16. September 2025

Personalisierte Medizin für schweres Asthma Personalisierte Medizin für schweres Asthma

Neues Testverfahren unterstützt die Auswahl passender Antikörpertherapien

Für weltweit über 13 Millionen Menschen mit schwerem Asthma bieten Antikörpertherapien neue Hoffnung – teils bis zur Remission. Seit 2016 nimmt die Zahl von zugelassenen Antikörpern in der Asthmabehandlung kontinuierlich zu – aber wie lässt sich herausfinden, welcher Antikörper wem am besten hilft? Prof. Dr. Gudrun Ulrich-Merzenich und Bernd Merzenich haben gemeinsam mit ihren klinischen Kolleg*innen am Universitätsklinikum Bonn und mit Unterstützung der Universität Bonn ein innovatives Testverfahren zur Unterstützung der Antikörper-Auswahl zur Behandlung von schwerem Asthma entwickelt. Es kombiniert 30 genetische Marker mit klinischen und labordiagnostischen Parametern, um mittels eines spezifischen Algorithmus individuelle Asthma-Profile zu erstellen. So lassen sich Asthma-Subtypen differenzieren, um passende Antikörpertherapien gezielter auswählen zu können – das soll Zeit und Kosten sparen sowie suboptimale Therapieversuche vermeiden.

Im Interview erläutern Prof. Dr. Gudrun Ulrich-Merzenich und Bernd Merzenich, welchen Fortschritt das Diagnosetool AsthmaPanel für Patient*innen, Ärzt*innen und das Gesundheitswesen bedeuten kann, wie die Patentierung und die Vorbereitung der Markteinführung verlaufen – und geben Tipps für Wissenschaftler*innen.

Bernd Merzenich und Prof. Dr. Gudrun Ulrich-Merzenich (Universitätsklinikum Bonn) haben ein innovatives Testverfahren zur Unterstützung der Antikörper-Auswahl zur Behandlung von schwerem Asthma entwickelt.
Bernd Merzenich und Prof. Dr. Gudrun Ulrich-Merzenich (Universitätsklinikum Bonn) haben ein innovatives Testverfahren zur Unterstützung der Antikörper-Auswahl zur Behandlung von schwerem Asthma entwickelt. © AG Synergieforschung und Experimentelle Medizin, UKB
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Wie ist die Idee zum AsthmaPanel entstanden?

Prof. Gudrun Ulrich-Merzenich: Im Rahmen unserer Forschung zu Asthma ist uns aufgefallen, dass es noch keine ausreichend differenzierte Methode gab, um zu ermitteln, welcher Antikörper für welchen Patienten mit schwerem Asthma am besten geeignet ist. Diese Fragestellung wird zunehmend relevant, da weltweit ca. 260 Millionen Menschen an Asthma leiden, davon fünf bis zehn Prozent an schwerem unkontrolliertem Asthma, für dessen Behandlung Antikörper infrage kommen. Gleichzeitig steigt die Anzahl an Antikörpern, die zur Therapie entwickelt werden, kontinuierlich. Die Antikörpertherapien sind zwar kostenintensiv (zwischen etwa 10.000 und 20.000 € pro Patient und Jahr), aber sie könnten Patienten dauerhaft in die Remission bringen. Vor diesem Hintergrund haben wir ein Verfahren entwickelt, das eine personalisierte Therapieentscheidung unterstützen soll.

Welche Grenzen bestehen bei den herkömmlichen Methoden zur Differenzierung von Asthma-Subtypen?

Prof. Gudrun Ulrich-Merzenich: Bisher wird nach klinischer Symptomatik und dem Phänotyp nach der ABCD-Regel entschieden: A (Allergie und Alter bei Krankheitsbeginn), B (Biomarker hier: Eos, FeNo), C (Co-Morbiditäten), D (Dosierungsintervall). Dies sind eher „grobe“ Kriterien im Vergleich zu einem individuellen molekularbiologischen Profil (mit 30 Markern), das eine viel differenziertere zusätzliche Charakterisierung erlaubt. Genau das wird übrigens schon lange von Fachärzten gefordert.

Welche Vorteile bietet das diagnostische Testverfahren AsthmaPanel?

Prof. Gudrun Ulrich-Merzenich: Das Verfahren soll eine zielgenaue(re) und personalisierte Prognose der Therapieansprache auf den jeweiligen Antikörper erlauben. Für Ärzte ist der Vorteil, dass die Prognosesicherheit erhöht wird, welcher Antikörper der am besten geeignete ist, ohne gegebenenfalls längere Zeit herumzuprobieren, welcher Antikörper tatsächlich hilft. Für Patienten ist der Vorteil, dass sie schneller mit dem am besten geeigneten Antikörper behandelt werden können. Für das Gesundheitswesen ist der Vorteil, dass Kosten für suboptimale Antikörperbehandlungen so weit wie möglich vermieden werden.

