03. Februar 2012

Sternenkreisel entpuppt sich als Vampir Sternenkreisel entpuppt sich als Vampir

Ein Astrophysiker löst das Rätsel, weshalb sich rotierende Neutronensterne wieder langsamer drehen

Seit vielen Jahren rätseln Wissenschaftler, warum manche blitzschnell kreiselnde Neutronensterne ihre Umdrehungen wieder verlangsamen. Ein Astrophysiker am Max-Planck-Institut für Radioastronomie und am Argelander-Institut für Astronomie der Universität Bonn hat nun dieses Geheimnis gelüftet: Wie ein Vampir saugt der Neutronenstern von seinem Nachbarn Materie ab und wird dadurch schneller. Ist der Partnerstern erschöpft, verlangsamt der „Parasit“ wieder seine Bahnen. Die Studie ist jetzt in „Science“ erschienen.

Künstlerische Darstellung eines Millisekunden-Pulsars:
Künstlerische Darstellung eines Millisekunden-Pulsars: - Die vom Begleitstern überfließende Materie bildet eine Scheibe um den Neutronenstern, die am inneren Rand durch die Magnetosphäre des Pulsars abgeschnitten wird. © Bild: NASA/Goddard Space Flight Center/Dana Berry
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Ein Pulsar ist ein schnell rotierender Neutronenstern, der sich wie ein Kreisel um die eigene Achse dreht. Ähnlich einem Leuchtturm schickt er dabei regelmäßig wiederkehrend Strahlen zur Erde. Pulsare entstehen bei der Explosion von massereichen Sternen als Supernova. Sie ziehen sich dabei stark zusammen. Wie eine Eiskunstläuferin, die bei einer Pirouette die Arme anlegt, beschleunigen die Neutronensterne sehr stark ihre Umdrehung.

Doch die Lampe eines Leuchtturms dreht sich vergleichsweise gemächlich im Vergleich zu den Pulsaren. Die am schnellsten rotierenden sind die so genannten Millisekunden-Pulsare, die nur wenige Tausendstel Sekunden für einen Umlauf benötigen. Rund 200 dieser speziellen Himmelsobjekte sind heute bekannt. Ein ungelöstes Rätsel der Wissenschaft war bislang die Frage, warum solche Turbo-Sterne plötzlich wieder langsamer werden – so als würde sie eine unsichtbare Macht abbremsen.

Doppelsternsystem wirkt wie Wasser auf dem Mühlrad

Der dänische Astrophysiker Dr. Thomas Tauris arbeitet zugleich am Argelander-Institut für Astronomie der Universität Bonn und am benachbarten Max-Planck-Institut für Radioastronomie. Er hat diese brennende Frage der Wissenschaft nun gelöst. „Der Millisekunden-Pulsar rotiert so schnell, weil ein Partnerstern Masse auf ihn überträgt“, sagt Dr. Tauris, der Autor der Studie. „Das Ergebnis dieses Doppelsternsystems gleicht einem Mühlrad, das von der Wassermasse angetrieben und beschleunigt wird.“ Da in dem Doppelsternsystem der eine Partner auf Kosten des anderen Masse absaugt, verhält sich der Millisekunden-Pulsar darüber hinaus wie ein hungriger Vampir.

Wie mit einem Propeller wird Material herausgewirbelt

Während der Millisekunden-Pulsar durch seine „Leuchtturm-Signale“ gut von der Erde aus zu erkennen ist, wirkt der Nachbarstern im Verborgenen. Irgendwann ist der Punkt erreicht, an dem der Partnerstern keine Masse mehr auf den Pulsar überträgt. „Dann dehnt sich die Magnetosphäre des Millisekunden-Pulsars aus und wird größer“, berichtet Dr. Tauris. „Wie mit einem Propeller wird dann das einfallende Material herausgewirbelt.“ Im Ergebnis verlangsamt der Neutronenstern seine Umdrehungen. Das Phänomen lässt sich abermals anhand der Eiskunstläuferin veranschaulichen: Wenn sie bei der Pirouette die Arme ausbreitet, dann verlangsamt sich ihre Rotationsgeschwindigkeit.

Die Millisekunden-Pulsare verlieren die Hälfte ihrer Rotationsenergie

Anhand von numerischen Berechnungen auf der Grundlage von Sternentwicklungsmodellen untersuchte der Wissenschaftler die Auswirkungen des Massenzuwachses. „Es konnte gezeigt werden, dass die Millisekunden-Pulsare in der Schlussphase ungefähr die Hälfte ihrer Rotationsenergie verlieren“, sagt Dr. Tauris. Darüber hinaus lässt sich mit diesen Berechnungen erklären, warum manche Pulsare Röntgen-Strahlung und andere wiederum Radiowellen aussenden. Solange Materie vom Nachbarstern übertragen und der Pulsar beschleunigt wird, sendet er extrem kurzwellige Röntgenstrahlung aus. Sobald aber der Materiestrom unterbrochen ist und eine Verlangsamung eintritt, kommt es zur Ausstrahlung deutlich länger welliger Radiostrahlen. „Es handelt sich dabei also um zwei verschiedene Phasen der selben Entwicklung“, sagt Dr. Tauris. Diese Theorie wird durch Messungen bestätigt. „Die Ergebnisse dieser Berechnungen stimmen mit den Beobachtungsergebnissen überein“, sagt der Astrophysiker.

Am Max Planck-Institut für Radioastronomie werden Pulsare von Prof. Dr. Michael Kramer und seinen Mitarbeitern  untersucht, während eine Arbeitsgruppe von Prof. Dr. Norbert Langer im Argelander-Institut für Astronomie der Universität Bonn die zugehörigen Sternmodelle berechnet. Am 27. Februar treffen sich in Bonn Astronomen aus verschiedenen europäischen Ländern, um im Rahmen einer Tagung über die Natur der Pulsare zu diskutieren.

Publikation: Thomas M. Tauris: Spin-Down of Radio Millisecond Pulsars at Genesis, Science Bd. 335, S. 561. DOI 10.1126/science.1216355.

Kontakt:

Dr. Thomas Tauris
Argelander-Institut für Astronomie der Universität Bonn
und Max-Planck-Institut für Radioastronomie Bonn
Tel. 0228/733660
tauris@astro.uni-bonn.de

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