02. April 2007

Die Mafia medial verklärtes Phänomen Die Mafia medial verklärtes Phänomen

Dissertation ging dem Mythos Mafia auf die Spur

Um die sizilianische Mafia ranken sich viele Mythen: Die Einen halten sie für eine verschworene Geheimgesellschaft prinzipientreuer Ehrenmänner, die anderen für aalglatte Bösewichte im Anzug mit Goldkettchen oder ganz nüchtern für einen kriminellen Wirtschaftszweig mit Milliardenumsätzen. Gudrun Dietz ging in ihrer Dissertation an der Universität Bonn der Frage nach, wie Literatur und Film zur Mythisierung der Mafia beitragen. Geleitet wurde sie dabei durch eigene Erfahrungen, die sie in einem einjährigen Aufenthalt in Italien machte.

Die Dissertation, die von Prof. Dr Paul Geyer betreut wurde, konzentrierte sich auf die Analyse von jeweils vier Büchern und Filmen unterschiedlicher Genres und Blickwinkel. Ein Kernpunkt in der Mythisierung der Mafia: Ihre scheinbare Allmächtigkeit. Wie stellt sich ein Mythos der Mafia in ihnen dar, wie wird er umgesetzt? In Giuseppe Favas "Ehrenwerte Leute" basiert der Mythos der Allmacht insbesondere auf der "Mauer des Schweigens", der omertà, die die Mafia so geheimnisvoll wie gefährlich werden lässt. Leonardo Sciascia zeichnet in seinem Roman "Der Tag der Eule" gar ein fatalistisch-allmächtiges Bild der Mafia.

 

Der Pate als "Held und Beschützer"

 

 

Eine ganz anders gefärbte Vorstellung entwirft der oscarprämierte Film "Der Pate" von Francis Coppola: Insbesondere der erste Teil der Trilogie zeigt den Mafioso als fürsorglichen Familienvater " Held und Beschützer seines Clans, romantisiert, idealisiert. "Der Film veränderte die Wahrnehmung der Mafia in der Gesellschaft völlig. Don Corleone wurde zum Inbegriff des "Ehrenmannes" schlechthin", sagt Gudrun Dietz. Dass gerade dieser Mythos sich so breit durchsetzen konnte, überrascht sie wenig: "Im Prinzip bedient "Der Pate I" die Sehnsucht seines Publikums, an der funktionierenden Familieneinheit der Corleones sowie der Macht und Autorität des "Paten" teilzuhaben. Die romantisierte Verzerrung des Mafiabildes färbte auch auf viele Mafiosi ab, die versuchten, Don Corleone nachzuahmen."

 

Ebenso erschreckend wie interessant: der Mythos, den ein Mafioso selbst von der Mafia entwirft. Unter dem Pseudonym "Anonymus" vermittelt ein Mitglied nüchtern und autobiografisch "[S]ein Leben für die Mafia". "Anonymus betont in seinem Buch, dass er kein anderes Leben wählen würde und nichts bereue. Seine Identität hat er im Prinzip erst in der Mafia gefunden", erklärt Gudrun Dietz.

 

So unterschiedlich die medialen Darstellungen der Mafia auch sind - erkennbar wurde für Gudrun Dietz während ihrer Untersuchungen vor allem eines: der Glaube an die Unbesiegbarkeit der Mafia. Die Autorin selbst ist geprägt durch persönliche Erfahrungen: 1997 lebte sie ein Jahr in Neapel, zu Zeiten einer Mordserie der neapolitanischen camorra. "Die Reaktion der Neapolitaner blieb aus. Niemand war dazu bereit, sich über das Thema auch nur zu unterhalten", berichtet Dietz. "Bedenklich ist in meinen Augen, dass die Anti-Mafia-Bewegung noch zu wenig Rückhalt erfährt. Die Mafia, camorra und `ndrangheta sind in Italien leider immer noch für viele Menschen Tabuthemen, notwendige Übel, die man akzeptiert hat." Sie ist dennoch der Meinung, die Realität könne den Mythos der allmächtigen Mafia einholen: "Vorausgesetzt, es liegt im Interesse der Gesellschaft, des Staates und der Politik."

 

Unterstützt wurde Gudrun Dietz durch ihre Co-Betreuerin Prof. Dr. Letizia Paoli. Die Kriminologin ist eine der besten Kennerinnen der Organisationsstruktur und inneren Entwicklung der Mafia. Dietz selbst lässt das Phänomen Mafia " so schwer erfassbar und doch oder gerade deshalb so faszinierend " nicht los: Ihre nächste Studie ist bereits in Arbeit.

 

 

Kontakt für die Medien:
Dr. Gudrun Dietz
Romanisches Institut
Telefon: 0171/7847062
E-Mail: g.dietz07@web.de

 

 

 

 

 

 

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