03. April 2024

Zwei Jahre Zeitenwende und die Rolle Deutschlands in der internationalen Politik Podcast: Zwei Jahre Zeitenwende und die Rolle Deutschlands in der internationalen Politik

Podcast „Internationale Politik und Geschichte“ mit Mayssoun Zein Al Din, Hans-Dieter Heumann und Friedrich Kiessling

Zwei Jahre nach der Zeitenwende: Am 27. Februar 2022 sagte Bundeskanzler Olaf Scholz vor dem zu einer Sondersitzung zusammengetretenen Deutschen Bundestag anlässlich des drei Tage zuvor begonnenen russischen Überfalls auf die Ukraine: "Die Welt danach wird nicht mehr dieselbe sein wie die Welt davor.“
Anlässlich des Jahrestages sprachen Dr. Mayssoun Zein al Din (CASSIS, Nordrhein-Westfälischen Akademie für Internationale Politik), Hans-Dieter Heumann (CASSIS) und Friedrich Kießling (Institut für Geschichtswissenschaften, Uni Bonn) über den Stand der angekündigten "Zeitenwende". Wie haben sich die Rolle Deutschlands in Europa und der Welt verändert?

Zwei Jahre Zeitenwende und die Rolle Deutschlands in der internationalen Politik
Zwei Jahre Zeitenwende und die Rolle Deutschlands in der internationalen Politik © Uni Bonn
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Eine Zeitenwende ist es tatsächlich im Sinne, dass Ordnungsprinzipien in Frage gestellt wurden. „Spätestens seit dem Wiener Kongress haben wir uns eine europäische Ordnung vorgestellt, in der Russland ein Partner ist“, stellt Heumann fest. „Der große Unterschied zwischen der Sowjetunion und Putins Russland ist: Die Sowjetunion war letztlich eine am Status quo orientierte Macht, Putins Russland ist eine revanchistische Macht“, so Heumann.

Zugleich zieht sich die USA aus ihrer bisherigen Position immer mehr zurück. Welche Rolle kann ein Deutschland als Mitglied der NATO und Europäischen Union und zukünftig einnehmen? Zein al Din fordert ein verstärktes, selbstbewusstes Engagement. "Souveränität bedeutet nicht Autonomie oder Unabhängigkeit von Bündnissen.

Souveränität bedeutet nur Handlungsfähigkeit“, stellt Zein al Din fest. „Und da haben wir durchaus auch den Anspruch, unsere Ziele strategisch zu verfolgen, unsere Nachbarregion mitzugestalten. In dieser sich neu formierenden Welt eine Rolle zu spielen, unabhängig davon, wie sich das jetzt mit Russland entwickelt, unabhängig davon, wie die Wahlen in den USA ausgehen werden“.

Gleichzeitig betont sie die Bedeutung des europäischen Projekt. Europäische Bündnisse seien wichtig, aber man könne auch divergierende Interessen haben, wie etwa die Rolle der Türkei zeige. „Und deshalb müssen wir uns auch die Frage stellen: Stimmen unsere Interessen immer uneingeschränkt mit den Interessen anderer Partner in der NATO überein?“ Das sei nicht immer der Fall und deswegen sei eine europäische Souveränität wichtig. Deutschland und Europa müssten weltpolitisch handlungsfähig werden.

Doch wird Deutschland diesen Aufgaben und einer Führungsrolle gerecht? Kießling warf einen Blick in die Nationale Sicherheitsstrategie. „Und wenn man da reinschaut, dann ist das ein Katalog von allem.“ Es fehlten nicht nur Schwerpunkte und eine zeitliche Abfolge. Man sei auch nicht weit gekommen, wenn es um wirkliche Ziele geht, die man dann auch braucht, um diplomatisch einzugreifen oder diplomatische Initiativen zu setzen.

Über die Sprechenden

Dr. Mayssoun Zein Al Din  ist Geschäftsführerin der Nordrhein-Westfälischen Akademie für Internationale Politik in Bonn und Lehrbeauftrage der RWTH Aachen im Studiengang Theologie und Globale Entwicklung sowie im Institut für Politische Wissenschaft und Soziologie der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn. Des Weiteren hatte sie einen Lehrauftrag am Zentrum für Islamstudien der Westfälischen Wilhelms-Universität und an der RWTH Aachen im Masterstudiengang für European Studies. Sie war im Büro von des damaligen NRW-Ministerpräsident Armin Laschet wissenschaftlich mit Themen der Internationalen Politik betraut. Davor leitete sie als Geschäftsführerin die NGO Open Door International, die mit der Durchführung von internationalen Bildungsaustauschprogrammen von Jugendlichen befasst ist. >>Mehr Informationen

Dr. Hans-Dieter Heumann ist Lehrbeauftragter am Institut für Geschichtswissenschaft der Universität Bonn und am CASSIS. Bis 2015 war er Präsident der Bundesakademie für Sicherheitspolitik in Berlin, davor Deutscher Botschafter beim Europarat. Der diplomatische Dienst führte ihn an die Botschaften in New York (VN), Washington, Moskau und Paris. Im Auswärtigen Amt arbeitete er u.a. im Planungs- und Leitungsstab, im Bundesministerium der Verteidigung im Planungsstab. Als Politikwissenschaftler lehrte und forschte er an der Georgetown University in Washington, D.C. sowie am Institute for East-West Security Studies in New York, USA. >>Weitere Informationen

Prof. Dr. Friedrich Kießling ist seit 2020 Inhaber des Lehrstuhls für Neuere und Neueste Geschichte an der Universität Bonn. Zu seinen Schwerpunkten und Forschungsinteressen gehören die Geschichte der internationalen Beziehungen im 19. und 20. Jahrhundert, die moderne Ideen- und Intellektuellengeschichte, die "Nachgeschichte" des Nationalsozialismus sowie die Gründung und frühe Geschichte der Bundesrepublik Deutschland. Zur Außenpolitik der Bundesrepublik ist u.a. erschienen: Klaus Brummer/Friedrich Kießling (Hg.): Zivilmacht Bundesrepublik? Bundesdeutsche außenpolitische Rollen vor und nach 1989 aus politik- und geschichtswissenschaflichen Perspektiven. Baden-Baden 2019."

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