25. September 2018

Das Tier – das unbekannte Wesen Das Tier – das unbekannte Wesen

„Können Tiere rechnen?“ Das war die zentrale Frage einer Experten-Talkrunde passend zum Leitthema „Die Welt der Zahlen“ im dritten Quartal des Jubiläumsjahrs 2018 der Universität Bonn. Gastgeber Prof. Dr. Andreas Zimmer, Prorektor für Forschung und Innovation an der Universität Bonn, konnte sich über eine voll besetzte Aula und am Ende über eine der „lebhaftesten Veranstaltungen“ im Rahmen der 200 Jahr-Feierlichkeiten freuen. Die Diskussion über die kognitiven Fähigkeiten von Tieren bot teils verblüffende Erkenntnisse und ließ auch so manches menschliche Verhalten in einem neuen Licht erscheinen.

Talkrunde:
Talkrunde: - (von links) Dr. Vanessa Schmitt (Universität/Zoo Heidelberg), Prof. Dr. Horst Bleckmann (Universität Bonn), Moderatorin Diana Eichhorn und Hundetrainer Martin Rütter. © Foto: Volker Lannert/Uni Bonn
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Menschen neigen dazu, Tiere nach menschlichen Maßstäben zu beurteilen und zu bewerten. Ein Riesenfehler, wie das Publikum nun aus der Podiumsdiskussion lernte. An der Talkrunde nahmen Dr. Vanessa Schmitt, Centre for Organismal Studies der Universität Heidelberg / Zoo Heidelberg, Prof. Dr. Horst Bleckmann vom Institut für Zoologie der Universität Bonn sowie Hundetrainer und Entertainer Martin Rütter teil. Vor allem Prof. Bleckmann brach die launig-zugespitzten Fragen von Moderatorin Diana Eichhorn, Tierexpertin und Moderatorin des Magazins „Hundkatzemaus“ auf dem Privatsender VOX, wiederholt auf die eher nüchtern klingenden Fragestellungen der Wissenschaft herunter, wobei der Kontrast der Temperamente auf dem Podium durchaus zum Unterhaltungswert der Veranstaltung beitrug.

Die Intelligenz von Tieren überprüfen? Das müsse man schon präziser formulieren, um verwertbare Antworten zu bekommen, erklärte Prof. Bleckmann. Allein die Artenvielfalt im Tierreich lasse eine solche Pauschalisierung nicht zu. Man müsse jedes Tier in seinem evolutionären Zusammenhang betrachten, um ihm gerecht zu werden. Der Begriff „Intelligenz“ sei viel zu allgemein, um verlässliche Aussagen hinsichtlich der kognitiven Fähigkeiten von Tieren machen zu können. Stattdessen unterscheide die Forschung beispielsweise zwischen sozialer und physikalischer Kognition. „Wissenschaftler machen wiederholbare Experimente und fragen dabei bewusst nach einfachen Dingen, die man beobachten kann“, führte Prof. Bleckmann aus. Sein Fazit zur Intelligenz bei Tieren: „Jedes Tier kann nur die Dinge besonders gut, die für das Tier biologisch relevant sind.“

Kommunikation bei Tieren war das maßgeschneiderte Stichwort für Hundetrainer und Entwickler der Trainingsphilosophie DOGS, Martin Rütter. Es sei für ihn immer wieder eine faszinierende Erfahrung, dass Hunde in der Lage seien, auf zwei Ebenen kommunizieren zu können, erklärte er. Dass sie ein und dasselbe Verhalten - zum Beispiel ein anderes Lebewesen beugt sich über mich, zeigt die Zähne und berührt mich - beim Hund (Angriff) und beim Menschen (Zuneigung) richtig deuten und einordnen könnten und entsprechend darauf reagieren würden. Aus seiner langjährigen Praxis als Hundetrainer berichtete Rütter, dass die Missverständnisse zwischen Mensch und Hund in der Regel auf Fehlinterpretationen des Menschen beruhen. Auch die Annahme, Hunde verstünden die Worte, die gesagt werden, verwies Rütter in das Reich der Fabeln: „In der Kommunikation mit Menschen reagieren Hunde zu 95 Prozent auf Mimik und Gestik“, sagte er. Die Tiere seien viel mehr hervorragende Beobachter und würden deshalb so viel „verstehen“.

Mochte die Herangehensweise an das Thema auch unterschiedlich sein, so stimmten die beiden Wissenschaftler und der Hundetrainer doch in vielen Schlussfolgerungen überein, so zum Beispiel darin, dass man bei der Beurteilung des tierischen Verhaltens zwischen Haus- und Wildtieren unterscheiden müsse. Dass das Verhalten von Tieren situationsbedingt gesehen werde müsse und dass sich nicht nur Arten, sondern auch Individuen einer Art sehr von einander unterscheiden könnten.

Die Vorstellung von Empathie bei Tieren oder auch ihrem Vermögen, Trauer zu empfinden, dominierten die Publikumsfragerunde. Es war an Dr. Vanessa Schmitt, die im Internet kursierende Geschichten um Gorilla-Dame Koko und deren Reaktion auf die Nachricht, dass ihr Freund Robin Williams tot sei, wissenschaftlich zu relativieren und einzuordnen. Dr. Schmitt nahm auch zur Ausgangsfrage „Können Tiere rechnen?“ Stellung. Sie hat mit Affen und Vögeln entsprechende Experimente gemacht. Ergebnis: Rechnen im mathematischen Sinne, also in diesem Fall addieren und das Zahlensystem als abstrakte systematische Reihe erkennen, können Tiere nicht. „Sie können aber sehr wohl Mengen abschätzen“, erklärte die Biologin. Wobei die Mengen bei zunehmender Größe idealerweise auch größere Abstände haben sollten. Diese Erkenntnis hatte dann wieder etwas Beruhigendes. Schließlich ist auch bei Menschen die Fähigkeit, zu abstrahieren oder bei großen Zahlen und Summen den Überblick zu behalten, unterschiedlich ausgeprägt.

Dr. Vanessa Schmitt:
Dr. Vanessa Schmitt: - "Tiere können sehr wohl Mengen abschätzen." © Foto: Volker Lannert/Uni Bonn
Moderatorin Diana Eichhorn
Moderatorin Diana Eichhorn - stellte den Wissenschaflterinnen und Wissenschaftlern launig zugespitzte Fragen. © Foto: Volker Lannert/Uni Bonn
Martin Rütter:
Martin Rütter: - "In der Kommunikation mit Menschen reagieren Hunde zu 95 Prozent auf Mimik und Gestik." © Foto: Volker Lannert/Uni Bonn
"Die Welt der Zahlen"
"Die Welt der Zahlen" - steht im dritten Quartal des Jubiläumsjahres der Universität Bonn im Fokus. Die Veranstaltung "Können Tiere rechnen?" stieß auf große Resonanz. © Foto: Volker Lannert/Uni Bonn
Prof. Dr. Horst Bleckmann:
Prof. Dr. Horst Bleckmann: - "Jedes Tier kann nur die Dinge besonders gut, die für das Tier biologisch relevant sind." © Foto: Volker Lannert/Uni Bonn
Prorektor Prof. Dr. Andreas Zimmer
Prorektor Prof. Dr. Andreas Zimmer - (zweiter von links) freute sich über die lebhafte Veranstaltung. © Foto: Volker Lannert/Uni Bonn
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