08. Dezember 2015

Katalytischer Tango Katalytischer Tango

Chemiker der Uni Bonn entwickeln einen neuartigen Reaktionsbeschleuniger, der mehrere Schritte umfasst

Bei einem Tango kommt es darauf an, dass beide Partner genau aufeinander eingespielt sein müssen, um die komplizierten Bewegungen optimal umzusetzen. Ähnlich ist es bei einem neuartigen Katalysator, den Chemiker der Universität Bonn entwickelt haben. Er wandelt in zwei Stufen Naturstoffe in erwünschte Produkte um. Die Katalyseschritte greifen ineinander wie der Tanz des Tangopaars. Mit ihrer aktuellen Studie schafften es die Forscher nun auf die Titelseite der renommierten Fachzeitschrift “Angewandte Chemie”.

Die Kopplung der Katalyse-Zyklen gleicht einem argentinischen Tango:
Die Kopplung der Katalyse-Zyklen gleicht einem argentinischen Tango: - Die Grafik mit dem Hauptgebäude der Universität Bonn im Hintergrund haben sich die Wissenschaftler vom Kekulé-Institut für Organische Chemie und Biochemie ausgedacht. Sie ziert nun die Titelseite der Fachzeitschrift “Angewandte Chemie”. © Grafik: Angewandte Chemie/Wiley-VCH Verlag Weinheim
Alle Bilder in Originalgröße herunterladen Der Abdruck im Zusammenhang mit der Nachricht ist kostenlos, dabei ist der angegebene Bildautor zu nennen.

Kaum ein chemisches Herstellungsverfahren kommt ohne Katalysatoren aus: Sie bringen überhaupt erst chemische Reaktionen in Gang, beschleunigen sie oder lenken sie in eine bestimmte Richtung. Der Energie- und Ressourcenaufwand in der chemischen Produktion kann mit Katalysatoren häufig entscheidend verringert werden. „Allerdings erfordern viele Katalysatoren teure Edelmetalle oder giftige Substanzen“, sagt Prof. Dr. Andreas Gansäuer vom Kekulé-Institut für Organische Chemie und Biochemie der Universität Bonn. Sein Team hat mit Wissenschaftlern vom Mulliken Center for Theoretical Chemistry der Universität Bonn und der Universität Granada (Spanien) einen neuartigen Katalysator entwickelt, der zum Beispiel für die Erzeugung von pharmazeutischen Produkten von Bedeutung sein könnte.

Radikale greifen bestimmte Gruppen im Naturstoff an

„Der Katalysator ist leicht herzustellen und besteht aus einer Titan-Verbindung, die eine Amidgruppe enthält, wie sie zum Beispiel in vielen Proteinen vorkommt“, sagt Prof. Gansäuer. Der Katalysator funktioniert in zwei Schritten: Zuerst werden sogenannte Radikale hergestellt, die über ein freies Elektron verfügen und deshalb sehr reaktionsfreudig sind. Die Radikale können in viele Produkte – Alkohole, Lactone sowie Hetero-und Carbozyklen – und so zu neuen Naturstoffderivaten mit maßgeschneiderten Eigenschaften umgewandelt werden. Im zweiten Schritt werden die Radikale nach getaner Arbeit durch ein Wasserstoffatom weggefangen. Mit dem neuartigen Katalysatorsystem lassen sich zum Beispiel Steroide, Zucker und Aminosäuren leicht modifizieren. „Das sind allesamt sehr wichtige Synthesewege zum Beispiel für Anwendungen in der pharmazeutischen Industrie“, erläutert Prof. Gansäuer.

Beide Katalysezyklen sind eingespielt wie Tango-Tänzer

Der Katalysator funktioniert nur, wenn die Herstellung und das Wiederwegfangen der Radikale präzise koordiniert sind. „Die Kopplung der Katalysezyklen erinnert an einen Tango, bei dem auch beide Tanzpartner genau aufeinander eingespielt sein müssen“, schildert der Chemiker der Universität Bonn. Das Forscherteam hat es mit seiner Entwicklung geschafft, dass der neuartige Katalysator genau diese Herausforderung meistert. „Das bifunktionelle katalytische System eröffnet vollkommen neue Perspektiven für industrielle und pharmazeutische Anwendungen“, sagt Prof. Gansäuer.

Wissenschaftler aus aller Welt kooperieren

Die Chemiker der Universität Bonn kooperieren mit anderen Forschern weltweit, um neuartige Katalysatoren zu entwickeln, die kostengünstiger und umweltfreundlicher in der Produktion sind als die heutige Generation. Das Team hat vor einiger Zeit eine Ausschreibung der „International Union for Pure and Applied Chemistry (IUPAC)“ gewonnen und treibt damit Pilotprojekte auf dem Gebiet der nachhaltigen Katalyse voran.

Publikation: Amid-substituierte Titanocene für die H-Atom-Transfer-Katalyse, Angewandte Chemie, DOI: 10.1002/ange.201509548

Kontakt für die Medien:

Prof. Dr. Andreas Gansäuer
Kekulé-Institut für Organische Chemie
und Biochemie
Universität Bonn
Tel. 0228/732800
E-Mail: andreas.gansaeuer@uni-bonn.de

Wird geladen