12. April 2019

„Wettertechnisch so ziemlich am schlimmsten Ort der Erde“ „Wettertechnisch so ziemlich am schlimmsten Ort der Erde“

Mit Wind, Kälte und Wellen kämpft zurzeit Privatdozent Dr. Michael E. Weber vom Institut für Geowissenschaften und Meteorologie der Universität Bonn im südlichen Scotiameer. Als Expeditionsleiter befindet er sich noch bis 20. Mai auf dem Forschungsschiff „Joides Resolution“. Die Expedition erforscht den Eismassenverlust der Antarktis.

An Bord der Joides Resolution:
An Bord der Joides Resolution: - Michael Weber (rechts), Mo Raymo (Mitte) und Trevor Williams (links). © Foto: Michael Weber
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Herr Weber, wo sind Sie gerade unterwegs?


Wir sind momentan am Polarkreis unterwegs, im südlichen Scotiameer. Das grenzt nördlich an das Weddellmeer. Genauer gesagt befinden wir uns im Dove-Becken, ein Tiefsseebecken, das ca. 3.5 km unter der Wasserlinie liegt.

Wie ist das Wetter?


Wir befinden uns östlich der Drake Passage. Diese zählt zu den windigsten Gebieten auf unserem Planeten. Windgeschwindigkeiten von 80-100 Stundenkilometern sind hier an der Tagesordnung. Wir haben noch Glück momentan. Zwar messen wir auch solche Windspitzen auf dem Schiff, aber in der Regel sind wir trotzdem voll operationsfähig. Momentan (11 Uhr morgens) haben wir 50 Stundenkilometer Windgeschwindigkeit. Für heute Abend sind 90 km vorhergesagt.

Die Temperaturen sind um den Gefrierpunkt. Aufgrund des Windes ist die gefühlte Temperatur jedoch deutlich kälter und bei Starkwind ist es kein Vergnügen, den warmen Schiffskörper zu verlassen und auf dem Außendeck zu stehen. Es bildet sich manchmal auch Eis auf den glatten Eisenböden. Dann sind Außenarbeiten regelrecht gefährlich.

Lässt es sich bei diesen extremen Bedingungen überhaupt noch arbeiten?


Das größte Problem sind die Wellen. An guten Tagen sind sie 2-4 m hoch, an schlechten 6-9 m. Das beschert den meisten Wissenschaftlern an Bord, mich eingeschlossen, Übelkeit und schlechte Laune. Die Wellen stellen auch ein Problem für den Bohrbetrieb dar.

Eine weitere potentielle Gefahr besteht im Meereis. Die Meereisgrenze ist ca. 200 km südlich von uns und da hier nun Herbst ist (wir sind ja auf der Südhemisphäre) wird sich das Eis langsam nach Norden vorarbeiten. Da unser Schiff, die Joides Resolution, keine Eisklasse besitzt, bohren wir deswegen zuerst an der südlichsten Stelle und werden unsere Bohraktivitäten dann wieder weiter nach Norden, Richtung Südamerika, verlagern.

Die größte Wettergefahr besteht in den Eisbergen. Diese ist jedoch bewusst gewählt, da unsere Forschungsexpedition (Iceberg Alley) genau diese zum Ziel hat. Jeder kennt ja das Schicksal der Titanic und obwohl wir Eisberge studieren wollen, dürfen wir uns ihnen nicht zu sehr nähern. Wenn Eisberge sich in einem bestimmten Radius befinden, wird gelber Alarm ausgelöst. Die Eisbeobachter verfolgen den Kurs der Eisberge genau auf ihrem Radar. Wenn sie zu nahe kommen, gibt es roten Alarm und wir müssen das Bohrgestänge aus dem Meer ziehen und unterbrechen.

Sie sehen also, dass wir hier wettertechnisch so ziemlich am schlimmsten Ort der Erde sind. Die Wissenschaft ist aber mindestens ebenso spannend. 

Was machen Sie gerade? Was ist Ihr Job?


Ich bin der Leiter der Expedition. Als Erstantragsteller hatte ich, zusammen mit einem internationalen Team aus 20 Wissenschaftlern,  einen Antrag im System des International Ocean Drilling (IODP), der letztes Jahr genehmigt wurde. Das bedeutet, dass wir das Forschungsschiff Joides Resolution für zwei Monate nutzen können, um wissenschaftliche Ziele der Eisbergerforschung, zu realisieren. Eine solche Expedition kostet ca. 25 Millionen US-Dollar und sie können sich vorstellen, dass diese heißumkämpft und schwer zu bekommen sind.

