07. Januar 2015

Kunststoff-Band repariert durchlässige Herzklappe Kunststoff-Band repariert durchlässige Herzklappe

Neuartige Alternative zur Herzoperation für Hochrisiko-Patienten in Bonn

Keine Treppe konnte Marianne L. mehr ohne Qual hochgehen, denn sie litt zunehmend unter Atemnot. Ursache war eine undichte Mitralklappe. Doch eine Operation unter Einsatz der Herzlungenmaschine war für die 79-Jährige zu risikoreich. Eine schonende und neuartige Alternative bieten seit kurzem Kardiologen des Universitätsklinikums Bonn als erste im Bonner Raum an. Dabei ziehen sie mit einem per Katheter implantierten Spezial-Band die ausgeleierte Klappenöffnung wieder zusammen und dichten so die Mitralklappe ganz ohne Operation ab. Bisher behandelte die Uni-Kardiologie sieben Patienten mit großartigem Erfolg.

Erfolgreicher Eingriff:
Erfolgreicher Eingriff: - Prof. Georg Nickenig erklärt seiner Patientin Marianne L. den Eingriff. © Rolf Müller / UK Bonn
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Diagnose Mitralklappeninsuffizienz: Sie bekam oft nur schwer Luft und ihr Puls raste. „Irgendwie war mein Herz aus dem Gleis gekommen“, sagt Marianne L. Denn die Öffnung ihrer Mitralklappe hatte sich soweit vergrößert, dass sich die beiden Klappensegel nicht mehr trafen. Somit floss bei einem Herzschlag Blut aus der linken Herzkammer wieder zurück in den linken Vorhof. Ihr Herz war im Dauerstress. Bei dem Standard-Verfahren nähen Chirurgen auf den Mitralklappenring einen so genannten Annuloplastie-Ring, den sie dann soweit zusammenziehen bis die ursprüngliche Öffnung der Herzklappe wieder erreicht ist. „Doch das Risiko für einen großen herzchirurgischen Eingriff war für unsere Patientin viel zu groß“, sagt Prof. Dr. Georg Nickenig, Direktor der Medizinischen Klinik II des Universitätsklinikums Bonn.

Daher schlug er Marianne L. vor, die Herzklappe mit einer neuartigen, aber schonenden Alternative abzudichten. Diese Methode mittels Katheter erfordert jedoch einen erfahrenen Kardiologen, so dass nur sechs führende europäische Zentren an der derzeitigen Studie beteiligt sind – darunter auch die Kardiologie am Universitätsklinikum Bonn. „Das Knifflige dabei ist, das künstliche Band exakt zu platzieren und im Bindegewebe des Mitralklappenrings zu befestigen“, betont Prof. Nickenig.

Draht zieht Öffnung zusammen

Dazu führen er und sein Team mittels einer speziellen Katheter-Vorrichtung ein so genanntes Cardioband aus Kunststoff über die Leistenvene bis zum rechten Herzen. Über die Vorhofscheidewand geht es von dort weiter in den linken Vorhof. Am Mitralklappenring angekommen befestigen die Bonner Uni-Kardiologen das Band mit etwa zehn kleinen Schrauben in Form eines Halbmondes im Bindegewebe. Dann ziehen sie an einem Draht, der wir eine Wäscheleine um das Band gewunden ist. „Dadurch wird die Öffnung der Mitralklappe kleiner und irgendwann treffen sich die Klappensegel wieder“, erklärt Prof. Nickenig. Dann verankern die Kardiologen die Enden und der künstliche Klappenring wächst mit der Zeit ein.

Millimeter genaue Anpassung des künstlichen Klappenrings

Die Mitralklappeninsuffizienz ist ein häufiger Herzfehler vor allem im Alter. Das neuartige Verfahren bringt erhebliche Vorteile für ausgewählte Patienten. Damit kann auf die Herz-Lungen-Maschine verzichtet werden, die bei einer Operation die Arbeit des ruhiggestellten Herzens übernimmt. Denn ihr Einsatz belastet gerade ältere Patienten mit sehr schlechtem Allgemeinzustand und kann unter Umständen zum Tode führen. Zudem wird die Größe des Cardiobandes im Unterschied zum chirurgischen Eingriff am schlagenden Herzen auf den Millimeter genau eingestellt. „Wir können direkt sehen, ob die Klappe wieder richtig schließt“, sagt Prof. Nickenig.

Weltweit profitierten bisher 32 Patienten von dieser neuartigen Technik - davon sieben in Bonn. Die Ergebnisse sind gut und die Patienten erholten sich nach dem Eingriff schnell. Die Bonner Kardiologen können das mit ihren eigenen Erfahrungen bestätigen. Das Bonner Team ist das einzige weltweit, dass diese Prozeduren selbständig durchführt. Marianne L. konnte nach drei Tagen mit ihrem Rollator wieder allein über den Flur gehen: „Mein Alltag läuft wieder. Luftnot kenne ich gar nicht mehr.“ So erfreut sich die 79-Jährige mit den entsprechenden altersbedingten Pausen erneut an der Arbeit in ihrem Garten.

Kontakt:

Prof. Dr. Georg Nickenig
Direktor der Medizinischen Klinik II des Universitätsklinikums Bonn
Telefon: 0228/287-15217
E-Mail: georg.nickenig@ukb.uni-bonn.de

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