26. November 2010

Lähmende Angst vor dem falschen Ton Lähmende Angst vor dem falschen Ton

Lampenfieberambulanz für Musiker gegründet

Das Herz schlägt bis zum Hals und der Atem rast: Viele Musiker leiden unter extremem Lampenfieber. Die Angst vor dem Auftritt kann so groß werden, dass sie sogar Karrieren zerstört. Hilfe finden Betroffene jetzt am Universitätsklinikum Bonn. Dort gibt es seit kurzem deutschlandweit die erste Lampenfieberambulanz speziell für Musiker.

Die Ambulanz-Gründer:
Die Ambulanz-Gründer: - Psychiaterin und Neurologin Dr. Déirdre Mahkorn sowie Psychologe Martin Landsberg; © Gerhard Thuener / UKB
Alle Bilder in Originalgröße herunterladen Der Abdruck im Zusammenhang mit der Nachricht ist kostenlos, dabei ist der angegebene Bildautor zu nennen.

So mancher Musiker braucht das Prickeln vor dem Auftritt, um brillant zu sein. Doch andere entwickeln eine solche Angst davor, den falschen Ton zu treffen oder aus dem Takt zu kommen, dass sie vor lauter Nervosität nicht mehr auftreten können. Denn ein Fehler lässt sich nicht durch Improvisation überspielen und ist so für den Zuhörer auf jeden Fall hörbar. Schätzungsweise jeder zweite Berufsmusiker leidet unter Lampenfieber. Dem Sänger versagt die Stimme, der Bläser hat einen trockenen Mund und dem Geiger zittert die Bogenhand – jede Musikergruppe hat ihr spezielles Problem.

Doch die Ursache ist für alle gleich, weiß Dr. Déirdre Mahkorn, Oberärztin an der Bonner Universitätsklinik für Psychiatrie und Psychotherapie: „Es sind leistungsorientierte Perfektionisten mit hohem Ehrgeiz. Sie sind mit sich selbst zu streng und hadern im Rückblick über jeden Fehler.“ Es entsteht ein Teufelskreis: Das Scheitern wird vorweggenommen, obwohl es noch gar nicht passiert ist. Dadurch erhöht sich die Angst vor dem Auftritt.

Über die Jahre kann das Lampenfieber immer stärker werden. Manche Musiker greifen dann auch zu Alkohol, Drogen oder Beta-Blockern, die das Herzrasen senken. Irgendwann ist eventuell sogar der Punkt erreicht, an dem der Künstler nicht mehr seinen Beruf ausüben kann. Auch Studenten können bereits ein so starkes Lampenfieber allein vor dem Vorspielen vor Mitstudenten, Lehrern oder für ein Engagement entwickeln, dass sie das Studium abrechen und sich nach einem anderen Beruf umsehen.

Lampenfieber ist heilbar

„Wir wollen betroffenen Musikern helfen, diesen Teufelskreis zu durchbrechen“, sagt Martin Landsberg, Psychologe an der Bonner Universitätsklinik für Psychiatrie und Psychotherapie. Zusammen mit seiner Kollegin Mahkorn geht er bei jedem Patienten der Ursache für das Lampenfieber auf den Grund. Dazu erstellen sie ein Persönlichkeitsprofil und nutzen ein individuelles Angst-Tagebuch. Hinzu kommen Entspannungsübungen, die helfen die Lampenfiebersymptome zu lindern. „Je länger das Problem bereits bestand, desto länger braucht der Betroffene auch, um sein Lampenfieber zu kontrollieren“, sagt Landsberg.

„Ein solches Angebot speziell für Musiker gab es so bisher nicht in Deutschland“, beschreibt Mahkorn die Motivation, die Lampenfieberambulanz zu gründen. Der Bedarf ist hoch wissen die beiden Hobby-Musiker – Landsberg ist Waldhornist; Mahkorn hat eine Gesangsausbildung und spielt Klavier: „Lampenfieber ist ein Tabuthema, über das gerade unter Kollegen nicht gesprochen wird. Umso höher ist die Resonanz auf unsere neue Ambulanz. Die Musiker sind froh, dass ihre Ängste wahrgenommen werden.“ So zählt die junge Lampenfieberambulanz bereits 40 Patienten. Dabei ist Anonymität das höchste Gebot: Die Termine werden möglichst so koordiniert, dass die Betroffenen sich nicht rein zufällig vor Ort begegnen.

Kontakt:
Dr. Déirdre Mahkorn
Oberärztin an der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie
Universitätsklinikum Bonn
Telefone: 0228/287-19316
E-Mail: Deirdre.Mahkorn@ukb.uni-bonn.de

Wird geladen