06. November 2019

Sachverständigenrat legt neues Jahresgutachten vor Sachverständigenrat legt neues Jahresgutachten vor

Prof. Dr. Isabel Schnabel von der Universität Bonn übergibt als eine der fünf „Wirtschaftsweisen“ Gutachten an Kanzlerin

Der Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung prognostiziert für die Jahre 2019 und 2020 ein geringeres Wirtschaftswachstum in der Welt, im Euroraum und in Deutschland. Vor allem die Investitionsnachfrage wächst langsamer, was die deutsche Wirtschaft in besonderer Weise belastet. Das Produktivitätswachstum verlangsamt sich seit Jahren. Die Vorteile der Digitalisierung werden in Deutschland bislang unzureichend genutzt, und die Dynamik in der Wirtschaft ist gering. Erforderlich sind Maßnahmen in den Bereichen Bildung, Innovation und Infrastruktur, um das Wachstumspotenzial der deutschen Volkswirtschaft zu erhöhen. Heute haben die „Wirtschaftsweisen“ ihr Jahresgutachten 2019/20 mit dem Titel „Den Strukturwandel meistern“ an die Bundesregierung übergeben. Prof. Dr. Isabel Schnabel vom Institut für Finanzmarktökonomie & Statistik der Universität Bonn ist an dem Gutachten beteiligt.

Der Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung
Der Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung - übergibt das Jahresgutachten 2019/2020 an die Bundesregierung (zweite von rechts: Prof. Dr. Isabel Schnabel vom Institut für Finanzmarktökonomie & Statistik der Universität Bonn). © Foto: Sachverständigenrat
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Der Aufschwung der deutschen Wirtschaft ist zu einem Ende gekommen. Die Industrie befindet sich bereits in einer Rezession, während der Dienstleistungsbereich bislang stabil ist. Der Investitionsschwäche steht ein robuster Konsum gegenüber, was nicht zuletzt am nach wie vor stabilen Arbeitsmarkt liegt. Eine tiefergehende Rezession zeichnet sich bislang zwar nicht ab, das Rezessionsrisiko ist aber deutlich gestiegen. Eine Belebung ist frühestens im Laufe des Jahres 2020 zu erwarten. Für dieses und das kommende Jahr erwartet der Sachverständigenrat in Deutschland ein verhaltenes Wachstum von 0,5 Prozent beziehungsweise 0,9 Prozent. Berücksichtigt man zusätzlich die unterschiedliche Anzahl der Arbeitstage, beträgt das prognostizierte Wachstum nur jeweils 0,5 Prozent. „Die deutsche Volkswirtschaft ist von der globalen Abschwächung aufgrund seiner Exportorientierung besonders stark betroffen. Es lässt sich nicht ausschließen, dass Deutschland in eine tiefere Rezession abgleitet, selbst wenn wir dies derzeit nicht prognostizieren“, betont Prof. Schnabel.

„Schuldenbremse könnte hinderlich sein“

Anders als die Mehrheit des Sachverständigenrates befürchtet Isabel Schnabel, dass die deutsche Schuldenbremse sich in der Zukunft als Hemmschuh erweisen könnte. Zum einen könnte sie zu wenige Spielräume für eine antizyklische Fiskalpolitik lassen, die erforderlich sein könnte, um sich einer Rezession entgegenzustellen; zum anderen könnte es in ihrem Rahmen schwierig sein, diejenigen Investitionen zu finanzieren, die erforderlich sind, um die Zukunftsfähigkeit der deutschen Wirtschaft sicherzustellen. Daher rät sie, kurzfristig die bestehenden Spielräume pragmatisch zu nutzen und längerfristig die Schuldenbremse zu reformieren.

Steigende Risiken im Finanzsystem

Außerdem weist der Sachverständigenrat auf steigende Risiken im Finanzsystem hin. Vor allem im Bereich der Immobilienpreise zeigen sich deutliche Übertreibungen. Der europäische Bankensektor ist im internationalen Vergleich wenig profitabel, sodass es schwierig ist, Eigenkapital aufzubauen und die Widerstandsfähigkeit zu erhöhen. Im Fall einer Rezession ist mit steigenden Risiken zu rechnen. Um diesen entgegenzutreten, sind zusätzliche regulatorische Maßnahmen sinnvoll. Verwerfungen könnten im Bankensektor drohen, wenn die großen Technologieunternehmen (BigTechs) in den Markt eintreten, etwa im Bereich des Zahlungsverkehrs. „Die Politik ist gefordert, Risiken aus den Geschäftsaktivitäten neuer Marktteilnehmer angemessen zu regulieren, ohne dabei Innovationen unnötig zu bremsen“, fordert Isabel Schnabel. „Die Banken müssen hingegen die notwendigen Investitionen in die Zukunftsfähigkeit ihrer Geschäftsmodelle tätigen, um im Wettbewerb mit den neuen Marktteilnehmern bestehen zu können.“

Einschätzungen liefern Argumente für die politische Debatte

Der Sachverständigenrat spricht keine Empfehlungen aus, sondern zeigt Fehlentwicklungen auf und bewertet verschiedene Handlungsalternativen. Das Jahresgutachten liefert so wirtschaftspolitische Argumente, die in politischen Prozessen und in der öffentlichen Diskussion eine wichtige Rolle spielen.

Vortrag beim Dies academicus

Beim nächsten öffentlichen Dies academicus am Mittwoch, 4. Dezember, skizziert Prof. Schnabel ab 18.00 Uhr in Hörsaal C im Juridicum die zentralen Inhalte des aktuellen Jahresgutachtens des Sachverständigenrates zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung.

Das Jahresgutachten im Internet: https://www.sachverstaendigenrat-wirtschaft.de/publikationen/jahresgutachten/jahresgutachten-201920.html

Kontakt für die Medien:

Prof. Dr. Isabel Schnabel
Institut für Finanzmarktökonomie & Statistik
Universität Bonn
E-Mail: isabel.schnabel@uni-bonn.de

Der Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung
Der Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung - mit dem neuen Jahresgutachten 2019/2020 (zweite von rechts: Prof. Dr. Isabel Schnabel vom Institut für Finanzmarktökonomie & Statistik der Universität Bonn). © Foto: Sachverständigenrat
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