19. Mai 2025

„Pioniere werden nicht geboren, sondern gemacht.“ „Pioniere werden nicht geboren, sondern gemacht.“

Prof. Dr. Denise Fischer-Kreer vermittelt am Institut für Entrepreneurship Wissen und Fähigkeiten zu unternehmerischem Denken  und Handeln.

Im Oktober 2023 folgte Prof. Dr. Denise Fischer-Kreer dem Ruf als Professorin für Entrepreneurial Behaviour an die Uni Bonn. Angesiedelt ist ihr Institut an der Agrar-, Ernährungs- und Ingenieurwissenschaftlichen Fakultät. Warum sie ihr neues Modul zur Unternehmensführung fakultätsübergreifend anbietet, und auf welche Kompetenzen es beim Gründen ankommt, erzählt sie im Interview.

Denise Fischer-Kreer mit Redakteurin Evelyn Stolberg
Denise Fischer-Kreer mit Redakteurin Evelyn Stolberg © Gregor Hübl
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Sie sind seit rund einem Jahr Professorin für Entrepreneurial Behaviour an der Uni Bonn. Was genau sind die Aufgaben Ihres Fachgebiets?

Die Studierenden haben bei mir die Möglichkeit, sich intensiv mit den Themen Gründen, Selbstständigkeit und Unternehmertum auseinanderzusetzen. Sie dürfen in meinen Kursen eigene Geschäftsideen und -modelle entwickeln und ganz praktisch daran arbeiten. Ich begleite sie durch diesen Prozess, bei dem bereits beeindruckende Projekte entstanden sind. Mit dem an der Uni Bonn angesiedelten Transfercenter enaCom, das sie bei Gründungsvorhaben unterstützt und ihnen Türen öffnet, arbeite ich eng zusammen. Außerdem untersuchen wir in meinen Kursen, warum Personen Unternehmer werden. Was motiviert sie? Welche Fähigkeiten benötigen sie? Und vor allen Dingen: Wie gestalten sie ihre unternehmerische Reise? All diesen Fragen gehen wir nach. 

 

Wurden Ideen Ihrer Studierenden bereits unternehmerisch umgesetzt?

Ja, und das freut mich sehr! Im Sommersemester 2024 hat Kathrin Schumilin in meinem Mastermodul „Sustainable Entrepreneurship & Venturing“ gemeinsam mit ihren Kommilitoninnen an einem unternehmerischen Ansatz gegen Lebensmittelverschwendung gearbeitet. Mit ihrem Start-up „Mangolade“ hat sie sich jetzt den zweiten Platz beim Female Innovation Award 2025 gesichert. Die Idee dahinter: Sie stellt aus Mangokernen eine Alternative zu Kakaobutter her, die für die Produktion von Schokolade benötigt wird. Dieses tolle Beispiel bestärkt mich darin, meine Kurse zunehmend fakultätsübergreifend anzubieten, denn Innovation entsteht durch Vielfalt. Und es wird uns nur gemeinschaftlich gelingen, Entrepreneurship an der Universität Bonn weiterzuentwickeln und voranzutreiben. Den ersten Schritt ha-ben wir bereits unternommen: Seit dem Wintersemester 2024/2025 biete ich das Modul „Entrepreneurship und Unternehmensführung“ an, das auch von Bachelorstudierenden anderer Fakultäten besucht werden kann. Das Interesse ist groß: Auf einen Schlag kamen direkt 100 Anmeldungen.

 

Was lernen die Studierenden in dem fakultätsübergreifenden Modul?

In Vorlesungen vermittle ich ihnen Grundlagen des Unternehmertums und gehe dabei auch auf nachhaltige Unternehmensstrategien ein. Da mir konkrete Beispiele aus der Praxis wichtig sind, lade ich Gründerinnen und Gründer von Start-ups über Scale-ups bis zu Expertinnen und Experten großer Konzerne ein. In Impulsvorträgen erfahren meine Studierenden so aus erster Hand, was alles dazugehört, um ein Unternehmen zu gründen. Im nächsten Schritt beleuchten wir die Wachstums- und die Reifephasen, also alle Stadien, die ein Unternehmen durchlaufen kann. Wir gehen aber auch auf Exkursionen und werfen beispielsweise in einer urbanen Pilzfarm einen Blick hinter die Kulissen, um die Abläufe dort kennenzulernen und uns mit den Gründern auszutauschen.

