Wie Kantinen ihre Kundschaft zu weniger Fleischkonsum motivieren können
Gesundheitliche Risiken vorbeugen, das Klima schützen und dabei Geld sparen? Alles geht gleichzeitig, wie eine neue Studie zeigt: Indem Kantinen kleinere Fleischportionen servieren, können sie den Fleischkonsum ihrer Kundschaft um bis zu ein Drittel reduzieren. Das kommt besser an als vegetarische Speisepläne oder höhere Preise – sofern informiert wird und auf Nachfrage die gewünschten Portionen serviert werden.
Das Wichtigste auf einen Blick
1.
Exzessiver Fleischkonsum beeinträchtigt die Gesundheit, schädigt Umwelt und Klima, verschärft das Welternährungsproblem und ist teuer. Forschende der Universität Bonn haben deshalb zwei Maßnahmen untersucht, um den Fleischkonsum in deutschen Kantinen zu reduzieren. Beide Maßnahmen waren erfolgreich.
2.
Bei der Maßnahme „Active Choice“ fragt das Kantinenpersonal bei der Essensausgabe: „Wie viel Fleisch möchten Sie?“ Die Kundschaft bestimmt dann selbst die Portionsgröße. Bei der Maßnahme „Default Nudge“ serviert das Kantinenpersonal kleinere Fleischportionen und legt nur auf Nachfrage der Kundschaft nach.
3.
Durch „Active Choice“ konnten 39 Prozent der bestellten Fleischportionen reduziert werden. Bei „Default Nudge“ blieb die Kundschaft sogar zu 90 Prozent bei kleineren Portionen. Die Zufriedenheit der Kundschaft wurde mit beiden Maßnahmen nicht beeinträchtigt – anders als durch vegetarische Speisepläne oder Preiserhöhungen.
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Handlungsempfehlungen
- Öffentliche, kirchliche oder private Trägerschaften von Kantinen – zum Beispiel Bildungseinrichtungen, Behörden oder Krankenhäuser – sollten Kantinenbetriebe und Catering über die Vorteile der Studienergebnisse informieren und sicherstellen, dass die Maßnahmen bei der Essensausgabe berücksichtigt werden.
- Kantinenbetriebe und Catering sollten mit einer Umfrage prüfen, ob ihre Kundschaft mit einer der zwei Methoden einverstanden ist, bevor sie sie einführen. Die Anpassung sollte offen kommuniziert werden und reduzierte Fleischportionen mit zusätzlichen Beilagen ausgeglichen werden.
- Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) und andere Ernährungsorganisationen sollten die Ergebnisse der Studie in ihren Standards und Empfehlungen berücksichtigen und konkrete Handlungsempfehlungen bereitstellen, damit Trägerschaften und Betriebe möglichst leicht Anpassungen vornehmen können.
Worum geht es?
Der Bonner Ernährungsökonom Juniorprofessor Dominic Lemken und sein Team haben ein Experiment in der Kantine einer deutschen Rehaklinik durchgeführt. Dabei haben sie zwei Maßnahmen getestet, um den Fleischkonsum der Kundschaft zu reduzieren. Indem die Betriebe kleinere Fleischportionen ausgeteilt und nur auf Nachfrage nachgelegt haben („Default Nudge“), konnte der Fleischkonsum um 33 Prozent gesenkt werden. Auch bei der Nachfrage des Personals, wie viel Fleisch die Kundschaft möchte („Active Choice“), wurde weniger Fleisch konsumiert – der Effekt war allerdings mit rund 13 Prozent schwächer als bei der Default Nudge. Die in der Studie erhobene Zufriedenheit der Kundschaft wurde von keiner Maßnahme beeinträchtigt.
Wie wurde geforscht?
Die Studie erfolgte in drei Phasen für jeweils sechs Wochen: einer Referenzphase und jeweils eine Phase mit den untersuchten Maßnahmen „Active Choice“ und „Default Nudge“. Die Forschenden haben die Speisenauswahl anonym dokumentiert und die Kundschaft nach ihrer Meinung gefragt. Von Oktober 2022 bis Mai 2023 wurden rund 6.000 Kaufentscheidungen aufgezeichnet. Die Ergebnisse sind im Journal „Environment and Behavior“ veröffentlicht. (DOI: 10.1177/00139165241274496).
Wie geht es weiter?
Die Forschenden sehen weiteren Untersuchungsbedarf, weil sich Kantinen hinsichtlich ihres Angebots und ihrer Stammkundschaft teils erheblich unterscheiden. Deshalb kann es sein, dass die empfohlenen Methoden nicht in jeder Kantine gleich gut funktionieren. Zu erforschen wäre auch, ob sich die Ergebnisse in kommerziellen Restaurants reproduzieren lassen.
Kontakt
Jun.-Prof. Dr. Dominic Lemken
Institut für Lebensmitel- und Ressourcenökonomik der Universität Bonn
Telefon: +49 228 73-60644
Mail: dominic.lemken@ilr.uni-bonn.de