26. August 2008

Gott war der erste Detektiv der Literaturgeschichte Gott war der erste Detektiv der Literaturgeschichte

Ein Sammelband beleuchtet die literarische Darstellung von Religion im englischen Kriminalroman

Kriminalromane und Religion scheinen auf den ersten Blick keine Gemeinsamkeiten zu haben. Dass es jedoch komplexe Zusammenhänge gibt, zeigt der neu erschienene Sammelband "God and Murder. Literary Representations of Religion in English Crime Fiction". Wissenschaftler der Universitäten Bonn und Mainz wollen damit eine Forschungslücke schließen. Ein Beitrag der Kriminalautorin und ungekrönten "Queen of Crime" P.D. James rundet den Band ab.

Der Brudermord von Kain an Abel ist die erste Detektivgeschichte der Literaturgeschichte und Gott der Detektiv, der diesen Mord aufklären muss " so leiten die Herausgeber Professor Dr. Wolfram Kinzig, Universität Bonn, und Professor Dr. Ulrich Volp, Universität Mainz, den neuen Sammelband "God and Murder. Literary Representations of Religion in English Crime Fiction" ein. Darin sind die Ergebnisse eines Kolloquiums zum gleichen Thema zusammengefasst, das im November 2006 am Bonner Zentrum für Religion und Gesellschaft stattfand. Die Beiträge stammen aus Literaturwissenschaft, Philosophie, Theologie, Erziehungswissenschaft und Kriminologie. Die Wissenschaftler der Universitäten Bonn und Mainz greifen damit ein Thema auf, das im wissenschaftlichen Diskurs bisher wenig Beachtung fand.

Der interdisziplinäre Ansatz zeigt vielfältige Zusammenhänge zwischen Religion und dem englischen Kriminalroman auf. So findet sich das literarische Motiv des Detektivs und der Aufklärung eines Kriminalfalls bereits in der Bibel im Buch Genesis und im Buch Daniel sowie in Teilaspekten auch im Neuen Testament. Darüber hinaus treten im modernen Kriminalroman religiöse Würdenträger in der Rolle des Detektivs auf " Beispiele sind Bruder Cadfael in der Buchserie von Ellis Peters, die von Peter Tremayne erdachte Figur der Schwester Fidelma und natürlich William von Baskerville in Umberto Eccos Roman "Der Name der Rose".

Die Autoren stellen aber auch tiefer gehende Zusammenhänge zwischen den Gebieten fest. So bieten die theologischen und moralischen Debatten des viktorianischen Zeitalters den Hintergrund für die Werte der heutigen Gesellschaft. Diese werden in den Kriminalromanen widergespiegelt. Eine Diskussion der banalen Verstöße gegen diese Werte im alltäglichen Leben wie beispielsweise das Lügen zeigt, dass die moralischen Werte hoch-, aber nicht immer eingehalten werden. Im Kriminalroman erfährt dies eine literarische Zuspitzung. Im Mittelpunkt steht dabei meist das biblische Gebot "Du sollst nicht morden", das ebenso eine Rechts- und Moralnorm darstellt. Der Verstoß gegen das Gesetz und vor allem gegen die gesellschaftliche Moralnorm ist meist der Aufhänger für den Plot und macht den besonderen Reiz der Kriminalromane aus.

Anhand zahlreicher Textstellen von Sherlock Holmes bis P.D. James beleuchten die Autoren die Relevanz von Religion und Moral in Plot, Setting und Charakteren des Kriminalromans. Dabei handeln sie Themen wie Mord, Selbstmord und Moral nicht nur am Beispiel des englischen Kriminalromans, sondern auch grundsätzlich ab. Abgeschlossen wird das Werk durch einen Beitrag der Kriminalautorin P.D. James. Darin legt die "Queen of Crime" anhand einiger Beispiele aus dem eigenen Werk dar, auf welche unterschiedlichen Weisen religiöse Aspekte mit dem Kriminalplot verwoben werden können und welche Wirkung daraus entsteht. Der Gegensatz von Gut und Böse spielt dabei ein zentrale Rolle: So werden beispielsweise der Greuel eines Mordes und das Mitleid des Lesers verstärkt, wenn das Opfer an einem sakralen Ort aufgefunden wird. Dass ein kirchlicher Amtsträger im Kriminalroman statt als Detektiv als Mörder auftreten könnte, erscheint P.D. James daher unmöglich.

Wolfram Kinzig & Ulrich Volp (Hrsg): God and Murder. Literary Representations of Religion in English Crime Fiction. Darstellungen von Religion in englischsprachiger Kriminalliteratur (Studien des Bonner Zentrums für Religion und Gesellschaft Bd. 4), Ergon Verlag, Würzburg 2008.

Kontakt:
Prof. Dr. Michael Roth
Zentrum für Religion und Gesellschaft
Telefon: 0228 / 73 52 75
E-Mail: roth@zerg.uni-bonn.de




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