25. Oktober 2013

Wissenschaftler sehen Atomen beim Gipfelsturm zu Wissenschaftler sehen Atomen beim Gipfelsturm zu

Forscherteam beobachtet unter Beteiligung der Uni Bonn, wie Teilchen in einem Thermoelement wandern

Einem internationalen Wissenschaftlerteam ist unter Beteiligung der Universität Bonn gelungen, Atome bei der Wanderung in einem Thermoelement zu beobachten. Sie kühlten Lithium-Atome auf unter minus 273 Grad Celsius herunter und nutzten sie als eine Art Vergrößerungsglas. Die Ergebnisse aus der Grundlagenforschung könnten dabei helfen, effizienter Strom aus Abwärme zu nutzen. Die Forscher stellen ihre Resultate nun in der renommierten Fachzeitschrift „Science“ vor.

Das alltägliche Schicksal des Menschen ist, Energie in Wärme umzuwandeln: Sei es, wenn er mit dem Auto bremst oder seinen Computer benutzt. Ein Ziel ist deshalb, die überschüssige Abwärme etwa von Kraftwerken oder Motoren zur Gewinnung von mechanischer Arbeit oder elektrischem Strom zu nutzen. Ein bekanntes Beispiel einer Wärmekraftmaschine ist der Dieselmotor in Autos. Die Verbrennung des Kraftstoffes erzeugt mechanische Arbeit. Die direkte Umwandlung von Wärme in elektrischen Strom gelingt mit Thermoelementen, die erstmals von Thomas Johann Seebeck im Jahr 1821 beschrieben wurden.

Ungewöhnliches Experiment mit Atomen als „Lupe“

Wie komplexe Thermoelemente genau funktionieren, ist noch nicht im Detail verstanden. Einem internationalen Wissenschaftlerteam der ETH Zürich, der Universität Genf, des Collège de France in Paris und der École Polytechnique Palaiseau Cedex ist es unter Beteiligung der Universität Bonn gelungen, mit einem ungewöhnlichen Experiment zum grundlegenden physikalischen Verständnis von solchen Wärmemaschinen beizutragen. „Die Herausforderung ist, dass es sich bei den Thermoelementen um komplexe Festkörper handelt. Neben einem schwingenden Gitter aus Ionen gibt es die Elektronen, die in dem System umher rasen und sowohl miteinander als auch mit den Ionen wechselwirken“, berichtet Prof. Dr. Corinna Kollath vom Helmholtz-Institut für Strahlen- und Kernphysik der Universität Bonn.

Wenn ein System in der Realität einfach zu komplex ist, um es wissenschaftlich untersuchen zu können, streben die Physiker nach Vereinfachung. Genau das hat das internationale Forscherteam nach allen Regeln der Kunst gemacht: Sie kühlten Lithium-Atome ganz nah auf den absoluten Nullpunkt von unter minus 273 Grad Celsius herunter. Bei dieser kältesten Temperatur im Universum können die Atome nicht mehr als klassische Teilchen  betrachtet werden, sondern folgen den quantenmechanischen Gesetzen.

Laser hielten die Lithium-Atome wie in einem Käfig gefangen

Der Kniff der Forscher war, dass sie dieses kalte System untersuchten, als wären es nicht Atome, sondern Elektronen, die im Thermoelement die Arbeit verrichten. „Elektronen sind sehr winzig, Atome dagegen viel größer“, berichtet Prof. Kollath. „Indem wir Atome und nicht Elektronen untersuchten, war es so, als würden wir ein starkes Vergrößerungsglas zu Hilfe nehmen.“ Prof. Kollath war an der theoretischen Konzeption des Experiments beteiligt. „Es ging dabei darum, eine Versuchsanordnung zu wählen, mit der sich der Effekt der Umwandlung von Wärme in eine Atomwanderung möglichst gut beobachten ließ“, berichtet sie. Außerdem mussten die Wissenschaftler die physikalische Grundlagentheorie an das Experiment anpassen, um das System zu beschreiben - zum Beispiel waren die Reservoire für die Atome nicht unendlich groß, wie häufig in der Theorie angenommen, sondern endlich im Experiment.

Die Versuche wurden an der ETH Zürich durchgeführt. Laser hielten die stark gekühlten Lithium-Atome wie im Käfig gefangen. Die stark gekühlten Lithium-Atome waren auf eine Weise mit Laserlicht umgeben, dass sie in zwei separaten Reservoiren gefangen waren. Ein weiterer Laserstrahl trennte die Verbindungen zwischen den beiden wandlosen Kammern. Dann erwärmten die Forscher eines der beiden Reservoire und verbanden es mit der anderen Kammer. Nach der Logik der Quantenmechanik, dehnt sich das aufgeheizte Gas aus, weshalb der Druck abfallen und die Atome aus dem kälteren Reservoir in das wärmere strömen müssten. Es war aber genau das Gegenteil der Fall: Die Lithium-Atome wanderten vom wärmeren in den kälteren Raum.

Wanderung vom energetischen Tal auf den Gipfel

„Die kalten Lithium-Atome wanderten also gleichsam von einem energetischen Tal hinauf auf einen Gipfel“, beschreibt die Physikerin der Universität Bonn. Das bedeutet, dass die zugeführte Wärme durch das Verbindungsstück zwischen den Reservoiren in Arbeit der Teilchen umgewandelt wurde – genau das, was in einem Thermoelement passieren soll. Dies beobachteten die Forscher mit Hilfe von sehr hochauflösenden Mikroskopen auf der Ebene weniger Atome. „Die Effizienz unseres Systems ist extrem hoch“, sagt Prof. Kollath. Nur in sehr wenigen Elementen ist es gelungen, eine bestimmte Wärmemenge bei hoher Leistung in so viel Arbeit umzuwandeln.

Die Experimente befinden sich im Stadium der Grundlagenforschung. „Mit unserer Untersuchung können wir besser verstehen, was in komplexen Thermoelementen passiert. Das erlaubt vielleicht, dass mit diesen Kenntnissen später einmal bessere Wärmemaschinen entwickelt werden“, sagt Prof. Kollath. Doch zuerst müsse das Experiment in weiteren Schritten an die deutlich kompliziertere Realität angepasst werden. Als ersten Schritt planen die Wissenschaftler die Effekte einer Wechselwirkung zwischen den Atomen hinzuzunehmen.

Publikation: A thermoelectric heat engine with ultracold atoms, “Science”, DOI: 10.1126/science.1242308

Kontakt:

Prof. Dr. Corinna Kollath
Helmholtz-Institut für Strahlen- und Kernphysik der Universität Bonn
Tel. 0228/732637
E-Mail: corinna.kollath@uni-bonn.de

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