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© Gregor Hübl

Wem steht dieses Angebot an der Uni Bonn bereits offen?

Aktuell besuchen das Modul Studierende aus der Agrar-, Ernährungs- und Ingenieurwissenschaftlichen Fakultät, der Informatik, der Cyber Security, der Geografie, den Geowissenschaften und der Volkswirtschaftslehre. Einige Fakultäten stehen noch vor strukturellen Herausforderungen, haben aber ebenfalls großes Interesse signalisiert. Allein in dieser Woche habe ich wieder Gespräche mit mehreren Kolleginnen und Kollegen dieser Fakultäten geführt. Wir setzen uns jetzt dafür ein, dass das Modul im Wintersemester 2025/2026 auch für ihre Studierenden angeboten werden kann. Ehrlich gesagt bin ich total begeistert, was schon alles auf den Weg gebracht wurde, seit ich hier bin.

 Was haben Sie als Nächstes geplant?

Beim Dies Academicus haben wir zum Beispiel einen Workshop mit dem Titel „Impropreneurship - kreative Spontanität trifft Unternehmer*innengeist“ angeboten. Es gibt viele Parallelen zwischen unternehmerischem Denken und Handeln und dem Improvisationstheater. Die Teilnehmenden können relevante Kompetenzen erlernen, die auch für Gründerinnen und Gründer wichtig sind. Dazu zählen zum Beispiel Flexibilität, Kreativität, Teamwork, Mut, Spontanität, aber auch die Orientierung am Publikum, die im übertragenen Sinn als Orientierung an der Zielgruppe gesehen werden kann. Wir versuchen quasi, unternehmerische Skills über kreative Formate zu transportieren. Für die Kinderuni werde ich außerdem die Vorlesung „Von der Bohne zum Business“ anbieten, bei der ich auf Geschäftsmodelle rund um Schokolade eingehen werde.

Welche Aspekte sind Ihnen bei der Kompetenzvermittlung besonders wichtig?

Für mich steht der Erwerb transformativer Kompetenzen im Mittelpunkt. Dazu zählen Fähigkeiten wie kritisches Denken, Reflexion, Empathie, Kooperationsfähigkeit und Resilienz. Essenziell sind diese Skills nicht nur für den persönlichen Erfolg der Studierenden, sondern auch für die Bewältigung globaler Herausforderungen, mit denen Unternehmerinnen und Unternehmer tagtäglich konfrontiert werden. Die Kompetenzen bilden somit die notwendige Grundlage, um Verantwortung übernehmen zu können, komplexe Zusammenhänge zu verstehen und nachhaltige Lösungen aktiv mitzugestalten. Darauf aufbauend wird Transfer möglich: Das in der Wissenschaft generierte Wissen soll nicht abstrakt bleiben, sondern seinen Weg in die Anwendung finden. In meinen Lehrveranstaltungen verbinde ich daher die Förderung von Kompetenzen zum Wissenstransfer immer mit der Entwicklung von Fähigkeiten für einen nachhaltigen gesellschaftlichen Wandel.

 

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© Gregor Hübl

Wir leben in zunehmend unsicheren Zeiten. Wie wirkt sich das auf Studierende aus, die Ihre Kurse besuchen und vielleicht mit dem Gedanken spielen, sich selbstständig zu machen?

