Pflanzen werden maßgeblich durch die Temperatur beeinflusst. Aber auch Luftfeuchte, Luftzirkulation und Licht sind wichtig für das Wachstum. All das können die zwölf neuen Klimakammern sehr präzise regulieren, Wachstumsexperimente lassen sich damit sehr exakt kontrollieren. Darüber hinaus ermöglicht das daran angeschlossene Forschungsgewächshaus, die Pflanzen für die Versuche entsprechend vorzubereiten.
„Ein zentrales Ziel der Forschung in den neuen Klimakammern und im Gewächshaus ist es, die genetischen und physiologischen Prozesse zu verstehen, die wichtig für die Anpassung der Nutzpflanzen an veränderte Umweltbedingungen sind“, sagt Dr. Frank Hochholdinger, Professor für funktionelle Genomik der Nutzpflanzen am Institut für Nutzpflanzenwissenschaften und Ressourcenschutz (INRES). Das Angebot an Klimakammern an der Universität Bonn war knapp und die vorhandenen veraltet. „Es zeigte sich, dass es ökonomisch sinnvoller ist, eine zentrale Einheit einzurichten“, berichtet Hochholdinger. Der Wissenschaftler erhielt im Zuge von Bleibeverhandlungen schließlich die Möglichkeit, im Jahr 2018 einen Großgeräteantrag zur Beschaffung von zwölf Klimakammern zu stellen.
Langer Atem
Bis zur Realisierung vergingen fast sechs Jahre. „Wir brauchten einen langen Atem, um alle Nutzungsinteressen unter einen Hut zu bekommen, und während der Corona-Pandemie das Vorhaben voranzutreiben“, sagt Dr. Birgit Hoegen, Referentin für Immobilien und Finanzen an der Landwirtschaftlichen Fakultät, die das Projekt koordinierte. „Da die Mittel begrenzt sind, kommen wir als Universität nur weiter, wenn wir fakultätsübergreifend denken und uns entsprechend organisieren.“ Die Koordinatorin motivierte, dass sich bei einem solchen Vorhaben viel voneinander lernen lässt und dies auch Spaß macht.
„Ziel ist, `klimafitte´ Pflanzensorten zu erzeugen“
Arbeitsgruppen wollen demnächst in der neuen zentralen Forschungseinrichtung der Universität Bonn Experimente an Mais, Gerste, Weizen, Reis, Zuckerrübe, Kartoffel und Tomate durchführen. „Ziel ist, durch diese Forschung dazu beizutragen, `klimafitte´ Pflanzensorten zu erzeugen, die etwa tolerant gegenüber Hitze und Trockenheit sind und so dem Klimawandel trotzen können“, sagt Hochholdinger. Neben der Landwirtschaftlichen Fakultät gibt es hierzu auch Projekte aus der Mathematisch-Naturwissenschaftlichen.
International konkurrenzfähig
An der Universität Bonn sind verschiedene dieser zentralen Einrichtungen – „Core Facilities“ genannt – am "Bonn Technology Campus" gebündelt. Dazu gehören neben den neuen Klimakammern eine ganze Reihe von Einrichtungen wie zum Beispiel für Mikroskopie, Gene Editing, Next Generation Sequencing oder Proteomics. „Die Bündelung von Spitzentechnologie und Expertise ist nicht nur aus wirtschaftlicher, sondern auch aus wissenschaftlicher Sicht sinnvoll“, sagt Dr. Elmar Endl, Leiter der Koordinationsstelle Wissenschaftliche Infrastruktur.
„Den etablierten Forschungsgruppen ermöglicht ein breites Spektrum an gemeinsam genutzten Forschungsinfrastrukturen, auf internationalem Niveau konkurrenzfähig zu bleiben. Und aufstrebende Forschende erhalten Zugang zu Technologien, die sie sich ansonsten nicht leisten könnten.“
Formell sind die Klimakammern Teil der Forschungsinfrastruktur der Landwirtschaftlichen Fakultät. Verwaltung und Betreuung der Anlage werden durch die Dienstleistungsplattform Pflanzenversuche (DLP) sichergestellt. Durch die Einbindung in den Bonn Technology Campus als 'Core' wird ein fakultätsübergreifender Zugriff ermöglicht. Die Klimakammern stehen Angehörigen aller Fakultäten der Universität zur Verfügung. Externe können etwa im Rahmen bestehender Kooperationsverträge die Anlage nutzen. „Darüber hinaus haben auch Firmen die Möglichkeit, die Core Facility zu buchen“, sagt Dr. Alina Klaus von der DLP-Geschäftsstelle. „Bei Kapazitätsengpässen haben allerdings interne Nutzungen stets Vorrang.“
Beratungsgespräche für Interessierte
Wenn Forschende bereits eine genaue Vorstellung haben, was für die Durchführung ihrer Versuche benötigt wird, können sie eine Klimakammer über die Seite des Bonn Technology Campus buchen. Die Anfrage wird dann an Alina Klaus zur Überprüfung und Freigabe weitergeleitet. „Generell führen wir mit allen Versuchsansteller*innen vor Beginn der Experimente ein verbindliches Beratungsgespräch“, berichtet Alina Klaus. „Natürlich kann man uns auch vorher in der Planungsphase der Versuche kontaktieren, um mögliche Optionen zu besprechen.“
Für die Nutzung von Core Facilities fallen Gebühren an. „Für eine bessere Planung haben wir Pauschalen berechnet, die bei der Einwerbung von Drittmitteln geltend gemacht werden können.“ Auch Studierende können die Klimakammern etwa für Abschlussarbeiten nutzen.
„Pflanzenforschung auf höchstem Niveau“
Einen typischen Alltag gibt es bei der Dienstleistungsplattform Pflanzenversuche kaum. „Da wir viele Forschende bei sehr unterschiedlichen Experimenten unterstützen, stellen wir uns täglich neu auf das ein, was an Ansprüchen und Wünschen auf uns zukommt“, sagt Alina Klaus. Sie ist direkte Ansprechpartnerin für alle wissenschaftlichen und organisatorischen Fragen. Zusammen mit dem technischen Leiter Josef Bauer koordiniert sie den täglichen Betrieb, plant die Belegung der Räumlichkeiten und stellt sicher, dass alles reibungslos funktioniert.
Forschung über Grenzen hinweg ist an der Universität Bonn kein Novum. „Wir arbeiten bereits seit vielen Jahren eng mit anderen Fakultäten zusammen“, sagt Prof. Dr. Heiko Schoof, Dekan der Landwirtschaftlichen Fakultät. „So versuchen wir gemeinsam, die vorhandenen Ressourcen bestmöglich zu nutzen und Synergien zu schaffen.“ Mit dem Klimakammergewächshaus sei eine hervorragende Infrastruktur entstanden, die fakultäts- und fächerübergreifende „Pflanzenforschung auf höchstem Niveau“ ermöglicht. „Diesem Beispiel sollen weitere folgen.“