09. November 2018

Zellreste können hunderte Millionen Jahre überdauern Zellreste können hunderte Millionen Jahre überdauern

Studie der Universitäten Yale und Bonn erklärt, warum fossile Knochen manchmal noch Weichgewebe enthalten

Fossile Knochen enthalten mitunter noch Überreste von Blutzellen, Gefäßen oder Nervenbahnen. Eine Studie der Universitäten Yale und Bonn erklärt nun, warum sich diese empfindlichen Strukturen dem Zahn der Zeit widersetzen konnten – und das zum Teil über Zeiträume von mehreren hundert Millionen Jahren. Die Ergebnisse sind nun im Wissenschaftsjournal „Nature Communications“ erschienen.

Blutgefäße und Knochenzellen,
Blutgefäße und Knochenzellen, - die aus einem 150 Millionen Jahre alten Dinosaurierknochen herausgelöst wurden. © Marie-Claire Koschowitz/Uni Bonn
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Als die US-Paläontologin Mary Schweitzer 2007 in der Zeitschrift Nature vermeldete, ihr Team habe in Fossilien eines Tyrannosaurus rex Proteinfragmente entdeckt, schlug das in der Fachwelt ein wie eine Bombe. Zu unwahrscheinlich schien es, dass die fragilen Moleküle die 65 Millionen Jahre seit dem Tod des Raubsauriers hätten überstehen können.

Heute ist weitgehend unumstritten, dass sich proteinhaltiges Gewebe unter bestimmten Umständen dem Zahn der Zeit widersetzen kann. Wie es das tut, ist dagegen noch offen. Die Paläontologin Jasmina Wiemann, die kürzlich von der Universität Bonn nach Yale gewechselt ist, hat dafür nun eine neue Erklärung vorgelegt. Durch chemische Reaktionen vernetzen sich die Proteine demnach untereinander und werden so unangreifbar für Bakterien und enzymatische Abbauvorgänge.

Bei diesem Umwandlungsprozess entstehen zwei Gruppen von Substanzen, die AGEs und die ALEs. Mit Hilfe einer speziellen Analysemethode konnte Wiemann sie in verschiedenen Knochenfossilien nachweisen, die bis zu 150 Millionen Jahre alt waren. „Wir haben inzwischen sogar analoge Gewebsreste in 300 Millionen Jahren alten Knochen gefunden“, betont Prof. Dr. Martin Sander vom Steinmann-Institut für Geologie, Mineralogie und Paläontologie der Universität Bonn.

Eierschalen in Säure gelöst und bei 120 Grad gekocht

AGEs und ALEs sind in der Wissenschaft keine Unbekannten: Sie entstehen unter anderem beim Kochen von protein- und fettreichen Ausgangsstoffen und gelten als Auslöser chronischer Erkrankungen. Wiemann hat für ihre Studie unter anderem die Knochen eines Haushuhns künstlich altern lassen. Dazu löste sie sie in Säure auf und isolierte so das in ihnen enthaltene Gewebe. Dieses erhitzte sie dann für einige Minuten auf 45 bis 120 Grad (auch bei der Bildung von Fossilien können Temperaturen von über 100 Grad auftreten). In den so behandelten Proben ließen sich ebenfalls AGEs und ALEs nachweisen; die Proteine hatten sich also untereinander vernetzt.

Allerdings war dazu zwingend die Anwesenheit von Sauerstoff erforderlich. Interessanterweise scheint das für Millionen Jahre alte Knochen ebenfalls zu gelten: In denjenigen Fossil-Proben, die unter oxidativen Bedingungen (das heißt in Anwesenheit von Sauerstoff) entstanden waren, hatten sich Gewebsreste in Form von AGEs und ALEs erhalten. Stammten die Fossilien dagegen aus sauerstoffarmen Bodenschichten, war aus ihnen sämtliches organisches Material verschwunden. In ihnen hatten die Proteine, die ja einen Großteil des Gewebes ausmachen, augenscheinlich nicht zu AGEs und ALEs umgewandelt werden können. Daher waren sie komplett abgebaut worden.

Die Studienergebnisse liefern damit auch einen Hinweis darauf, wo es sich besonders lohnt, nach Fossilien mit Gewebsresten zu fahnden. Denn Bodenschichten, in denen oxidative Bedingungen herrschen, verraten sich oft durch ihre rote oder grünliche Farbe. Solche ohne Sauerstoff sind dagegen grau oder schwarz.

Darüber hinaus trägt die Arbeit auch zu einer Antwort auf eine weitere brennende Frage bei, die momentan viele Paläontologen umtreibt: „Menschen sammeln und untersuchen seit mehr als 300 Jahren Fossilien“, sagt Prof. Sander. „Wie diese genau entstanden sind, darüber wissen wir bis heute aber erstaunlich wenig – gerade für Fossilien von Knochen.“ Der Bonner Wissenschaftler weiß, wovon er redet: Er ist Sprecher eines Großforschungsprojekts, das mit einer Millionenförderung der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) genau diese Prozesse aufklären möchte.

Publikation: Jasmina Wiemann, Matteo Fabbri, Tzu-Ruei Yang, Koen Stein, P. Martin Sander, Mark A. Norell und Derek E.G. Briggs: Fossilization transforms vertebrate hard tissue proteins into N-heterocyclic polymers; Nature Communications; www.doi.org/10.1038/s41467-018-07013-3

Kontakt:

Prof. Dr. P. Martin Sander
Steinmann-Institut für Geologie, Mineralogie und Paläontologie
Universität Bonn
Tel. 0228/733105
E-Mail: martin.sander@uni-bonn.de

Mikroskopischer Schliff
Mikroskopischer Schliff - eines 150 Millionen Jahre alten Dinosaurierknochens mit den Blutgefäßen und Knochenzellen (kleine Körperchen). © Nicole Klein/Uni Bonn
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