16. Dezember 2019

Haben wir in Zukunft genug Augenärzte? Haben wir in Zukunft genug Augenärzte?

Experten zu drohender augenärztlicher Unterversorgung älterer Menschen

Auch vor den Augen macht das Alter nicht halt, so dass viele ältere Menschen durch Einschränkungen des Sehens in ihrer Lebensqualität, Teilhabe und Unabhängigkeit eingeschränkt sind. Dabei ist die Altersweitsichtigkeit ein normaler Alterungsvorgang, der gut durch eine Sehhilfe ausgeglichen werden kann. Aber das Auge ist im Alter zudem häufig von Volkserkrankungen wie Makuladegeneration, grünem und grauem Star betroffen, die im Frühstadium oft nicht bemerkt werden. Auch kann durch Diabetes mellitus sich eine diabetische Retinopathie entwickeln. Schäden bis hin zur Erblindung können die Folge sein. Regelmäßige augenärztliche Untersuchungen sind daher unerlässlich. Doch die Experten der ophthalmologischen Versorgungsforschung Prof. Dr. Robert Finger vom Universitätsklinikum Bonn und Prof. Dr. Alexander Schuster von der Universitätsmedizin Mainz warnen mit Blick auf den demographischen Wandel vor einer augenärztlichen Unterversorgung gerade älterer Menschen:

Haben wir in Zukunft genug Augenärzte?
Haben wir in Zukunft genug Augenärzte? - Experte Prof. Robert Finger vom Universitätsklinikum Bonn (im Bild) warnt zusammen mit seinem Mainzer Kollegen Prof. Alexander Schuster vor einer augenärztlichen Unterversorgung gerade älterer Menschen; © Katharina Wislsperger / UK Bonn
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Wie sieht die Entwicklung von Augenerkrankungen im Alter aus?

Prof. Finger: Alle Volkskrankheiten, die das Auge betreffen, nehmen mit steigendem Lebensalter zu und da die Bevölkerung insgesamt altert, gibt es immer mehr Betroffene mit beispielsweise grünem und grauem Star, altersabhängiger Makuladegeneration und diabetischen Augenerkrankungen. Insbesondere bei Letzteren spielt auch eine Rolle, dass sogenannte Zivilisationskrankheiten wie Diabetes mellitus durch unseren Lebensstil immer häufiger werden. Insgesamt werden alle Patienten mit ihren Erkrankungen zunehmend älter, so dass sie jeweils mehr Zeit haben, Komplikationen beziehungsweise fortgeschrittene Erkrankungsstadien zu entwickeln. Daraus resultiert ein höheres Lebenszeitrisiko für eine Sehbehinderung oder Erblindung.

Was bedeutet dies für den augenärztlichen Bedarf?

Prof. Schuster: Durch diese Entwicklungen, allen voran der demographische Wandel, ist es in den letzten 15 Jahren zu einem Anstieg von 15 bis 34 Prozent dieser Volkskrankheiten des Auges gekommen. Hierdurch ist natürlich der Bedarf an augenärztlicher Versorgung gestiegen. Erfreulich ist, dass wir heute für viele dieser Erkrankungen bessere Therapiemöglichkeiten haben, die das Sehen länger erhalten. Hierzu gehören bessere medikamentöse und chirurgische Verfahren beim grünen Star, aber auch die bessere Therapie des Diabetes, die Komplikationen auch am Auge besser vermeiden hilft. Das bedeutet aber auch, dass die Betroffenen regelmäßig zum Augenarzt müssen, zur Vorsorge, für Kontrolluntersuchungen oder Behandlungen.

Gibt es die Gefahr einer augenärztlichen Unterversorgung von älteren Menschen?

Prof. Finger: In den letzten 15 Jahren haben wir einen Zuwachs von fast 20 Prozent an Augenärzten. So scheint auf den ersten Blick keine Gefahr zu bestehen, dass wir in eine augenärztliche Unterversorgung rutschen. Wenn man sich jedoch anschaut, wie viel heute pro Augenarzt gearbeitet wird, dann hat dies in den letzten 15 Jahren eher abgenommen. Denn wesentlich mehr Kollegen arbeiten heute als angestellte Ärzte in Praxen und eher in Teilzeit. Wenn man dies zusammenrechnet als „Augenarztzeit“, dann hat diese in den letzten 15 Jahren nur um ein Prozent zugenommen. Hier besteht also durchaus die Gefahr, dass der zunehmende Versorgungsbedarf nicht mehr ausreichend gedeckt werden kann.
Hinzu kommt auch, dass sich – wie in vielen Fachgebieten – auch Augenärzte zunehmend in städtischen Gebieten befinden. So müssen Patienten in Landstrichen, die wenige Städte aufweisen, weitere Strecken zu einem Augenarzt zurückgelegen. Dies ist für ältere Menschen, die aus vielen Gründen oft weniger mobil sind, ein Problem.

Wie kann dem entgegengewirkt werden?

Prof. Schuster: Im Moment liegt auf Bevölkerungsebene keine augenärztliche Unterversorgung vor. Wichtig ist jedoch, dies im Blick zu behalten. Dabei ist insbesondere die Versorgung der ansteigenden älteren Bevölkerung, die zunehmend mehr Augenerkrankungen haben werden, wichtig und eine Herausforderung. Dies wird umso mehr der Fall sein, je älter die Patienten werden, denn dann kommen auch noch viele andere medizinische Probleme hinzu. Gutes Sehen, auch im hohen Alter, ist sehr wichtig. So bleiben beispielweise Selbständigkeit, Teilhabe am sozialen Leben, aber auch die persönliche Gesundheit länger erhalten, wenn das Sehen auch im hohen Alter gut ist.

Publikation: Alexander K. Schuster, Christian Wolfram, Norbert Pfeiffer,•Robert P. Finger: Augenheilkunde 2019 – Wo stehen wir? Eine Betrachtung der Versorgungssituation in Deutschland; Der Ophthalmologe, DOI 10.1007/s00347-019-0894-2

Vertreter der Medien sind eingeladen, Fragen an Prof. Finger und Prof. Schuster zu stellen, die gerne für ein Gespräch zur Verfügung stehen:

Prof. Dr. Robert P. Finger
Augenklinik des Universitätsklinikums Bonn
Telefon: 0228/287-19839 (Sekretariat)
E-Mail: Robert.Finger@ukbonn.de

Prof. Dr. Alexander Schuster
Augenklinik und Poliklinik der Universitätsmedizin Mainz
Telefon: 06131/17-7085 (Sekretariat)
E-Mail: alexander.schuster@unimedizin-mainz.de

Haben wir in Zukunft genug Augenärzte?
Haben wir in Zukunft genug Augenärzte? - Experte Prof. Dr. Alexander Schuster von der Universitätsmedizin Mainz (im Bild) warnt zusammen mit seinem Bonner Kollegen Prof. Robert Finger vor einer augenärztlichen Unterversorgung gerade älterer Menschen; © Christian Kaiser / Augenklinik Universitätsmedizin Mainz
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