17. Juni 2007

Vorurteile: Eine Stadt spielt "trau, schau, wem" Vorurteile: Eine Stadt spielt "trau, schau, wem"

1.000 Einwohner Zürichs zeigen in einem Spiel, warum sie manchen Mitbürgern mehr vertrauen als anderen

Jede Stadt kennt Viertel, die einen schlechten Ruf haben. Auch in Zürich stehen manche der zwölf Distrikte bei den Bürgern höher im Kurs als andere. Welche Kriterien das Ansehen eines Stadtteils beeinflussen, haben Forscher der Universitäten Bonn und Zürich sowie des Instituts zur Zukunft der Arbeit nun in einem Experiment untersucht. Ergebnis: Vor allem Viertel mit niedrigem sozialen Status haben einen schlechten Leumund; abträglich wirken zudem ein geringer Bildungsstand sowie ein niedriges Pro-Kopf-Einkommen. Die Studie zeigt auch, dass derartige Vorurteile handfeste ökonomische Auswirkungen haben können.

In der Studie erhielten Zürcher Bürger 20 Franken. Von dieser Summe konnten sie einen beliebigen Teil an einen Mitspieler überweisen. Als "Investitionsanreiz" wurde der überwiesene Betrag vom Spielleiter verdreifacht. Der Mitspieler konnte sich für das Geschenk revanchieren, indem er einen beliebigen Teil seines Geldes zurück überwies. "Unter Ökonomen läuft dieses Experiment als "Vetrauens-Spiel"", erklärt der Bonner Ökonom Professor Dr. Armin Falk, der die Studie zusammen mit seinem Zürcher Kollegen Dr. Christian Zehnder durchgeführt hat. "Wer darauf vertraut, dass sein Mitspieler sich revanchiert, wird mehr überweisen als jemand, der das für unwahrscheinlich hält."


Knapp 1.000 Einwohner Zürichs nahmen an dem Experiment teil. Die Forscher werteten aus, wie ihre Investitionsentscheidung für jeden der zwölf Distrikte aussah. Insgesamt zeigten sich die Testpersonen recht vertrauensselig: Mehr als 13 Franken ließen sie ihrem Mitspieler im Schnitt zukommen. Die Spender verfuhren dabei aber nach dem Motto "trau, schau, wem!": Stammte ihr Partner aus einem angesehenen Viertel, bedachten sie ihn mit fast 14 Franken. Wer in einem Kiez mit üblem Leumund wohnte, erhielt knapp anderthalb Franken weniger.


Vorurteil zum Teil bestätigt


Doch warum gelten manche Stadtteile als schlechtes Pflaster? Auch darauf gibt die Studie eine Antwort: Je heterogener ein Viertel zusammengesetzt ist, desto geringer die investierte Summe. Wenig Geld floss zudem in Distrikte mit einem geringen Durchschnittseinkommen und Bildungsniveau. Nach den Ergebnissen des Experiments nicht ganz zu Unrecht: Teilnehmer aus "schlechten" Gegenden zahlten ihren Spendern in der Regel weniger zurück als solche aus angesehenen Vierteln. Konkreter gesagt: Ein Mitspieler aus dem Distrikt mit dem schlechtesten Ruf zahlte im Schnitt für jeden überwiesenen Franken etwa 1 Franken und 40 Rappen zurück. Im besten Viertel waren es hingegen etwa 2 Franken, also deutlich mehr.


Gebildete diskriminieren weniger, Ältere mehr


Viele Spender achteten übrigens gar nicht auf das Wohnviertel ihres Spielpartners, sondern überwiesen unabhängig davon immer dieselbe Summe. "Gebildete Versuchspersonen diskriminieren weniger nach Herkunft, Ältere und Anhänger rechter Parteien mehr", resümiert Falk. Ausgeprägt war auch die Tendenz, Bewohnern des eigenen Stadtteils eher zu trauen.


Die Ergebnisse haben weitreichende Konsequenzen für die soziale und ökonomische Entwicklung einzelner Stadtviertel und ganzer Städte: "Wir zeigen, dass Menschen mehr in ein Viertel investieren, zu dem sie Vertrauen haben", erklärt Falk. Vertrauen sei der Kitt, der die Gesellschaft zusammenhalte. Das betreffe auch die Ökonomie: "Schon die Entscheidung, wo ich mein Auto reparieren lassen soll, ist vor allem eine Frage des Vertrauens." Andererseits zeigt das Experiment, dass der Reichtum eines Stadtteils maßgeblich seinen Ruf bestimmt. "Das Ganze ist eine Art Teufelskreis, der die Gräben zwischen den Vierteln noch verstärkt", betont der Ökonom.


Über den Ruf eines Stadtteils scheint übrigens weitgehend Einigkeit zu herrschen. Das zeigt ein zweites Experiment, das die Wissenschaftler durchführten: Die Leser einer Zürcher Tageszeitung sollten schätzen, an welches Viertel wohl die niedrigsten Überweisungen fließen würden - anders ausgedrückt: welcher der zwölf Distrikte den schlechtesten Ruf genieße. "Mehr als 280 Leser nahmen teil", sagt Falk. "Fast 70 Prozent von ihnen tippten richtig."


Der Originalartikel findet sich im Internet unter: http://ftp.iza.org/dp2765.pdf



Kontakt:

Professor Dr. Armin Falk

Universität Bonn / Institut zur
Zukunft der Arbeit

Telefon: 0228/3894-112

E-Mail: falk@iza.org






Wird geladen