20. Juni 2017

Unerwarteter Einfluss von Darmbakterien Unerwarteter Einfluss von Darmbakterien

Immunzellen lähmen nach Operationen die Darmbewegung

Forscher der Universitätsklinika Bonn und Essen haben entdeckt, wie eine der gefürchtetsten Komplikationen nach Operationen am Magen-Darm-Trakt ausgelöst wird. Besondere Immunzellen nehmen Bakterien in der Darmflora wahr und lähmen die Darmmuskulatur. Die Ergebnisse werden nun im Fachjournal „Gut“ vorgestellt.

Nach Operationen am Magen-Darm-Trakt
Nach Operationen am Magen-Darm-Trakt - kann es zu einer Lähmung der Darmbewegung kommen. © Foto: COLOURBOX.de
Alle Bilder in Originalgröße herunterladen Der Abdruck im Zusammenhang mit der Nachricht ist kostenlos, dabei ist der angegebene Bildautor zu nennen.

Der Transport des Speisebreis findet durch regelmäßige Bewegungen des Darms statt. Nach Operationen am Magen-Darm-Trakt kommt dieser Rhythmus häufig zum Stillstand. Diese Erkrankung wird als „postoperativer Ileus“ bezeichnet. Frisch operierte Patienten können deswegen erst nach mehreren Tagen wieder Nahrung aufnehmen und müssen durch Infusionen ernährt werden. Die längere stationäre Therapie erhöht die Behandlungskosten und die Gefahr von Krankenhausinfektionen.

Immunzellen nehmen Bakterien in der Darmflora wahr

Ein Forscherteam unter der Leitung von Prof. Daniel R. Engel von der Immundynamik am Universitätsklinikum Essen und Prof. Christian Kurts vom Institut für Experimentelle Immunologie des Universitätsklinikums Bonn konnte an Mäusen zeigen, dass der postoperative Ileus durch einen besonderen Immunzelltyp verursacht wird, der nur im Darm vorkommt. Dabei handelt es sich um eine Unterform der sogenannten dendritischen Zellen, die die erworbene Immunantwort des Körpers aktivieren. „Diese Zellen detektieren Bakterien unserer eigenen Darmflora, die bei der Operation aus dem Darmlumen in das Darmgewebe gelangen“, sagt Judith-Mira Pohl, Erstautorin der Publikation.

Bei Darmoperationen kommt es zwangsläufig zu Gewebeschäden, durch die Bakterien in den Darm eindringen, wo sie von den dendritischen Zellen wahrgenommen werden. Diese Sensorzellen aktivieren T-Lymphozyten, die wiederum bei Makrophagen Alarm schlagen. In der Folge wird mehr von dem Signalstoff Stickstoffmonoxid produziert, der dann die glatten Muskelzellen des Darms lähmt. „Wir konnten nun zeigen, dass die CD11b+ CD103+ genannten dendritischen Zellen den Stein ins Rollen bringen“, sagt Prof. Kurts, Mitglied im Exzellenzcluster ImmunoSensation der Universität Bonn. Bislang rätselte die Wissenschaft über die Funktion dieser spezialisierten Zellen.

In den vergangenen Jahren haben zahlreiche Forscher weltweit den bedeutenden Einfluss der Darmbakterien auf verschiedene Erkrankungen nachgewiesen. Der Verlauf von Herz-Kreislauferkrankungen, Krebs oder Autoimmunität hängt unter anderem davon ab, welche Bakterien im Darm vorhanden sind und wie diese auf Nahrungsmittel reagieren. Das Team um Prof. Engel und Prof. Kurts konnte nun die wichtige Rolle der Darmbakterien nach Operationen des Magen-Darm-Traktes zeigen. Eine prophylaktische antibiotische Therapie könnte wahrscheinlich das Risiko für einen postoperativen Ileus senken. „Theoretisch könnten dabei auch Diäten helfen, um die Darmflora in eine Richtung zu lenken, die weniger anfällig für die Darmlähmung ist“, sagt Prof. Engel. Diese Möglichkeiten wollen die Forscher in weiteren Studien untersuchen.

Publikation: Irf4-dependent CD103+ CD11b+ dendritic cells and the intestinal microbiome regulate monocyte and macrophage activation and intestinal peristalsis in postoperative ileus, Fachjournal “Gut”, Internet:
http://gut.bmj.com/content/early/2017/06/14/gutjnl-2017-313856

Wird geladen