als religiöser Eiferer dargestellt, der den Irakkrieg als eine Art privaten Kreuzzug betreibt. Eine Linguistin der Universität Bonn hat abgeklopft, was an diesem Klischeebild dran ist. Dazu hat sie 50 Radioansprachen des US-Präsidenten zum Irakkrieg analysiert. Erstaunliches Ergebnis: Begriffe wie Gott, Glaube oder Beten finden sich nur selten. Lediglich zu Ostern, Weihnachten oder Thanksgiving greift Bush häufiger zu religiösen Formulierungen. Diese "großen" Reden sind es aber, die in Deutschland hauptsächlich wahrgenommen wurden.

Ganze achtmal benutzte Bush zwischen 2002 und 2004 in seinen Ansprachen zum Irakkrieg das Wort "God" - davon siebenmal zu wichtigen Feiertagen wie Ostern, Weihnachten, Thanksgiving oder dem Unabhängigkeitstag. Ähnlich sieht es aus mit "pray" (elfmal gesamt/siebenmal zu hohen Festen) und "believe" (achtmal gesamt, davon aber nur einmal, in der Woche vor Ostern 2003, in einem explizit religiösen Zusammenhang). "Das Ergebnis hat mich völlig überrascht", sagt die Bonner Linguistin Lisanna Görtz: "Schließlich steht es im krassen Gegensatz zu dem Bild, das hierzulande von George W. Bush gemalt wird."


In ihrer Magisterarbeit hat Görtz die wöchentlichen Radioansprachen des US-Präsidenten analysiert. Diese Reden lassen sich besonders gut vergleichen: Sie sind stets gleich lang, die rhetorische Situation ist immer dieselbe, es gibt keinen Interviewer, der den Gesprächsverlauf beeinflusst. Erstmals thematisierte Bush im Herbst 2002 den Irak. Seitdem dominierten Saddam Hussein und der Krieg die Radioansprachen: Bis zum Beginn des US-Wahlkampfs Ende 2004 kam das Thema durchschnittlich alle zwei Wochen zur Sprache.


Lisanna Görtz hat untersucht, mit welchen rhetorischen Mitteln George W. Bush sein Volk auf den Irakkrieg einstimmt - und wie sich zum Beispiel das Feindbild im Laufe des Konflikts verändert. Dabei beobachtet sie drei unterschiedliche Phasen in der präsidialen Kriegsrhetorik: Vor dem Konflikt nutzt Bush die Person Saddam Husseins als Feindbild - allerdings mit gebremstem Schaum: "Die Reden sind vergleichsweise nüchtern", betont die Linguistin. "Er spricht beispielsweise zwar von Folter, bleibt dabei aber abstrakt." Immer wieder betont Bush dabei die Bedrohung, die von den (angeblichen) Massenvernichtungswaffen Saddams für die USA ausgingen.


Der Tonfall ändert sich mit Kriegseintritt drastisch: "Dissidenten im Irak werden gefoltert [?], ihre Hände, Füße und Zungen werden abgeschnitten, ihre Augen ausgedrückt", sagt der US-Präsident in seiner Ansprache vom 15. März 2003. Er schreibt diese Greueltaten aber nicht mehr der Person Saddam Hussein zu, sondern dem Regime insgesamt.


Schon direkt nach Kriegsende stimmt Bush die US-amerikanischen Bürger auf ein Fortdauern der Konflikts ein: Aus dem Kampf gegen eine Diktatur wird ein Kampf gegen den Terrorismus. "Dabei legt er sich nicht auf Schlüsselfiguren wie Osama bin Laden fest", erklärt Görtz. "Wer genau der Feind ist, bleibt ebenso im Vagen wie das Territorium, auf dem der Kampf ausgetragen wird."


Kulturell bedingte Missverständnisse


Seit Kriegsbeginn rechtfertigt der Präsident den Einsatz amerikanischer Soldaten zunehmend mit der Verteidigung von Freiheit und Demokratie. "Dies ist aber kein Argumentationsmuster, das George W. Bush erfunden hätte", betont die Linguistin. "Seit jeher verstehen sich die USA als Verteidiger wichtiger Werte." Als Einwanderungsland hätten sich die USA eine Art Zivilreligion gegeben mit dem Präsidenten als Hohepriester: "Was die Bürger trotz ihrer unterschiedlichen kulturellen Hintergründe eint, ist der Glaube an gemeinsame Werte, der sich auch in omnipräsenten Symbolen wie dem Sternenbanner ausdrückt."


In deutschen Ohren klinge es vielleicht befremdlich, wenn sich Bush voller Pathos auf die Verteidigung dieser Werte berufe. Für einen US-Politiker sei diese Rhetorik aber völlig normal. "Bush ist konservativ, Bush ist patriotisch, Bush ist religiös", zieht Lisanna Görtz ein Fazit. "In seinen Radioansprachen äußert sich das aber nicht mehr als in den Reden anderer Politiker in Nordamerika auch."


Schade findet Görtz, dass dieser unterschiedliche kulturelle Hintergrund so oft zu Missverständnissen führt: Man versteht vielleicht die Sprache, interpretiert das, was gesagt wird, aber falsch. Hinter der verzerrten Wahrnehmung Bushs stecken ihrer Meinung nach jedoch möglicherweise noch weitere Gründe: Schließlich ließen sich die religiösen Passagen in den Präsidentenreden auch hervorragend instrumentalisieren, um Stimmung gegen Bush und seine Kriegspläne zu schüren.



Kontakt:

Lisanna Görtz


Institut für Anglistik, Amerikanistik

und Keltologie der Universität Bonn


Telefon: 0163/2527-216


E-Mail: goertz@culturaldiplomacy.org





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