26. April 2009

2,6-Tonnen-Gerät durchleuchtet fossile Gehörknöchelchen 2,6-Tonnen-Gerät durchleuchtet fossile Gehörknöchelchen

Deutschland-Premiere: Bonner Paläontologen bekommen einen Mikro-Computertomographen

Je kleiner die Dinge, desto größer die Instrumente, mit denen man sie untersucht: Am Steinmann-Institut der Universität Bonn hat kürzlich ein Spezial-Röntgengerät seinen Dienst angetreten " im Keller und nicht im 1. Stock, wie ursprünglich geplant. Dafür war der so genannte Mikro-Computertomograph mit seinen 2.600 Kilogramm Gewicht einfach zu schwer. Mit dem Gerät lassen sich Strukturen im Innern uralter Fossilien sichtbar machen, die nur Bruchteile von Millimetern groß sind. Bislang mussten die wertvollen Funde dafür aufgesägt werden. Das ist nun dank moderner Technik nicht mehr nötig. Deutschlandweit ist es der erste hochauflösende Mikro-Computertomograph, der in der Paläontologie eingesetzt wird.

Bild 2,6-Tonnen-Gerät durchleuchtet fossile Gehörknöchelchen
Bild 2,6-Tonnen-Gerät durchleuchtet fossile Gehörknöchelchen © Universität Bonn
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"Museums-Kustoden reagieren ziemlich humorlos, wenn man mit dem Ansinnen herantritt, die schönen Schädel in ihren Sammlungen aufzusägen." Professor Dr. Thomas Martin lacht. "Verständlicher Weise; oft sind die Funde unersetzlich." Das neue Mikro-CT macht derartige Brachial-Eingriffe künftig unnötig. Ähnlich wie ein ganz normales Röntgengerät durchleuchtet es Fossilien einfach, ohne sie zu zerstören. Im Gegensatz zur konventionellen Röntgentechnik lassen sich mit dem Gerät allerdings dreidimensionale Aufnahmen anfertigen. Der Computer kann daraus plastische Modelle rekonstruieren. Die Strahlendosis ist extrem hoch; daher lassen sich auch noch feinste Strukturen sichtbar machen. "Für lebende Organismen ist das Mikro-CT nicht geeignet", sagt der geschäftsführende Direktor am Steinmann-Institut für Geologie, Mineralogie und Paläontologie lakonisch. "Für tote aber umso besser."

Die Bonner Fossilforscher wollen mit dem Gerät unter anderem das Innenohr längst ausgestorbener Tiere untersuchen. In ihrem Focus steht dabei vor allem die winzige Gehörschnecke. Bei modernen Säugetieren ist sie aufgerollt " beim Menschen in knapp drei, beim Meerschweinchen gar in vier Windungen. Das macht die Ohren empfindlicher. Bei den noch heute lebenden, aber sehr ursprünglichen Schnabeltieren ist die Gehörschnecke dagegen gestreckt: Sie ist eher ein Stäbchen als eine Schnecke. "Durch die Untersuchung des Innenohrs fossiler und heutiger Säuger können wir die Evolution dieses Merkmals nachvollziehen", hofft Professor Martin. "Dadurch wollen wir auch neue Erkenntnisse zur Stammesgeschichte der Säugetiere gewinnen." Die Hörschnecke liefert zudem eine Antwort auf die Frage, wie sehr sich frühen Säuger bei der Jagd auf ihre Ohren verlassen konnten. Daraus lassen sich möglicherweise Rückschlüsse auf ihr Beutespektrum ziehen.

Eigens für die Anlieferung des 550.000-Euro-Geräts musste die Kellerwand des Instituts aufgesägt werden. Ein Kran mit einem 40 Meter langen Teleskoparm hievte die Röntgenanlage dann an die richtige Stelle. In den USA gilt die Mikro-Computertomographie mittlerweile als Standardtechnik, auf die kein Spitzenforschungs-Institut mehr verzichten kann. In Deutschland übernehmen die Bonner Fossilkundler jedoch (noch) eine Vorreiterrolle. "Meines Wissens gibt es hierzulande kein weiteres paläontologisches Institut, das ein solches Instrument sein Eigen nennen würde", betont Thomas Martin nicht ohne Stolz.

Aus seiner Sicht ist die Situation ähnlich wie in den 1960er Jahren. Damals machte das Paläontologische Institut mit der Anschaffung eines Rasterelektronenmikroskops Schlagzeilen. Martin: "Diese Technik war damals noch so exotisch, dass selbst US-Forscher eigens anreisten, um mit unserem Gerät zu arbeiten."


Kontakt:
Professor Dr. Thomas Martin
Steinmann-Institut für Geologie, Mineralogie und Paläontologie
Universität Bonn
Telefon: 0228/73-4803
E-Mail: tmartin@uni-bonn.de





Bilder zu dieser Pressemitteilung:

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Ein 40-Meter-Kran wuchtete den High-Tech-Würfel an die passende Stelle. (c) Georg Oleschinski, Universität Bonn



Bei Dryolestiden, Vorläufern der modernen Säugetiere, beschreibt die Gehörschnecke (fachsprachlich: Cochlea) eine Windung von nur 270 Grad. Beim Menschen sind es fast drei Windungen - unsere Ohren sind daher vermutlich weitaus empfindlicher.




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