06. März 2017

Streitschrift des Erzbischofs Kyrill neu herausgegeben Mammut-Projekt: Streitschrift des Erzbischofs Kyrill

Fast 1000 Druckseiten umfasst das jetzt erschienene monumentale Werk „Gegen Julian” von Kyrill von Alexandrien. Kyrills Schrift gilt nicht nur als eines der wichtigsten Dokumente der heidnisch-christlichen Auseinandersetzungen in der Spätantike. Sie kann auch helfen, gegenwärtige religiöse Konflikte besser zu verstehen. 16 Wissenschaftler aus Deutschland, der Schweiz, Großbritannien und Italien haben ein Vierteljahrhundert daran gearbeitet, die auf Altgriechisch verfasste christliche Streitschrift aus dem fünften Jahrhundert erstmals kritisch zu edieren. An der Universität Bonn lag neben Zürich einer der Arbeitsschwerpunkte für das von der Deutschen Forschungsgemeinschaft geförderte Projekt.

Prof. Dr. Wolfram Kinzig (links) und Dr. Thomas Brüggemann
Prof. Dr. Wolfram Kinzig (links) und Dr. Thomas Brüggemann - von der Abteilung Kirchengeschichte im Evangelisch-Theologischen Seminar der Universität Bonn mit dem Buch „Kyrill von Alexandrien“. © Foto: Barbara Frommann/Uni Bonn
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Die Schrift „Gegen Julian“ des Patriarchen von Alexandrien, Kyrill (um 378-444 n. Chr.) richtet sich gezielt gegen die antichristliche Polemik „Gegen die Galiläer“. Der römische Kaiser Julian (331-363 n. Chr.) hatte sie in den Jahren 362/363 nach Christi geschrieben und damit scharf gegen das Christentum, dem er selbst angehört hatte, als abtrünnige Sekte des Judentums gewettert. Es ist nur noch in Kyrills Widerlegung in Form von ausführlichen Zitaten erhalten.

„Das Werk Kyrills – und damit auch das Werk Julians – ist nun erstmals in seinem ganzen Umfang erschlossen worden, denn unsere Ausgabe enthält nicht nur den griechischen Text, sondern auch einen umfangreichen Kommentar. Die Kontroverse ist zentral für das Verständnis der Auseinandersetzung zwischen Christen und Nichtchristen und zwischen Theologie und Philosophie in der Spätantike“, sagt Prof. Dr. Wolfram Kinzig, der am Evangelisch-Theologischen Seminar der Universität Bonn den Lehrstuhl in Kirchengeschichte mit dem Schwerpunkt in der Alten Kirchengeschichte innehat.

Er hat den zweiten Band von „Gegen Julian“ gemeinsam mit seinem Mitarbeiter Dr. Thomas Brüggemann erarbeitet. „Das war nur möglich, weil das ganze Team in ständigem Austausch stand, und wir uns in einem engeren Kreis jedes Jahr auf der Ebernburg im Nahetal getroffen haben. Aus den Arbeitsbeziehungen sind Lebensfreundschaften geworden, die nun zu einem wunderbaren wissenschaftlichen Ergebnis geführt haben“, freut sich Kinzig.

Warum sich Kaiser Julian, Neffe von Konstantin dem Großen, dem Christentum ab- und dem Heidentum zuwandte, darüber können die Wissenschaftler nur spekulieren. „Er hatte einige Familienangehörige bei brutalen Massakern seines Onkels Konstantin verloren. Möglich, dass er deshalb ein Problem mit der christlichen Vergebung hatte“, sagt Dr. Brüggemann.

Forscher entzifferten zahlreiche mittelalterliche Handschriften

Wahrscheinlich ist, dass Julians Ausführungen zumindest unter Intellektuellen noch lange gelesen wurden. Denn erst mehr als 50 Jahre später, in den Jahren 418 bis 423, verfasste Kyrill, Erzbischof von Alexandrien, seine Gegenschrift „Gegen Julian“, in der Absicht, die Argumente Julians Schritt für Schritt zu entkräften. „Kyrill versucht also, Julian mit seinen eigenen Waffen zu schlagen”, erläutert Dr. Brüggemann.

Das so entstandene Werk umfasste wohl mindestens 19 Bücher, von denen aber nur noch zehn erhalten sind. In der nun vorliegenden Publikation sind außerdem Fragmente der Bücher 11-19 enthalten. Die Wissenschaftler der Universität Bonn haben in mühevoller Kleinarbeit die komplizierte Textüberlieferung erforscht, zahlreiche neue Textzeugen entdeckt und schließlich ihrer Ausgabe hauptsächlich fünf Handschriften zugrunde gelegt. „Das Problem der Handschriften liegt darin, dass sich der Text durch Abschreibefehler im Lauf der Zeit verändert, wir also sorgfältig vergleichen müssen”, so Dr. Brüggemann. Einige Fragmente sind außerdem nur in syrischer Übersetzung erhalten – hier half die Expertise von Prof. Dr. Hubert Kaufhold (München) weiter.

Kyrill war ein machtbewusster und umstrittener Kirchenpolitiker

Kyrill wirkte als Bischof von Alexandrien in einer der Metropolen des Römischen Reiches. Er nahm am Konzil von Ephesos (431) teil und setzte sich dort mit seiner Auffassung durch, man müsse Maria als „Gottesgebärerin“ bezeichnen. Darin war er Gegenspieler von Nestorius, dem damaligen Bischof von Konstantinopel. Zur Zeit Kyrills lehrte in der Hauptstadt Ägyptens noch eine große Zahl nichtchristlicher Philosophen. Die Philosophin Hypatia wurde von einem christlichen Mob ermordet, den der Bischof möglicherweise steuerte.

Was Kyrills Antwort auf Julians Streitschrift betrifft, sehen die Wissenschaftler der Universität Bonn darin durchaus eine Bedeutung für die Gegenwart. „Wir befinden uns derzeit ebenfalls in einer Zeit religiöser Konflikte. Die Forschung kann den Umgang damit vergleichen, insofern ist die neue Edition durchaus von aktueller Bedeutung”, sagt Dr. Brüggemann.

Publikation: „Kyrill von Alexandrien II – Gegen Julian, Buch 6-10 und Fragmente“, Prof. Dr. Wolfram Kinzig und Dr. Thomas Brüggemann, Universität Bonn; Hubert Kaufhold, München, De Gruyter-Verlag, Berlin, gebunden, 119,95 Euro, 540 Seiten

Kontakt:

Prof. Dr. Wolfram Kinzig
Evangelisch-Theologisches Seminar
der Universität Bonn
Tel. 0228/737305
E-Mail: kinzig@uni-bonn.de

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