02. November 2018

Intervall-Training für das Gehirn Intervall-Training für das Gehirn

„Schön, dass Sie trotz des Wortes Mathematik im Titel gekommen sind“, freute sich Referent Prof. Dr. Matthias Kreck vom Mathematischen Institut, Hausdorff Center for Mathematics der Universität Bonn, über die zahlreichen Zuhörer bei der Jubiläumsveranstaltung in der Aula der Universität Bonn.

M³ „Musik x Mathematik x Malerei“
M³ „Musik x Mathematik x Malerei“ - Prof. Dr. Matthias Kreck referierte und musizierte. © Foto: Stefan Hartmann
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Krecks Vortrag M³ „Musik x Mathematik x Malerei“ hätte inhaltlich eigentlich ins 3. Quartal „Welt der Zahlen“ des Jubiläumsjahres der Universität Bonn gehört. Die Verschiebung ins 4. Quartal tat dem Interesse am Thema offensichtlich keinen Abbruch. Eine mögliche Erwartung des Publikums erfüllte Prof. Kreck jedoch nicht, wie er gleich zu Beginn verdeutlichte: Es gehe nicht darum, Beziehungen zwischen den genannten Bereichen zu erklären, sondern es sei vielmehr sein Anliegen, „die drei Künste völlig unvermittelt nebeneinanderzustellen“.

Musik von Ludwig van Beethoven und Johann Sebastian Bach – damit kann man, zumal in Bonn, schon mal nichts falsch machen. Zur Einstimmung auf die kurzweilige Veranstaltung spielten Michael Allan (Piano) und Prof. Kreck (Cello) Beethovens Sonate für Klavier und Cello op. 5, Nr. 2 in g-Moll, Satz 1. Satz 2 folgte am Ende des Vortrags. Prof. Kreck erläuterte die Idee, die hinter seiner Konzeption von M³ steckt: Für diese Art von Vortrag habe er sich von der Sportwissenschaft inspirieren lassen. Dort gebe es das sogenannte Intervall-Training. Auf ein „Intervall-Training fürs Gehirn“ dürfte sich das Publikum nun bei M³ freuen. Zuerst könne man die Musik genießen und damit die emotionale Seite des Gehirns aktivieren. Danach könne man sich auf Mathematik konzentrieren und so die rationale Seite des Gehirns ausloten. Wobei der Genuss von Kunst Prof. Krecks Ansicht nach nachwirke und für die Beschäftigung mit Rationalem förderlich sei.

Das gleiche Prinzip gelte für die Auseinandersetzung mit Malerei, fuhr Prof. Kreck fort und stellte die Malerin Luitgard Ilg und deren Kunst „Pars et Totum“ vor. Dabei handelt es sich um eine eher zufällig entstandene Kunstrichtung. Ilg malt meistens gegenständlich. Vor ein paar Jahren malte sie jedoch eine Serie abstrakter Bilder. Diese hat sie dann mit einem Museumsscanner sehr hoch auflösend eingescannt. Beim Betrachten der Bilder auf dem Bildschirm setzte sie den Zoom-Effekt ein und nahm plötzlich markante Details in den Bildern als eigene Bilder wahr. In einem zweiten kreativen Schritt ging es dann darum, nach besonderen Bildern in den Bildern zu suchen. Die Darstellung der vergrößerten Ausschnitte ließ sich am besten realisieren, nach dem die gezoomten Gemälde auf Glas gedruckt wurden. Erst dieser Untergrund sorgt für die notwenige Brillanz und Tiefe, die es den Betrachten ermöglicht, unter der Überschrift „Pars et Totum“ selbst Entdeckungen zu machen.

Prof. Kreck stellte das Verfahren in Interaktion mit dem Publikum und mit Hilfe einer großen Leinwand vor. In der Pause gab es Gelegenheit, sich einige Bilder Ilgs im vorderen Teil der Aula anzusehen und mit der Künstlerin zu sprechen. Ein Gemälde von Ilg war auch der Ausgangspunkt für Prof. Krecks mathematische Erläuterung des Goldenen Schnitts und dessen Zusammenhang mit der unendlichen Zahlenfolge der sogenannten Fibonacci-Zahlen. Die Fibonacci-Zahlen beschreiben unter anderem das Wachstum einer Kaninchenpopulation.

Zur Veranschaulichung des Problems und seiner Lösung erzählte Prof. Kreck eine ziemlich mathematikorientierte Variante der Schöpfungsgeschichte. Auf das – in der Mathematik unvermeidliche - Aufschreiben von Formeln bereitete er das Publikum mit einer Anekdote vor. Auch die musikalischen Zwischenspiele – Prof. Kreck musizierte Sätze aus Johann Sebastian Bachs Suite Nr. 3, in C-Dur für Violoncello Solo – dienten erkennbar der geistigen Erholung des Publikums und dem Kräftesammeln für das nächste mathematische Intervall. Schließlich richtete sich der Vortrag dezidiert auch an mathematische Laien.

Hier dürfte man bei allem Unterhaltungswert der Veranstaltung, einschließlich gezielt gesetzter Seitenhiebe auf den Zustand des heutigen Mathematik-Unterrichts, jedoch ein kleines Fragezeichen machen. Denn es passierte trotz Prof. Krecks Eloquenz natürlich das, was häufig bei populärwissenschaftlich angelegten Mathematik-Vorträgen passiert: Bis zu einem gewissen Punkt kann man den Ausführungen des Mathematikers tatsächlich folgen. Fast unmerklich ereignet sich dann ein Qualitätssprung. Und während der Referent weiterhin völlig in seinem Element ist, kann der mathematische Laie nur noch staunen. Was freilich der Faszination Mathematik keinen Abbruch tut. Das Publikum jedenfalls spendete allen drei Künstlern großen Applaus.

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