01. April 2014

Molekulare Ursachen psychiatrischer Erkrankungen Molekulare Ursachen psychiatrischer Erkrankungen

BMBF fördert einzigartiges Verbundprojekt mit fünf Millionen Euro. Uniklinikum Bonn koordiniert

Wissenschaftler des Universitätsklinikums Bonn koordinieren ein neues Verbundprojekt zur Erforschung der molekularen Ursachen von verbreiteten psychiatrischen Erkrankungen: Schizophrenie, bipolare Störung und schwere Depression. Das Bundesforschungsministerium fördert das Projekt in den nächsten fünf Jahren mit insgesamt fünf Millionen Euro. Bei der Auftaktveranstaltung heute am Montag, 31. März, in Bonn diskutieren die beteiligten Forscher über das Vorhaben. Es handelt sich bei dem Projekt um das bislang umfangreichste seiner Art in Deutschland.

Zu den häufigsten psychiatrischen Erkrankungen zählen Schizophrenie, bipolare Störung und schwere Depression. Während die Schizophrenie zu Beeinträchtigungen des Denkens, der Wahrnehmung und der Gefühle führt, ist die bipolare Störung durch manische Phasen mit Größenwahn sowie depressiven Episoden mit stark gedrückter Stimmung gekennzeichnet. Bei der schweren Depression kommt es zur psychischen Niedergeschlagenheit bis hin zu Suizidgedanken. „Forschungsergebnisse zeigen, dass diese psychiatrischen Erkrankungen zu 50 bis 80 Prozent auf einer genetischen Komponente beruhen“, sagt Prof. Dr. Markus Nöthen, Direktor des Instituts für Humangenetik des Universitätsklinikums Bonn.

Im neuen Verbundprojekt IntegraMent (Integrated Understanding of Causes and Mechanisms in Mental Disorders) sollen basierend auf den Fortschritten der genetischen Forschung die molekularen Ursachen der psychiatrischen Erkrankungen erforscht werden. „Dabei geht es auch darum zu untersuchen, ob es bei Schizophrenie, bipolarer Störung und schwerer Depression gemeinsame biologische Wurzeln gibt“, sagt Prof. Nöthen, der das Verbundprojekt koordiniert. Die Forscher suchen zunächst nach Genen, die an der Ausbildung der drei psychiatrischen Erkrankungen beteiligt sind, indem sie das Erbgut von Patienten mit einer Kontrollgruppe vergleichen, die die Bevölkerung in Deutschland repräsentiert. Taucht bei dem Vergleich ein verändertes Gen in der Patientengruppe auf, ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass es mit einer Krankheit zusammenhängt.

Fokus auf Familien, bei denen sich psychiatrische Erkrankungen häufen

Die Wissenschaftler konzentrieren sich dabei auf rund 250 Familien, bei denen sich die psychiatrischen Erkrankungen stark häufen. „Wir erwarten bei diesen mehrfach belasteten Familien besonders starke genetische Effekte, weshalb Verdachtsgene bei dieser Gruppe absehbar am ehesten festzustellen sind“, sagt Prof. Nöthen. Außerdem sollen im Rahmen eines internationalen Forscherkonsortiums die Analysen von rund 80.000 weiteren Patienten Hinweise auf verdächtige Regionen im Erbgut von Patienten geben. Die Forscher untersuchen so viele Patienten, weil viele verschiedene Gene an der Ausbildung der Erkrankungen beteiligt sind. Um den Beitrag von einzelnen Genen statistisch abgesichert nachweisen zu können, erfordert es sehr viel Proben.

Ausgehend von den genetischen Befunden untersuchen die Wissenschaftler mit Kernspintomographen die Gehirnaktivität von Patienten und gesunden Probanden, um den Zusammenhang zwischen Genen und Erkrankungsursachen besser zu verstehen. „Wir wollen untersuchen, ob bestimmte Erbgutveränderungen bei Patienten zum Beispiel die Signalübertragung im Gehirn beeinträchtigen“, nennt Prof. Nöthen vom Universitätsklinikum Bonn ein Beispiel. Wie sich Verdachtsgene für psychiatrische Erkrankungen auf biologische Prozesse auswirken, wollen die Forscher auch in entsprechenden Tiermodellen untersuchen. Weitere Tests möchten die Wissenschaftler durchführen, indem sie aus Hautzellen von Patienten Stammzellen gewinnen, die sie in Nervenzellen umprogrammieren. „An diesen so genannten iPS-Zellen lassen sich auch Wirkstoffe mit Blick auf neue Therapien testen“ sagt Prof. Dr. Oliver Brüstle, Direktor des Instituts für Rekonstruktive Neurobiologie am Universitätsklinikum Bonn und Leiter des Teilprojekts zu den Stammzellen.

Zwölf Forschungsinstitutionen sind beteiligt

Bei IntegraMent handelt es sich um das bislang umfangreichste Verbundprojekt dieser Art in Deutschland. Daran beteiligt sind neben der Universität Bonn das Zentralinstitut für Seelische Gesundheit Mannheim, die Charité Universitätsmedizin Berlin, das Helmholtz Zentrum München, die Ludwig-Maximilians-Universität München, das Max-Delbrück-Centrum für Molekulare Medizin Berlin, das Max-Planck-Institut für Psychiatrie München, die Universitäten Halle, Göttingen, Basel und Greifswald sowie das Bernstein Zentrum für Computational Neuroscience Heidelberg-Mannheim.

Kontakt für die Medien:

Prof. Dr. Markus M. Nöthen
Institut für Humangenetik
Universitätsklinikum Bonn
Tel. +49 (0)228/28751101
E-Mail: markus.noethen@ukb.uni-bonn.de

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