Für die Expedition stellt das IODP, das international finanziert wird und seinen Sitz in College Station, Texas, hat einen sogenannten Staff Scientist zur Verfügung, der das Bindeglied zwischen Wissenschaft und Technik herstellt. In unserem Falle ist das Trevor Williams. Weiterhin wird ein zweiter, sogenannter Co-Chief gewählt, da in zwei Schichten an Bord rund um die Uhr gearbeitet wird. Dies ist in unserem Falle Maureen Raymo, eine renommierte amerikanische Klimaforscherin vom Lamont Doherty Institut.

Was ist das Ziel der Expedition?


Es handelt sich um die IODP Expedition 382 (Iceberg Alley). Diese findet von 20. März bis 20. Mai statt. Ziel der Expedition ist die Erforschung des Eismassenverlustes der Antarktis in der Vergangenheit und was diese Rekonstruktion über das Abschmelzverhalten des Antarktischen Eises in der Zukunft aussagen kann. Eisberge machen etwa die Hälfte des Eismassenverlustes aus. Wir sind hier in der sogenannten Iceberg Alley, dort wo die Mehrheit der antarktischen Eisberge hindriftet, nachdem sie vom Eispanzer abgebrochen sind. Hier kommen sie in Kontakt mit dem deutlich wärmeren Wasser des Antarktischen Zirkumpolarstroms. Die Eisberge schmelzen folglich und die im Eis enthaltene Geröllfracht rieselt zum Meeresboden. Auf unserer Website (https://joidesresolution.org/expedition/382/) ist eine Animation zu sehen zur Eisbergdrift, die das Abbrechen, den Driftvorgang und das Abschmelzen gut veranschaulicht. Die abrieselnde Geröllfracht bildet über Jahrtausende und Jahrmillionen am Meeresboden eine Schicht, zusammen mit dem Staub, der aus Patagonien eingeweht wird und den feinkörnigen Partikeln, die durch Meeresströmungen abgelagert werden.

Wie gehen Sie vor?


Wir bohren nun an vier Stellen in dieses Sedimentpaket, um die im Eis transportierten Gerölle zu untersuchen. Damit können wir sagen wie viele Eisberge zu bestimmten Zeiten abgebrochen sind und von wo genau in der Antarktis die Geröllfracht herkam. Somit können wir Aussagen über den Zusammenhang von Eischmelze und globalem Meeresspiegelanstieg in der Vergangenheit machen, was für künftige Prognosen von enormer Bedeutung ist.

Welche neuen Erkenntnisse haben Sie zum Ziel?


Zu entsprechenden Artikel von mir im Vorfeld (Weber et al., 2014, Nature; Bakker et al., 2016, Nature; Fogwill et al., 2017, Nature Scientific Results) hatten sie ja bereits Pressemitteilungen in Bonn herausgegeben. Diese Arbeiten decken aber nur einen kurzen Zeitraum der Vergangenheit ab (das Ende der letzten Eiszeit, also rund 20.000 Jahre), der mit Kurzbohrungen bis zu 50 Meter Bohrtiefe erreicht werden kann. Mit den Tiefbohrungen jetzt können wir nun mehrere Millionen Jahre in die Vergangenheit schauen. Dazu bedarf es eben eines Bohrschiffes wie der Joides Resolution. Wir werden an drei Stellen bis zu 600 m tief, an einer Stelle sogar bis zu 1 km tief in den Meeresboden bohren. Die Kernstationen liegen in ca. 3.5 km Wassertiefe, d. h. wir werden ein insgesamt 4.5 km langes Bohrgestänge haben. Das ist schon sehr außergewöhnlich und kann nur von wenigen Schiffen in der Welt erreicht werden. Unsere ersten Ergebnisse sind übrigens phantastisch und haben unsere Erwartungen übertroffen! 

Weitere Informationen:

Zur Expedition: https://joidesresolution.org/expedition/382/

Aktuelle Bilder: http://iodp.tamu.edu/scienceops/gallery/exp382/week1/

 

Michael Weber in Punta Arenas (Chile):
Michael Weber in Punta Arenas (Chile): - Im Hintergrund ist das Forschungsschiff Joides Resolution zu sehen. © Foto: Michael Weber
Buckelwale
Buckelwale - tummeln sich im Meer. © Foto: Michael Weber
Messung der natürlichen Gamma-Strahlung:
Messung der natürlichen Gamma-Strahlung: - Das Bild zeigt eines der High-Tech-Geräte, die an Bord verwendet werden. © Foto: Michael Weber
Das Radarbild
Das Radarbild - zeigt der Mannschaft, wo gefährliche Eisberge unterwegs sind. © Foto: Michael Weber
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