09. Juli 2017

Neues Medikament revolutioniert die Behandlung der Bluterkrankheit Neues Medikament revolutioniert die Behandlung der Bluterkrankheit

Ein internationales Studienteam unter maßgeblicher Beteiligung des Instituts für Experimentelle Hämatologie und Transfusionsmedizin des Universitätsklinikums Bonn und unter Führung des Pharmaunternehmens Roche hat ein neues Medikament zur Behandlung von Bluterpatienten eingesetzt. Die Studie ist heute im „New England Journal of Medicine“ erschienen und wurde jetzt bei einem Pressegespräch während der Tagung der Internationalen Gesellschaft für Thrombose und Hämostase (ISTH) in Berlin vorgestellt.

Prof. Dr. Johannes Oldenburg
Prof. Dr. Johannes Oldenburg - vom Institut für Experimentelle Hämatologie und Transfusionsmedizin des Universitätsklinikums Bonn. © Foto: UKB
Alle Bilder in Originalgröße herunterladen Der Abdruck im Zusammenhang mit der Nachricht ist kostenlos, dabei ist der angegebene Bildautor zu nennen.

Bei der Bluterkrankheit (Hämophilie) ist die Blutgerinnung gestört. Es kommt deshalb zu spontanen Blutungen in Gelenken oder Muskeln, wodurch die Gelenke der Betroffenen zunehmend zerstört werden. Sind lebenswichtige Organe – wie zum Beispiel das Gehirn – betroffen, können solche Blutungen auch lebensbedrohend sein. Die Erbkrankheit wird bislang behandelt, indem das Defizit an Blutgerinnungsfaktoren bei Bedarf durch intravenöse Spritzen ausgeglichen wird.

Mit dem Wirkstoff „Emicizumab“ ist nach den Erkenntnissen der Wissenschaftler nun ein viel besserer Blutungsschutz möglich. Der Wirkstoff wurde zur Therapie von Hämophilie A entwickelt, von der vorwiegend Männer betroffen sind und bei der es zu einem Mangel an Faktor VIII (antihämophiles Globulin) kommt. Etwa 30 Prozent der schwer betroffenen Patienten entwickeln initial einen Antikörper (Hemmkörper) gegen den Faktor VIII, wodurch dieser unwirksam wird. „Für diese Patientengruppe gab es bisher nur wenige Behandlungsoptionen“, sagt Prof. Dr. Johannes Oldenburg vom Institut für Experimentelle Hämatologie und Transfusionsmedizin des Universitätsklinikums Bonn. „Die Regel waren intravenöse Injektionen dreimal wöchentlich bis zweimal täglich, trotzdem gab es bis zu 15 Blutungen pro Jahr.“

Viel besserer Blutungsschutz möglich

Prof. Oldenburg ist Erstautor der im Fachmagazin „New England Journal of Medicine“ veröffentlichten Studie und Präsident des ISTH-Kongresses in Berlin, für den sich über 10.000 Teilnehmer aus aller Welt angemeldet haben. Der internationale Kongress findet erstmals in Deutschland statt. Laut Oldenburg ist mit dem neuen Wirkstoff ein viel besserer Blutungsschutz möglich. Zudem ist nur eine Medikamentengabe pro Woche unter die Haut notwendig. „Emicizumab ist ein Antikörper, der ähnlich Faktor VIII in der Gerinnungskaskade wirkt und auch bei den Patienten mit einem Hemmkörper eingesetzt werden kann“, erläutert Oldenburg.

Die Arzneimittelstudie der Phase III zeigte, dass mit dem Wirkstoff die Blutungsrate je nach Vergleichskohorte um 80 bis 87 Prozent reduziert werden konnte. „Dies ist ein sehr großer Schritt nach vorn in der Behandlung der Hämophilie“, sagt Oldenburg.

Der Wissenschaftler begleitet die klinischen Studien zu Emicizumab seit dem Jahr 2011. Das Hämophiliezentrum des Universitätsklinikums Bonn ist eines der größten Emicizumab-Studienzentren weltweit. Insgesamt nahmen 109 Patienten mit Hämophilie A und Hemmkörper im Alter von mindestens zwölf Jahren an der internationalen Studie teil.

Publikation: Emicizumab Prophylaxis in Hemophilia A with Inhibitors, New England Journal of Medicine, DOI: 10.1056/NEJMoa1703068

Wird geladen