11. April 2018

Mit gebündelten Schallwellen erfolgreich gegen Zittern Mit gebündelten Schallwellen erfolgreich gegen Zittern

Deutschlandweit erstes Gerät für hoch fokussierten Ultraschall bei Tremor und Parkinson an der Uniklinik Bonn

Das Universitätsklinikum Bonn hat ein System zur Anwendung von Magnetresonanz(MR)-gesteuertem, hoch fokussiertem Ultraschall (MRgFUS) innerhalb des Schädels in Betrieb genommen. Mit diesem neuen Verfahren lässt sich Tremor gezielt und nicht-invasiv behandeln. Es ist in Deutschland das erste Gerät dieser Art. Wer unter einem schweren therapieresistenten essentiellen Tremor oder Parkinson-Tremor leidet, kann sich am Universitätsklinikum Bonn mit dieser neuen Methode behandeln lassen. Ein Team aus Neurologen, Neurochirurgen und Radiologen sucht für eine deutschlandweit erste Studie Patienten mit ausgeprägtem Tremor, die auf verschiedene Therapiemethoden nicht angesprochen haben. Das Verfahren wird von der Deutschen Forschungsgemeinschaft mit mehr als 1 Million Euro gefördert.

Deutschlandweit erstes Gerät für Magnetresonanz gesteuerten hoch fokussierten Ultraschall bei essentiellen Tremor oder Parkinson-Tremor am Uniklinikum Bonn:
Deutschlandweit erstes Gerät für Magnetresonanz gesteuerten hoch fokussierten Ultraschall bei essentiellen Tremor oder Parkinson-Tremor am Uniklinikum Bonn: - von links: Radiologe PD Dr. Claus Christian Pieper, Direktor der Radiologie Prof. Hans Schild, Neurochirurg Dr. Valeri Borger, stellv. Direktor der Neurologie Prof. Ulrich Wüllner, Assistenzärztin in der Neurologie Veronika Purrer und Prof. Henning Boecker, Leiter der Klinischen Funktionellen Neurobildgebung; © Johann Saba / UK Bonn
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Essentieller Tremor gehört zu den häufigsten neurologischen Bewegungsstörungen. Er tritt auf, wenn der Betroffene aktiv etwas tut: die Hand zittert bei der Unterschrift, oder wenn ein Glas Wasser zum Mund geführt wird. Ein Mensch, der an Parkinson erkrankt ist, zittert dagegen typischerweise in Ruhe. Bei dem neuen Verfahren schalten fokussierte hochintensive Schallwellen von außen diejenigen Areale im Gehirn ab, die für den essentiellen Tremor oder Tremor bei Parkinson verantwortlich sind. Für die notwendige hochpräzise Lokalisation sorgt die mit Hilfe der Magnetresonanztomografie gesteuerte Neuronavigation, damit nur der gewünschte, etwa zwei Millimeter große Bereich – etwa so breit wie eine Bleistiftmine – in der Tiefe des Gehirns inaktiviert wird. Dazu werden von 1.024 Positionen rund um den Schädel Ultraschallwellen – jede für sich ungefährlich für das Hirngewebe – auf den Zielpunkt gesendet und dort gebündelt. „Nur dort in diesem Schnittpunkt der Wellen wird das Hirngewebe erhitzt und so inaktiviert“, sagt Prof. Dr. Hans Schild, Direktor der Klinik für Radiologie am Universitätsklinikum Bonn. Dazu wird ebenfalls MR kontrolliert die Temperatur am Zielpunkt bis auf etwa 55 bis 60 Grad Celsius gesteigert.

Dem großen Vorteil des neuen Verfahrens, dass der Schädel nicht wie bei der bereits etablierten Tiefen Hirnstimulation geöffnet werden muss, steht der Nachteil gegenüber, dass die Inaktivierung des Hirngewebes anders als bei der Tiefenhirnstimulation nicht reversibel ist. „Es ist eine Alternative, da viele Patienten vor dem Öffnen des Schädels und der Vorstellung von ‘Elektroden im Kopf’ zurückschrecken“, sagt Prof. Dr. Ullrich Wüllner, Leiter der Sektion Bewegungsstörungen an der Klinik für Neurologie des Universitätsklinikum Bonn.

Schrittweises Vorgehen sichert jedem Patienten eine optimale Therapie

„Das Attraktive ist, dass es sich schon während des Eingriffs zeigt, ob es funktioniert oder ob gegebenenfalls nachjustiert werden muss“, sagt Prof. Dr. Hartmut Vatter, Direktor der Klinik für Neurochirurgie am Universitätsklinikum Bonn. Denn der MRgFUS erlaubt durch kontrollierte Energiesteigerung den Effekt bei einer Temperatur unterhalb 50 Grad Celsius auszutesten. Mit einer reversiblen Hemmung am Zielort wird also geprüft, ob der Tremor wie gewünscht bei dem während des Eingriffs wachen Patienten abnimmt. Nach den ersten internationalen Studien lässt sich durch die Kombination aus fokussierten Ultraschall und MR-Steuerung während des Eingriffs der essentielle Tremor signifikant verbessern. „Die bisherigen weltweit erzielten Ergebnisse sind sehr vielversprechend, und die Therapie wurde mittlerweile von der FDA anerkannt“, sagt der klinische Studienleiter Prof. Wüllner. „Der Nutzen aber auch die Risiken müssen weiter wissenschaftlich untersucht werden – und dazu werden wir hier in Bonn beitragen.“

Patienten für deutschlandweit erste Studie gesucht

In welchem Ausmaß der MR-gesteuerte hoch fokussierte Ultraschall den Tremor bessern kann, soll nun erstmals in Deutschland am Bonner Universitätsklinikum untersucht werden. Dort kümmert sich ein interdisziplinäres Team aus Neurologen, Neurochirurgen und Radiologen um die Teilnehmer. An der Studie können volljährige Patienten mit einem schweren essentiellen Tremor mit Halte- oder Aktions-Symptomatik sowie Parkinson-Patienten mit einem schweren Tremor teilnehmen, wenn mittels medikamentöser Therapie die Symptomkontrolle unzureichend ist oder intolerable Nebenwirkungen aufgrund der Medikation auftreten.

Anmeldung zum Vorgespräch und weitere Informationen bei:
Veronika Purrer, Klinik für Neurologie des Universitätsklinikums Bonn, Telefon 0228/287-15714 oder E-Mail Veronika.Purrer@ukbonn.de

Hier gibt es dazu neue und aktuelle Informationen:
https://www.uni-bonn.de/neues/200-2018

Kontakt für die Medien:
Prof. Dr. Ullrich Wüllner
Leiter der Sektion Bewegungsstörungen
Klinik für Neurologie des Universitätsklinikums Bonn
E-Mail: Ullrich.Wuellner@ukbonn.de

Prof. Dr. Hans Schild
Direktor der Klinik für Radiologie
Universitätsklinikum Bonn
E-Mail: Hans.Schild@ukbonn.de

Prof. Dr. Hartmut Vatter
Direktor der Klinik für Neurochirurgie
Universitätsklinikum Bonn
E-Mail: hartmut.vatter@ukbonn.de

Fassung geändert am 27. August 2018

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