Bernd Merzenich: Die Antikörper-Behandlung bei schwerem Asthma ist lebenslänglich erforderlich. Es macht Sinn, in gewissen Abständen zu überprüfen, ob der gegebene Antikörper noch optimal wirkt oder ob ein Wechsel des Antikörpers sinnvoll ist. Auch dafür ist unser Diagnosetool geeignet.

Wie funktioniert AsthmaPanel?

Bernd Merzenich: AsthmaPanel ist ein PCR-basiertes Diagnostikverfahren, das speziell ausgewählte und miteinander kombinierte genetische Marker mit üblichen klinischen Parametern koppelt. Das Verfahren besteht aus zwei wesentlichen Komponenten: Einem von uns entwickelten spezifischen Marker-Panel in Form einer PCR-Mikrotiterplatte als „Hardware“, die kompatibel mit handelsüblichen PCR-Geräten ist, und einem Algorithmus als „Software“, der die Genexpressionsdaten in Kombination mit den klinischen Parametern spezifisch gewichtet. Daraus leiten wir dann eine Zuordnung der Patienten zu bestimmten Subtypen von Asthma ab.

Prof. Gudrun Ulrich-Merzenich: Praktisch würde das bedeuten: Die behandelnden Ärzte würden ihren Patienten eine Blutprobe entnehmen und diese an ein Diagnostiklabor senden, die das PCR-basierte Verfahren durchführen. Die Fachlabore würden unsere Auswertungssoftware erhalten, die wir zurzeit entwickeln. Darüber hinaus ist keine besondere Ausstattung notwendig, auch die Zeitabläufe wären ähnlich zu anderen Labortests, die auf RT-PCR basieren – in der Regel ein bis drei Tage. Ärzte hätten so sehr schnell eine Entscheidungshilfe.

Wurde die Methode an Patientenproben getestet?

Prof. Gudrun Ulrich-Merzenich: Ja, wir bearbeiten zurzeit ca. 650 Proben von ca. 220 Patienten. Wir können die Subtypen definieren und arbeiten zurzeit daran, die Güte der Prognose weiter zu optimieren.

Wann wurde Ihnen klar, dass Sie Ihre Erfindung schutzrechtlich sichern müssen? War das Thema Patente für Sie Neuland oder hatten Sie bereits Erfahrung damit?

Prof. Gudrun Ulrich-Merzenich: Nachdem uns durch eigene Recherchen deutlich wurde, dass offensichtlich noch kein entsprechendes Asthma-Endotypisierungstool existiert, haben wir sehr zeitnah eine Erfindungsmeldung an die Universität Bonn gegeben, die dann von PROvendis begutachtet und als patentfähige Erfindung bewertet wurde. Die Universität Bonn fördert zudem intensiv translationale Forschung, bei der Ideen aus dem Labor schnell in die Praxis gelangen und möglichst patentiert werden sollen. Insofern begleitet die Frage der Patentierbarkeit von Forschungsergebnissen die Wissenschaftler heute viel häufiger als früher.

Bernd Merzenich: Durch berufliche Vorerfahrungen bin ich bereits mit dem Patentierungsprozess in Berührung gekommen, allerdings in einem anderen fachlichen Gebiet – der Labortechnik. Die Komplexität der molekularbiologischen Fragestellungen, die uns bei der Patentierung von AsthmaPanel beschäftigen, ist für mich deutlich herausfordernder.

Welche Tipps würden Sie anderen Forschenden geben, die ebenfalls überlegen, ihre Idee schützen zu lassen?

Prof. Gudrun Ulrich-Merzenich: Ich würde empfehlen, die an der Universität vorhandenen Strukturen und die entsprechende Unterstützung auch der universitären Partner zu suchen und zu nutzen. Es gibt etablierte Prozesse zur Erfindungsmeldung. Im ersten Schritt ist es sinnvoll, ein Erfindungsprüfungsverfahren durchzuführen – darüber haben wir dann auch PROvendis kennengelernt. Es kam zu einem ersten Beratungsgespräch mit Prof. Frank Entschladen, Manager für Patente und Lizenzen bei PROvendis, der die richtigen Fragen stellte, um unsere Idee besser strukturieren und einordnen zu können. Wir hatten zunächst nur „Klinik“ im Sinn. Von ihm haben wir weitere Tipps für die mögliche Nutzung unserer Erfindung erhalten.

Bernd Merzenich: In unserem Fall waren ein langer Atem und Durchhaltevermögen hilfreich. Durch die Komplexität unserer Erfindung war unsere Patentanmeldung streckenweise wie Marathonlaufen. Ein weiterer ganz wichtiger Punkt ist die Geheimhaltung: Solange der Patentanwalt die Veröffentlichung nicht freigibt, sollte die Erfindung nicht durch Veröffentlichungen in Publikationen oder bei Vorträgen auf Kongressen gefährdet werden. Die Freigabe erfolgt, wenn die Patentanmeldung beim ersten Patentamt eingegangen und somit geschützt ist.

