29. Juni 2015

Die materielle Kultur indigener Völker Die materielle Kultur indigener Völker

BMBF-Förderung für Altamerikanisten-Verbund: Unter Federführung der Bonner Altamerikanistik werden ethnographische Sammlungen untersucht.

Bis heute bringen Europäer Kulturgut aus anderen Regionen der Welt nach Hause. Unter Federführung der Universität Bonn wird nun mit Fördermitteln des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) und in Kooperation mit einer indigenen Gruppe Südamerikas die frühere und aktuelle Bedeutung solcher Objekte erforscht. In dem bis 2018 angelegten Verbundprojekt „Mensch-Ding-Verflechtungen indigener Gesellschaften“ der Universität Bonn, der Goethe-Universität Frankfurt und des Linden-Museums Stuttgart soll erstmals ein Archiv der materiellen Kultur der Apalai-Wayana-Volkes sowie später eine Ausstellung entstehen. Eröffnet wird das BMBF-geförderte Forschungsprojekt in den Räumen der Bonner Altamerika-Sammlung (BASA) der Universität Bonn, Oxfordstr. 15, 53111 Bonn, am Dienstag, 07. Juli 2015, um 17.00 Uhr.

Ameisenmatte
Ameisenmatte - Die Ameisenmatte hat eine wichtige Funktion im Verlauf der Initiationsriten: In das Strohgeflecht der Matte werden lebende Ameisen oder Wespen eingebracht, um dann dem Initianden auf die Haut gedrückt zu werden. Das schweigende Erdulden dieser Schmerzen gehört sowohl bei den Apalai-Wayana als auch bei den Tiriyó zum Erwachsenwerden. © BASA - Bonner Altamerika-Sammlung, Universität Bonn
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Das Verbundvorhaben „Mensch-Ding-Verflechtungen indigener Gesellschaften“ erforscht am Beispiel der südamerikanischen Apalai-Wayana und Tiriyó, wie das an Gegenstände gekoppelte Wissen zwischen Generationen weitergegeben wird und wie sich diese Prozesse verändern. Diese Fragen werden anhand von rituellen und alltagsgebräuchlichen Gegenständen untersucht,  sowie im Austausch zwischen indigenen Gruppen untereinander und mit Vertretern westlicher Gesellschaften.
Die  Wissenschaftler in Bonn, Frankfurt/Main und Stuttgart gehen davon aus, dass ein auf Objekten beruhender Wissenstransfer und seine Veränderungen nicht allein vom Austausch der benachbarten indigenen Gruppen untereinander, sondern auch von Wissenschaftlern, Sammlern oder Missionaren beeinflusst ist. 

Objekte aus mehr als 100jährigem Zeitraum werden erforscht

Im Rahmen des dreijährigen Vorhabens werden mehr als 2.000 ethnographische Objekte aus europäischen Sammlungen sowie Gegenstände, welche die Indigenen in der Gegenwart nutzen, mit unterschiedlichen Wissensmedien und -kompendien verknüpft. Auf dieser Basis sollen das Material, die Formen und Designs der Objekte sowie ganzer Objektgruppen untersucht werden. Diese Gegenstände entstammen einem mehr als 100jährigen Zeitraum. Dabei verlieren die Forscher nicht aus dem Blick, dass unterschiedliche Perspektiven auf dieselbe Sache zu verschiedenen Erkenntnissen oder auch Forschungsergebnissen führen können: Die Perspektive des Sammlers unterscheidet sich von der der Wissenschaftler und diese wiederum von der Wahrnehmung der Nutzer oder Hersteller eines Gegenstandes. Ein multiperspektivischer Zugang ist also gefragt.

Das Teilprojekt  an der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn (http://www.iae.uni-bonn.de/) wird die Ethnographica im Rahmen von Feldforschungsaufenthalten mit dem aktuellen Spektrum der materiellen Kultur verbinden sowie mit Tonaufnahmen mündlicher Überlieferungen. Das Teilprojekt an der Universität Frankfurt am Main (http://www.tfm.uni-frankfurt.de/) wird die ethnographischen Objekte mit historischem Film- und Fotomaterial (ca. 1.400 Fotografien, Filme und Filmsequenzen) verknüpfen und dieses im Rahmen von Feldaufenthalten erweitern. Das Teilprojekt am Linden-Museum Stuttgart (http://www.lindenmuseum.de/) wird ausgehend von partizipativen Museumskonzepten unter Einbeziehung von Nicht-Wissenschaftlern, Studierenden und der Angehörigen der Herkunftsgemeinschaften neue methodische Ansätze entwickeln, um auf partnerschaftlicher Basis indigene Gemeinschaften in die Arbeit mit musealisierten Teilen ihres kulturellen Erbes einzubeziehen. Gemeinsam wird ein internationales Symposium durchgeführt, um die Forschungsergebnisse sowohl mit Fachkollegen als auch mit Vertretern der Herkunftsgemeinschaften zu diskutieren.

Aufbau eines Archivs der materiellen Kultur

Eines der wichtigsten Arbeitsergebnisse wird die Schaffung eines Archivs der materiellen Kultur sein, das in enger Zusammenarbeit mit den Herkunftsgemeinschaften als Datenbank aufgebaut und in gegenseitiger Abstimmung online zugänglich gemacht wird. Ebenso wird ein Teil der oralen Traditionen transkribiert, übersetzt und mit Kommentaren versehen publiziert. Diese Publikation wird das Bestreben der beteiligten Gruppen unterstützen, Teile ihrer mündlichen Traditionen als Weltkulturerbe anerkennen zu lassen.

Die Koordination des Forschungsprojektes liegt bei Prof. Dr. Karoline Noack und Dr. Beatrix Hoffmann-Ihde, beide von der Abteilung für Altamerikanistik der Universität Bonn. Verbundpartner sind das Institut für Film- und Medienwissenschaften der Goethe-Universität Frankfurt, vertreten durch Prof. Dr. Vinzenz Hediger und die Doktorandin Rebecca Barthel. Unter der Leitung von Dr. Doris Kurella vom Linden-Museum Stuttgart werden die beiden Doktoranden Heinrich Natho und Jennifer Schmitz mit Blick auf die kommende Ausstellung museumswissenschaftliche Konzepte auf ihre Tauglichkeit in der Kooperation mit den Apalai-Wayana und Tiriyó untersuchen.

Entstehung und Entwicklung des Forschungsprojektes wurden durch Recherche- und Forschungsaufenthalte am Museum der Kulturen in Basel und Belém/Brasilien möglich, welche der Deutsche Akademische Austauschdienst (DAAD) und die Volkswagen-Stiftung unterstützt hatten.

Feier zur Eröffnung des Forschungsprojektes

Offiziell eröffnet wird das BMBF-geförderte Forschungsprojekt in den Räumen der Bonner Altamerika-Sammlung (BASA) der Universität Bonn, Oxfordstr. 15, 53111 Bonn, am Dienstag, 07. Juli 2015, um 17.00 Uhr.

Ansprechpartnerinnen:
Prof. Dr. Karoline Noack, Dr. Beatrix Hoffmann-Ihde
Abteilung für Altamerikanistik der Universität Bonn
Oxfordstraße 15, 53111 Bonn
Tel. 0049 (0)228 73 4414
Fax 0049 (0)228 73 4385
E-Mail: bihde@uni-bonn.de

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