Das kann ich natürlich nur erahnen. Wir haben aber mit der Anmeldung zu meinem fakultätsübergreifenden Modul „Entrepreneurship und Unternehmensführung“ eine Abfrage unter den Studierenden durchgeführt. Dabei wollten wir herausfinden, welche Beweggründe sie hatten, sich anzumelden, und was sie sich generell wünschen. Die häufigste Antwort lautete, dass sie neugierig sind auf das Thema und grundsätzlich Interesse daran haben. Oft lautete die Antwort auch ganz klassisch „Interesse zu Gründen“, und einige haben geschrieben, dass sie sich irgendwann „einen Porsche kaufen“ möchten. In Erinnerung geblieben ist mir noch die Antwort eines Studierenden, der den „Traum der Selbstständigkeit“ verfolgt. Das ist für mich ein starkes Statement. Ich denke, es gibt bestimmt viele junge Menschen, die sich in diesen unsicheren Zeiten einen sicheren Job wünschen. Doch es gibt ebenfalls sehr viele unter ihnen, die sehr schnell viele Freiheiten haben wollen. Unternehmertum kann zwar nicht das Sicherheitsbedürfnis adressieren, aber sehr wohl das von Freiheit und Autonomie. Deswegen kann die Selbstständigkeit vielleicht gerade für die jüngere Generation ein attraktiver Karriereweg sein.

 

Im Mai 2024 erhielten Sie den Nicolaus August Otto Award, der Menschen für ihren Pioniergeist auszeichnet. Inwieweit inspiriert Sie der Namensgeber des Preises?  

Nikolaus August Otto hat vor rund 160 Jahren die erste Motorenfabrik der Welt aus der Taufe gehoben. Er war ein beeindruckender Mensch, der als Kaufmann und Erfinder den Mut hatte, seinen Visionen zu folgen. Der sich von Rückschlägen nicht hat beirren lassen. Das sind genau die Kompetenzen, auf die ich meinen Fokus in der Lehre lege und die ich meinen Studierenden ebenfalls vermitteln möchte. Denn Pioniere werden nicht geboren, sondern gemacht. Als Professorin an der einzigen universitären Agrar-, Ernährungs- und Ingenieurwissenschaftlichen Fakultät in ganz NRW werden viele meiner Studierenden ihren Weg in den Agrar- und Ernährungsbereich finden. Beide Sektoren stehen vor großen Veränderungen, denn ihre Systeme befinden sich in einer Transformation zu nachhaltigeren, digitaleren, klimaschonenderen und die Biodiversität erhaltenden Anbau- und Verarbeitungsmethoden. Ich habe keinen Zweifel, dass unsere Studierenden einen wichtigen Beitrag leisten werden, um für diese ökologischen und sozialen Herausforderungen passende Lösungen zu entwickeln. Unsere Aufgabe an der Uni Bonn ist es, ihnen dafür das nötige Wissen und die notwendigen Kompetenzen mitzugeben. 

Welche aktuellen Trends und Entwicklungen spielen derzeit in der Landwirtschaft eine große Rolle?

Hofsterben und Hofübergabe sind zum Beispiel gerade große Themen. In Niedersachsen werden Landwirte subventioniert, wenn sie ihre Schweinezucht aufgeben. Diese Entwicklung wird wiederum von Gründerinnen und Gründern genutzt. Ein Gastredner meiner Vorlesung wird beispielsweise auf einem ehemaligen Hof zukünftig Hanf anbauen. Der Vorteil: Solche Höfe verfügen bereits über die notwendige Infrastruktur wie Solaranlagen, Belüftungssysteme und vieles mehr. Das macht sie für Übernahmen anderer Branchen und Sparten besonders attraktiv. 

Können Sie sich persönlich vorstellen, ein Unternehmen zu gründen?   

Meine Mutter war selbstständig, mein Mann ist selbstständig, aber ich gehöre an die Uni. Als ich noch in der Grundschule war, habe ich mich zur Karnevalszeit als Professorin verkleidet, im Stil von Albert Einstein. Als ich meinen Ruf an die Uni Bonn bekam, bin ich mit einem Foto von mir in diesem Kostüm zu meinen Eltern gefahren und habe sie gefragt: „Na, wen seht ihr da? Und was bin ich?“ Sie haben mich erstmal verwundert angeschaut, bis ich ihnen sagte: „Früher musste ich mich noch verkleiden, ab heute muss ich das nicht mehr.“ In diesem Augenblick haben sie es verstanden. Ihre und meine Freude in diesem wunderschönen Moment werde ich nie vergessen.

 

Das Interview führte Evelyn Stolberg.

Denise Fischer-Kreer mit Redakteurin Evelyn Stolberg
© Gregor Hübl
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