Aaron kann es kaum noch erwarten. Jetzt nach den Sommerferien wird der sechsjährige Junge eingeschult und das fünftägige stationäre Schulungs-Programm „Fit für die Schule“ – ein Angebot des Schwerpunktes Pädiatrische Endokrinologie und Diabetologie am Zentrum für Kinderheilkunde des Universitätsklinikums Bonn – hat ihn darauf vorbereitet. „Es war für Aaron hilfreich mit Kindern zusammen zu sein, die sein Thema teilen und ihn verstehen. So konnte er die Scheu im Umgang mit Diabetes verlieren und Mut gewinnen“, sagt seine Mutter Sabrina E. „Zudem lernte er Tricks, selbst einschätzen zu können, was er essen darf beziehungsweise essen soll.“
Bereits in einem Alter von dreieinhalb Jahren wurde bei Aaron ein Diabetes mellitus Typ-1 diagnostiziert. Ursache dafür ist ein Mangel an dem Blutzucker senkenden und lebensnotwendigen Hormon Insulin. Es schleust Zucker, ein wichtiger Energielieferant für die Zellen, aus dem Blut in die Körperzellen. Um akute Entgleisungen des Stoffwechsels und Organschäden zu verhindern, müssen Betroffene wie Aaron daher lebenslang mehrmals am Tag den Blutzucker messen, die Mahlzeiten berechnen und entsprechend Insulin von außen zuführen, also per Injektion mittels Pen oder per „Knopfdruck“ im Rahmen einer Insulinpumpentherapie.
Normale Kindheit und Schulzeit ermöglichen
Etwa sechs von zehn Kinder und Jugendliche nutzen dafür bereits eine Insulinpumpe, die „automatisch“ eine Insulin-Menge vorschlägt und bei Bestätigung per Knopfdruck das Hormon über einen Katheter in den Körper abgibt. Aber der Nutzer muss dafür der Pumpe den Kohlenhydratanteil der geplanten Mahlzeit vorher mitteilen, wobei beispielweise eine halbe Scheibe Weizen- oder Roggenmischbrot etwa zehn Gramm Kohlehydrate enthält – also eine „Kohlenhydrateinheit“ (KE). Als Sechsjähriger benötigt Aaron dafür noch etwas Hilfe, auch wenn er – wie jedes Kind mit Typ-1-Diabetes – zur Einschulung den Blutzucker selbständig messen kann. „Ein Lehrer sollte Tagesplan und die Uhr im Blick haben“, sagt Dr. Isa Ev Mayer, Ambulanzärztin am Schwerpunkt Kinderendokrinologie an der Bonner Universitätskinderklinik. „So gibt sie oder er idealerweise dem Kind etwa fünf bis zehn Minuten vor der Frühstückspause die Möglichkeit alle Vorbereitungen wie Händewaschen, Blutzuckermessung, Berechnung und Abgabe der benötigten Insulinmenge rechtzeitig treffen zu können. Auf diese Weise können alle Kinder der Klasse gemeinsam frühstücken. Auch braucht es vor dem Sportunterricht meist weniger Insulin oder eine zusätzliche Sport-Kohlenhydrateinheit.“ Kinder, die noch mit einem Pen das Insulin spritzen, müssen zuvor die Insulinmenge pro Mahlzeit überwiegend selber berechnen, gegebenenfalls auch nach telefonischer Rücksprache mit einem Elternteil. „In vielen Fällen kann das ein gerade eingeschultes Kind, denn es reicht meist bis zehn zählen zu können“, sagt Mayer.
„Ich bin nicht allein und ich schaffe das!“
In der Schulung „Fit für die Schule“ übte Aaron mit sechs weiteren Kindern spielerisch alles Wichtige rund um seinen Alltag mit Diabetes mellitus Typ 1. Ein Ziel ist eine ihrem Alter entsprechende Selbstständigkeit. Dazu gehört unter anderem zu erkennen, wann man Hilfe benötigt. „Wichtig war mir, dass mein Sohn sensibilisiert wird, auf den eigenen Körper zu hören“, sagt Sabrina E.. Es geht bei dem Schulungs-Programm aber auch um mehr Selbstbewusstsein im Umgang mit ihrer chronischen Krankheit. Sicherheit gewinnen sie hier bei Unternehmungen mit Gleichgesinnten, die auch regelmäßig ihren Blutzucker messen beziehungsweise korrigieren müssen. Zudem soll Kindern und ihren Eltern ausreichend Wissen vermittelt werden, um ihnen ein normales und weitestgehend unbeschwertes Aufwachsen ermöglichen zu können. „Sie haben die gleichen Bedürfnisse wie alle anderen Kinder auch und tollen genauso herum wie ihre gesunden Altersgenossen“, sagt Mayer. „Sie brauchen keine Sonderbehandlung.“ So schwimmt Aaron gern und hat bereits sein erstes Schwimmabzeichen: das Seepferdchen. „Kein Sport, das wäre das falsche Signal“, sagt Aarons Mutter. Auch für die Eltern ist die Schulung hilfreich. Sie tauschen sich aus und lernen voneinander.
Stark für ein Leben mit Diabetes
„Wir vermitteln den Kindern das Rüstzeug, mit dem sie den Übergang von der sehr behüteten Kindergartenzeit gut bewältigen und gestärkt herausgehen können“, sagt Mayer. Denn aus Erfahrung weiß sie, dass der Wechsel auf die weiterführende Schule ein noch viel herausfordernder Schritt ist. Nicht nur müssen die Kinder viel selbständiger sein, sondern spätestens ab der Pubertät möchten sie nicht „anders“ sein oder auffallen. Hinzu kommen ein höherer schulischer Leistungsdruck und die Teilnahme an Klassenfahrten. Daher startet heute eine achttägige stationäre Diabetes-Schulung für ehemalige Viertklässler kurz vor ihrem Schulstart nach den Sommerferien. „Damit ebnen wir den Weg für das nächste Level: die weiterführende Schule“, sagt Mayer. Zudem steht im Angebot demnächst eine Schulung für Jugendliche im Alter von 16 bis 18 Jahren, die den „Sprung“ in das Erwachsenendasein als Diabetiker erleichtern soll.
Interessierte können sich für mehr Informationen zu den Typ-1-Diabetes-Schulungen an den Schwerpunkt Pädiatrische Endokrinologie und Diabetologie unter der Telefonnummer 0228/287-33223 wenden.
Kontakt für die Medien:
Dr. Isa Ev Mayer
Fachärztin für Kinder und Jugendmedizin
Schwerpunkt Pädiatrische Endokrinologie und Diabetologie am Zentrum für Kinderheilkunde
Universitätsklinikum Bonn
Telefon: 0228/287-33223
E-Mail: Isa.Mayer@ukbonn.de