Wie haben Sie die Zusammenarbeit mit PROvendis erlebt?

Prof. Gudrun Ulrich-Merzenich: Wir haben von Anfang an eine sehr gute Unterstützung bezüglich der Anmeldestrategie, der Auswahl der Anwaltskanzlei oder der Formulierung unserer Patentansprüche durch PROvendis erhalten. Dies ist in der Regel Neuland für Wissenschaftler, auch wenn wir schon ein paar Vorerfahrungen mit der Anmeldung eines deutlich weniger komplexen Industriepatents hatten. Bei einer Patentanmeldung spielen auch strategische Überlegungen eine Rolle, die von erfahrenen Experten sehr gut eingeschätzt werden können.

PROvendis hat uns mehrfach bei der Beantragung von Fördermitteln unterstützt, insbesondere durch Markt- und IP-Gutachten. In Einzelfällen erhielten wir auf Anfrage kritisches Feedback zu Teilen von Förderanträgen und PROvendis gab Hinweise zu Veranstaltungen zur Präsentation unseres Projekts.

Bernd Merzenich: Ich habe Module des kostenlosen E-Learnings „IP-Führerschein“ von PROvendis absolviert. Das war für Antragstellungen, insbesondere die Entwicklung und Beschreibung von IP-Konzepten, sowie für die Formulierung einer IP-Strategie für unser Projekt sehr hilfreich.

Haben Sie über eine Unternehmensgründung nachgedacht bzw. arbeiten Sie auf ein Spin-off hin?

Bernd Merzenich: Wir denken eher an eine Unternehmensgründung mit dem Ziel, unsere Erfindung bzw. Produktentwicklung gemeinsam mit einem Investor wirtschaftlich zu verwerten.

Was sind die nächsten konkreten Schritte in Ihrem Projekt?

Bernd Merzenich: Wir freuen uns, die noch offenen konzeptionellen Fragen mit einer weiteren Projektförderung, die wir ab Herbst 2025 erhalten, abschließen zu können.

Danach können wir in die konkrete technische Produktentwicklung einsteigen und die Software entwickeln. Zudem steht dann die Vorbereitung des Zulassungsverfahrens als In-vitro-Diagnostikum (IVD), also als Medizinprodukt gemäß MDR/IVDR bzw. ISO 13485, an. Die IVD-Zulassung ist ein wesentliches Ziel unserer Produktentwicklung. Wir haben unser Team für diesen Bereich (Product Engineering, Quality Management und Regulatory Affairs) gezielt durch einen international erfahrenen Experten verstärkt und wollen gezielt mit KMUs im Bereich der MDR/IVDR- bzw. ISO 13485-konformen Produkt- und Softwareentwicklung kooperieren.

Deshalb haben wir alle relevanten Aspekte unserer Projektentwicklung bereits auf die entsprechende Zulassungsfähigkeit ausgerichtet. Wir können nur empfehlen, so früh wie möglich bei derartigen Projekten den „Intended Purpose“ und die „User Requirements“ sowie die daraus resultierende regulatorische Strategie klar zu definieren.

Welchen gesellschaftlichen oder wirtschaftlichen Impact kann Ihre Erfindung langfristig haben?

Prof. Gudrun Ulrich-Merzenich: Mit unserer Erfindung wollen wir einen Beitrag zur personalisierten Medizin leisten – sowohl in der Diagnose und in der Therapieauswahl als auch im dauerhaften Monitoring einer lebenslangen Erkrankung. Die Kombination unseres Marker-Panels mit dem Algorithmus zur Auswertung und Subtypisierung ist eine Digitalisierung der Asthma-Behandlung, die zukünftig mittels KI weiterentwickelt werden kann. Damit sollen Diagnose und Monitoring von schwerem Asthma einfacher und zielgenauer werden und eine bessere Unterstützung der Ärzte ermöglichen. Aktuell sind die Kosten für Antikörperbehandlungen hoch. Darauf haben wir leider keinen Einfluss. Aber wir möchten mit unserem Verfahren dazu beitragen, die teuren Antikörper so effizient wie möglich einzusetzen.

Könnte das Testverfahren auch bei der Diagnose anderer Krankheiten helfen?

Prof. Gudrun Ulrich-Merzenich: Inwieweit das Testverfahren prinzipiell auch auf andere Krankheiten anwendbar ist, werden wir in den kommenden Monaten prüfen. Wir halten es für wahrscheinlich, dass sich unser Verfahren auch auf weitere Krankheitsentitäten anwenden lässt. Damit bestünde die Möglichkeit, unsere Erfindung zu einer Technologieplattform weiter zu entwickeln.

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